Auf der einen Seite steht Christian Imark. Der SVP-Nationalrat aus Solothurn brachte am 2021 das CO₂-Gesetz praktisch im Alleingang zum Absturz. Im Februar 2024 reichte er als Mitglied des Initiativkomitees die Blackoutinitiative ein, die neue AKW wieder erlauben will. Und 2023 war er als Vertreter der Energiekommission (Urek) verantwortlich dafür, dass die SVP-Fraktion das Stromgesetz von SVP-Bundesrat Albert Rösti mit 36:18 Stimmen absegnete. Die Volksabstimmung findet am 9. Juni statt.
Auf der anderen Seite steht Magdalena Martullo-Blocher. Die Nationalrätin, SVP-Vizepräsidentin, Ems-Chefin und Tochter von SVP-Doyen Christoph Blocher kippte das Ja der Fraktion mithilfe von SVP-Präsident Marcel Dettling, Fraktionschef Thomas Aeschi und Finanzchef Thomas Matter in ein Nein – im Parteileitungsausschuss, im Parteivorstand und an der Delegiertenversammlung.
Martullo zeigte damit, wer die Macht hat in der Partei. Dagegen lehnen sich jetzt breite Kreise auf. 19 von 68 SVP-Parlamentsmitgliedern haben sich dem Ja-Komitee angeschlossen, darunter Diana Gutjahr (TG) und Esther Friedli (SG). Christian Imark (SO) und Jakob Stark (TG) gehören gar dem Ja-Co-Präsidium an. Insider gehen davon aus, dass neben der SVP St.Gallen auch die SVP der Kantone Thurgau und Bern Ja sagen könnten.
Christian Imark geht nun als Vertreter der Befürworter in die Offensive – mit einem politischen Angriff auf Magdalena Martullo-Blocher, wie er in dieser Deutlichkeit noch kaum je zu sehen war. Martullo sei in der Wirtschaftspolitik «besser bewandert» als in der Energiepolitik, sagt er. «Entsprechend sollte sie ihren Fokus legen.» Sie sei «die treibende Kraft hinter dem Nein der SVP» zum Stromgesetz, obwohl die SVP-Fraktion Ja sagte. Imark befürchtet, die SVP bekomme mit diesem Schwenker Probleme, im Parlament noch Allianzen schliessen zu können.
«Wir SVP-Parlamentsmitglieder arbeiten in der Umweltkommission sehr gut mit den anderen Bürgerlichen zusammen», betont er. «Das könnte sich aber ändern, wenn die SVP alles torpediert, was wir in der Kommission mit den Bürgerlichen ausarbeiten.» Das sei nicht nur beim Stromgesetz passiert, sondern auch bei der Neuauflage des CO₂-Gesetzes, «obwohl wir dort fast alles durchbrachten».
FDP und Mitte fragten sich zunehmend, ob sie überhaupt noch mit der SVP arbeiten wollten, sagt Imark. «Damit gefährdet Magdalena Martullo die bürgerlichen Mehrheiten in der Energiefrage und torpediert letztlich das ureigene Interesse der SVP: dass man in der Schweiz künftig wieder Kernkraftwerke bauen kann. Das ist der wichtigste politische Kampf in der Energiefrage.»
Mit der Blackoutinitiative, die am 16. Februar eingereicht wurde, kommt die Atomfrage wieder auf den Tisch. Die Initiative will in die Bundesverfassung schreiben, dass Atomenergie als Art der Stromerzeugung wieder zulässig sein soll. Mit der Energiestrategie hatte die Bevölkerung den Neubau von AKW verboten.
«Bundesrat und Parlament werden sich einen indirekten Gegenvorschlag überlegen müssen», sagt Imark – und skizziert die wahrscheinlichste Stossrichtung: «Man sollte Artikel 12a des Kernenergiegesetzes streichen.» Dieser verbietet Rahmenbewilligungen für Kernkraftwerke. Ein solcher Schritt, glaubt Imark, würde das Initiativkomitee veranlassen, die Blackoutinitiative «zumindest bedingt» zurückzuziehen. Um dafür eine Mehrheit zu bilden, benötige die SVP sowohl den Freisinn als auch Teile der Mitte-Fraktion, sagt Imark – und betont: «Entsprechende Mehrheiten sind im National- wie im Ständerat absehbar.»
Andere Quellen sagen, die SVP-Vertreter hätten sich in der Energiekommission des Nationalrats dank Kompromissen bereits eine 13:12- oder gar 14:11-Mehrheit in der Atomfrage gesichert.
Die parteitaktischen Überlegungen der SVP könne er zwar sehr wohl verstehen, sagt Imark: «Sie will ihr Alleinstellungsmerkmal der letzten Jahre in der Energiepolitik behalten und die Basis nicht verärgern. Das Stromgesetz ist aber das falsche Gesetz für einen solchen Kampf.»
Die Auseinandersetzungen zeigen deutlich: Die SVP steht vor einem strategischen Dilemma. Soll sie als grösste Partei des Landes mit zwei Bundesräten verstärkt Realpolitik betreiben? Oder soll sie ideologischer und oppositioneller auftreten, um weiter zu wachsen? Magdalena Martullo, als Blocher-Tochter inoffizielle SVP-Erbin, scheint den zweiten Weg einschlagen zu wollen.
Die SVP habe schon immer auch einen Oppositionskurs gefahren, sagte Martullo nach dem Nein der Delegiertenversammlung zum Stromgesetz gegenüber CH Media. Es sei aber kein Thema, etwa die beiden Bundesräte aus der Regierung zurückzuziehen. Zur aktuellen Kritik von Imark äussert sie sich nicht. Wegen einer Geschäftsreise habe sie keine Zeit, Fragen zu beantworten, liess sie ausrichten.
Dass Martullo und die SVP mit dem Nein zum Stromgesetz bürgerliche Allianzen für den Bau von neuen Kernkraftwerken gefährden, wie Imark sagt, glaubt SVP-Präsident Marcel Dettling nicht. «Am Mittwoch wurde unter dem Traktandum der Legislaturplanung über einen Antrag zum Bau für neue Kernkraftwerke abgestimmt», sagt er. «Da war nichts von einer bürgerlichen Allianz zu sehen. Wir waren alleine.»
Das Stromgesetz ist für ihn ein «fauler Kompromiss». Es zementiere die gescheiterte Energiestrategie 2050. «Gefördert wird vor allem Wind, Solar und Biomasse – von 6 auf 45 Terrawatt. Das ist aber unsicherer Strom.» Zudem würden die Stromkosten mit dem neuen Gesetz weiter explodieren. «Ich habe bei mir zuhause nachgeschaut», sagt er. «2008 zahlte ich 12 Rappen pro Kilowattstunde, 2024 34,5 Rappen. Das ist Abzockerei.»
Im Fokus steht auch die SVP Aargau. Benjamin Giezendanner, ein Befürworter des Gesetzes, hat gemäss Programm einen Auftritt an der Delegiertenversammlung vom 8. Mai. Es gibt deshalb Gerüchte, dass Dettling oder Fraktionschef Thomas Aeschi nach Suhr kommen, um die Nein-Parole abzusichern. Dettling dementiert: «Das kann ich nicht bestätigen.»
Dettling lobt das Klima in der Partei. «Die Delegiertenversammlung bot eine gute demokratische Ausmarchung», sagt er. «Auch jetzt geht man fair miteinander um.» Leise Kritik an Imark übt er aber dennoch: «Ich habe den Befürwortern des Stromgesetzes in der Fraktion gesagt, dass sie in Zukunft zurückhaltend sein sollen», betont er. «Weil sie eine andere Haltung vertreten, als die Delegiertenversammlung als oberstes Gremium beschlossen hat.» (aargauerzeitung.ch)
Wenn Herr Imark eine Versicherung findet, die ihm sein schönes Traum AKW versichert, schauen wir weiter. Bis dahin ist er schlicht mal ein Ignorant, mehr nicht.