Bis jetzt schaltete die SVP auf stur, wenn es um den Klimawandel ging. Bestes Beispiel dafür ist SVP-Ständerats-Kandidat Roger Köppel. Er schiesst auf Twitter seit Wochen gegen «Klimawahn» und «Klimadiktatur». Das «Klima» sei «eine Intensiv-Mode, ein Rausch», schrieb der «Weltwoche»-Verleger etwa. Man dürfe selber «keinesfalls aus dieser Flasche trinken». Oder: «Klima-Wahn? Nein danke! Wehrt euch gegen den grünen Absolutismus.»
Doch jetzt macht die Partei einen ungewöhnlichen Schritt. SVP-Präsident Albert Rösti tritt am 1. Juni mit FDP-Präsidentin Petra Gössi an einem gemeinsamen Anlass zur Wasserstoff-Mobilität auf.
Er findet in Hunzenschwil AG statt, dem Wasserstoffzentrum der Schweiz, wo die erste öffentliche H2-Tanksäule steht. Das Motto der Veranstaltung: «Liberale Klimapolitik auf dem Prüfstand: Wasserstoff H2 – Treibstoff für den Klimaschutz». Der Anlass soll das Potenzial von Wasserstoff als Treibstoff aufzeigen, um den CO2-Ausstoss zu reduzieren.
Rösti wie Gössi sehen den Auftritt als Chance, gemeinsam eine bürgerliche Klimapolitik der technologischen Innovation zu fördern, statt mit neuen Verboten konfrontiert zu werden. «Es ist wichtig, dass die Bürgerlichen ihre Umweltpolitik gemeinsam kommunizieren», sagt FDP-Präsidentin Gössi. «Sonst gibt es plötzlich nur noch Verbote.» SVP-Präsident Rösti will ebenfalls «Zeichen gegen linke Verbote setzen». Die SVP trete gegen neue Verbote, Steuern und Abgaben an. «Das schränkt die Freiheit ein, die für uns ein sehr hohes Gut ist.»
Rösti sagt, «saubere Luft, sauberes Wasser und eine intakte Umwelt» liessen sich «mit technologischen Innovationen von privaten Unternehmen besser realisieren als mit staatlichen Eingriffen». Und FDP-Präsidentin Gössi betont: «Liberale Umweltpolitik muss auch Wirtschaftspolitik sein. Für uns geht sie über Innovation und Wertschöpfung im Inland.»
In der SVP gelten Nationalrat Ulrich Giezendanner und sein Sohn Benjamin, Aargauer SVP-Grossrat, als grosse Wasserstoff-Befürworter.
Sie wollen die Diesel-Lastwagen der Giezendanner Transport AG schon in naher Zukunft durch Wasserstoff-Lastwagen ersetzen. «Wir dürften wohl in den nächsten zwei Jahren unseren ersten Wasserstoff-Lastwagen bekommen», sagte Benjamin Giezendanner vor zwei Wochen am «Giezi-Fescht». Er glaube, dass sich diese Technologie gegen jene der Elektro-Lastwagen, die das Unternehmen ebenfalls teste, durchsetze. Zudem wolle die Giezendanner Transport AG eine eigene Wasserstoff-Tankstelle.
«Wir sollten Wasserstoff fördern, wo wir nur können», sagt auch Ulrich Giezendanner selbst. «Es ist eine Sünde, Erdöl zu verbrennen. Erdöl ist viel zu wertvoll. Deshalb wird die SVP zur Wasserstoff-Partei.» Giezendanner spielt damit auch auf SVP-Politiker Walter Frey an. Der grösste Autohändler Europas ist Mitglied des Fördervereins H2-Mobilität Schweiz.
Dem Verein gehören elf Unternehmen an wie Coop, Migros und die Emil Frey Gruppe. Er bringt bis 2023 1000 mit Wasserstoff betriebene Lastwagen in die Schweiz. Parallel dazu soll ein flächendeckendes Tankstellennetz für Wasserstoff aufgebaut werden.
Den Anlass in Hunzenschwil hat FDP-Frauen-Präsidentin Doris Fiala initiiert. Ursprünglich als reiner FDP-Anlass geplant, weitete Fiala ihn auf die SVP aus. Walter Frey ist einer der Gründe dafür. «Er ist einer der wichtigsten Investoren der Schweizer Autoindustrie für diese Technologie», sagt Fiala. Deshalb war für sie klar, dass FDP und SVP in diesem Fall eine Gemeinsamkeit haben müssten. «Ich freue mich, dass die SVP mitmacht», sagt die FDP-Frauen-Präsidentin. «Es wird sich zeigen, ob sie diesen Anlass ernsthaft als nachhaltiges Engagement nutzt.»
Fiala wollte sich aber auch bewusst von links abgrenzen. «Ich habe mich darüber gegrämt, dass es in konservativen Kreisen zuerst hiess, die FDP-Frauen würden mit ihrem Klima-Engagement nach links abdriften», sagt sie. «Nur weil wir ökologische Verantwortung übernehmen wollen.»
Nach dem Anlass von Hunzenschwil vom Samstag veranstalten die FDP-Frauen im August auch bei der Empa in Dübendorf ein Klima-Treffen. «Es geht um die Frage, welches der beste Treibstoff ist für das Klima», sagt FDP-Frauen-Präsidentin Doris Fiala. «Dabei nehmen wir Biogas, die Elektromobilität, die Wasserstoff-Mobilität und synthetische Treibstoffe unter die Lupe.» Die FDP-Frauen führen den Anlass durch mit Swisscleantech, dem Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) und den KMU-Frauen. Mobilität, verdichtetes Bauen und Ernährung aus ökologischer und naher Produktion sind für Fiala Felder für eine liberale Umweltpolitik, die sie bearbeitet.
Das öffentliche klimapolitische Engagement der SVP reduzierte sich bislang zwar auf den Kampf gegen die «Klimahysterie». Verschiedene SVP-Parlamentarier tun allerdings viel im klimapolitischen Bereich. Die Giezendanner Transport AG etwa verlagert das Stückgut von 10 000 Lastwagen auf die Schiene. 300 Kilometer pro Fahrt oder total 6 Millionen Kilometer können so vermieden werden. «Damit sparen wir 1.8 Millionen Liter Diesel», sagt Ulrich Giezendanner.
SVP-Nationalrat Franz Grüter ist privat inzwischen sogar «nahezu Energie-Selbstversorger», wie er sagt. «Ich fahre ein Elektroauto und besitze eine Photovoltaik-Anlage.» Zudem hat Green.ch mit Verwaltungsratspräsident Grüter in den letzten Jahren Millionen in nachhaltige Technologien investiert. Das Unternehmen wurde vom Bundesamt für Energie mit dem Prix Watt d’Or in den Bereichen Gebäude und Raum ausgezeichnet.
Auch Ems-Chefin und Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher sparte dank dem Biomasse-Kraftwerk in Domat/Ems «zwischen 2001 und 2017 85 Prozent unseres CO2-Ausstosses ein», wie sie im «Blick» sagte. Und Nationalrätin Diana Gutjahr, die ebenfalls in Hunzenschwil auftritt, sagte gegenüber CH Media, sie investiere als Unternehmerin laufend in modernere Produktionsanlagen mit möglichst tiefem Energieverbrauch.
Und was sagt SVP-Klima-Scharfmacher Roger Köppel zum Wasserstoff-Anlass in Hunzenschwil? «Die Wasserstoff-Technologie zeigt», betont er, «dass die von links verteufelte Automobil-Industrie heute zu den ganz grossen Treibern eines vernünftigen, realistischen und marktwirtschaftlichen Umweltschutzes gehört.»
Und plötzlich sieht das ganze mehr nach Propaganda und Blenderei aus, als nach ehrlichem Klimaschutz.
Zu Frau Martullo gabs glaube auch hier auf Watson mal ein Artikel, dass Sie mit der Biomasseanlage in Ems vor allem hart von Subventionierung profitiert. Die grüne Anlage ist zuerst also eine Goldgrube, Kli aschutz ein sexy Nebeneffekt.