SVP laut Umfrage auf über 30 Prozent – nun spricht Blocher vom 3. Sitz im Bundesrat
Wären am Sonntag nationale Wahlen, würde die SVP einen Anteil von 30,4 Prozent erreichen. Das ist das Resultat des neuen Wahlbarometers der SRG. Die Volkspartei gewänne damit 2,5 Wählerprozente hinzu verglichen mit den Wahlen von 2023.
Fast gleichauf liegen die FDP und die Mitte. Es ist wichtig, wer im Oktober 2027 die Nase vorn hat. Die Parteien im Parlament halten sich bisher bei der Zuteilung der Bundesratssitze an die Formel: Die drei wählerstärksten Parteien bekommen je zwei Mandate, die viertstärkste Partei eines.
Erzielt die Mitte in zwei Jahren einen höheren Wähleranteil als die FDP, rückt der zweite Regierungssitz in Griffnähe. In Bundesbern wird erwartet, dass FDP-Magistrat Ignazio Cassis Ende 2027 nach dem Jahr als Bundespräsident zurücktritt.
Es gibt allerdings eine andere Variante: Die SVP könnte dann den Freisinnigen einen Sitz abjagen. Exponenten der Volkspartei sprechen seit einiger Zeit über die Frage: Was ist, wenn die SVP ein Resultat von klar mehr als 30 Wählerprozenten erzielt? Wäre es dann nicht an der Zeit, einen dritten Sitz im Bundesrat einzufordern?
Unmut über die verpasste Wahl des Bundeskanzlers
Am Freitag fragte Moderator Matthias Ackeret den Parteivater der SVP in der Online-Talkshow «Tele Blocher»: «Wenn die SVP so viel hätte [mehr als 30 Prozent], dann wäre es ein dritter Bundesrat, oder?» Blocher antwortete: «Ja natürlich, diese Frage käme dann.» Blocher sprach im Dialekt. Wiedergabe auf Hochdeutsch: «Ja natürlich, diese Frage würde sich dann stellen.»
Ein SVP-Nationalrat, der nicht genannt werden will, sagt: «Wenn wir 2027 tatsächlich so gut abschneiden, muss man einen dritten Bundesratssitz ins Spiel bringen.» Das Resultat der anderen Parteien spiele eine wichtige Rolle. Man solle aber auch berücksichtigen: «Die SVP hat sich mehrmals um das Amt des Bundeskanzlers beworben – die anderen Parteien haben uns dieses Mandat aber vorenthalten.» Auf Walter Thurnheer von der Mitte folgte 2024 der grünliberale Bewerber Viktor Rossi.
Arithmetik allein reicht nicht
Kein Bundeskanzler aus der SVP – dafür bald ein dritter Bundesrat? In anderen Parteien hält man das für abwegig. Ein Mitte-Parlamentarier sagt: Arithmetisch betrachtet brauche es einen Wähleranteil von 14,3 Prozent für einen Bundesratssitz. Dreimal 14,3 ergäben 42,9 – davon sei die SVP nach wie vor weit entfernt.
Diese Analyse überzeugt aber nicht. Wäre man nach dieser strikt arithmetischen Regel ans Werk gegangen, hätten nach den Wahlen von 2023 nur drei der sieben Bundesratssitze verteilt werden können. Selbst die SVP hätte mit dem Wähleranteil von 27,9 Prozent nur einen Sitz bekommen, weil sie die Schwelle von 28,6 für das zweite Mandat verfehlte.
Es müssen nach den Wahlen alle Bundesratssitze zugeteilt werden. Darum kommt eine Formel zur Anwendung, die sich nicht strikt an die Arithmetik hält. Zwei Sitze für die SP mit einem Wähleranteil von 18,3 Prozent waren zum Beispiel unbestritten – weil die Sozialdemokraten die zweitstärkste politische Kraft im Land sind.
Wie bringt man andere Parteien zur Kooperation?
Eine grosse Frage stellt sich für die SVP aber, wenn sie über einen dritten Sitz im Bundesrat nachdenkt: Wie holt sie sich die Unterstützung aus anderen Parteien? Die SVP-Fraktion setzt sich derzeit aus 73 Mitgliedern zusammen. Legt die Partei in den Wahlen von 2027 zu, sind es danach vielleicht mehr als 80. Für einen Bundesratssitz sind jedoch mehr als 120 Stimmen der Vereinigten Bundesversammlung erforderlich. Da fehlt noch ein schönes Stück.
Parteistratege Christoph Blocher macht sich darüber wohl bereits Gedanken, wenn er nun erklärt, dass ein dritter SVP-Sitz «natürlich» ein Thema werde bei einem Wähleranteil von 30 plus. Fraktionschef Thomas Aeschi mag darüber nicht sprechen. Gleichwohl treibt ihn die Nachfolge von Ignazio Cassis um.
Aeschi sagt: «Wenn die FDP nach den Wahlen von 2027 Bundesrat Ignazio Cassis mit einem Politiker aus der Westschweiz ersetzt, könnte die Landesregierung nach links rücken. Das ist meine grosse Sorge. Bundesrat Cassis liegt im Europa-Dossier nicht auf der Linie der SVP, aber in vielen wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen hat er dazu beigetragen, dass der Bundesrat im bürgerlichen Sinn entschied.»
Die SVP gewinnt die Wahlen – aber die Landesregierung rückt nach links. Wie kann die Volkspartei das verhindern? Mit einem dritten Bundesrat aus den eigenen Reihen. (aargauerzeitung.ch)