SVP könnte erstmals die 30-Prozent-Marke knacken – in der «Arena» zeigt sich, weshalb
Es ist Halbzeit. Bereits in zwei Jahren wird in der Schweiz wieder die Bundesversammlung gewählt. Die grossen Gewinner dabei könnten die Polparteien sein.
Das zeigt das neuste Wahlbarometer des Forschungsinstituts Sotomo. Ein besonders historisches Resultat winkt der SVP: 30,4 Prozent stark soll die Partei 2027 sein, was ein neuer Rekordwert wäre. Auch die SP dürfte leicht zulegen, während die Parteien in der Mitte verlieren.
Doch bis zur Wahl ist noch lange nicht entschieden, wie sich die Kräfteverhältnisse verschieben. In der «Arena» von SRF zeigten folgende Politikerinnen und Politiker, wie sie die kommenden zwei Jahre für sich gewinnen wollen:
- Thomas Aeschi, Fraktionspräsident SVP
- Samira Marti, Co-Fraktionspräsidentin SP
- Damien Cottier, Fraktionspräsident FDP
- Yvonne Bürgin, Fraktionspräsidentin Die Mitte
Ausserdem im Studio:
- Greta Gysin, Vize-Fraktionspräsidentin Grüne
- Beat Flach, Vize-Fraktionspräsident GLP
Rennen um den Bundesratssitz
Bevor in der «Arena» über Inhalte diskutiert wurde, träumten die Parteien von der Folge des Wahlresultats: der künftigen Zusammensetzung des Bundesrates.
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi forderte, dass die Mitte bei einem allfälligen Rücktritt von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis einen zweiten Sitz erhalte. Wohl auch mit dem Kalkül, dass nicht plötzlich den Grünen ein Sitz zugesprochen wird und damit die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat kippt. «Wir stehen zur Zauberformel», betonte Aeschi.
Für die Grünen hat die Zauberformel jedoch «ihren Glanz verloren». Vize-Fraktionspräsidentin Greta Gysin sprach lieber vom «arithmetischen Anspruch der Grünen», der seit 2019 bestehe und für den es bei einem möglichen zweistelligen Wähleranteil 2027 «keine Ausrede» mehr gebe.
Die GLP sieht aber wie Aeschi eher die Mitte im Vorteil. Vize-Fraktionspräsident Beat Flach erklärte, man müsse nach den nächsten Wahlen «ernsthaft prüfen, ob die Mitte nicht zulasten der FDP einen zusätzlichen Sitz verdient».
FDP-Fraktionschef Damien Cottier hatte für diese Wünsche wenig übrig: «Ich merke, dass alle einen Bundesratssitz wollen.» Abgerechnet werde aber erst, wenn das Wahlresultat feststehe. Und ausgerechnet die Mitte, um die es im Kern ging, wollte sich gar nicht auf das Spiel einlassen. Yvonne Bürgin sagte nur: «Die Frage diskutieren wir, wenn es so weit ist.»
Zuerst müssen die Wahlen mit Inhalten gewonnen werden.
So wollen die Parteien gewinnen
SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi machte sofort klar, worauf die Volkspartei bei den Wahlen 2027 setzt: «Wir wollen die Zuwanderung auf ein massvolles Niveau zurückführen, den Asylmissbrauch stoppen und keinen Unterwerfungsvertrag mit der EU akzeptieren.»
Besonders freue er sich, dass die Schweiz noch vor den Wahlen über drei Dossiers abstimmen dürfte, die seiner Partei in die Karten spielen: die «Keine 10-Millionen-Schweiz»-Initiative, die Neutralitätsinitiative und wohl auch die Abstimmung über das Paket mit der EU.
Wenn Aeschi mit Initiativen argumentiert, kontert SP-Co-Fraktionschefin Samira Marti mit gewonnenen Volksabstimmungen. «Dank direkter Demokratie konnten wir die soziale Schweiz voranbringen, die Stimmbevölkerung hat uns oft recht gegeben», sagte sie. Beispiele seien die Annahme der 13. AHV-Rente oder das Nein zum Autobahnausbau. Für den Wahlkampf setze ihre Partei auf das drängendste Problem im Land: «Die Leute wollen Lösungen gegen steigende Krankenkassenprämien.»
Die Mitte wiederum versuchte sich als «Pol zwischen den Polen». «Polparteien machen mir Angst. Wir sind diejenigen, die tragfähige Lösungen suchen. Aber wir müssen noch lauter werden, damit man unsere Positionen hört», erklärte Yvonne Bürgin. FDP-Mann Cottier kritisierte ebenfalls die Polarisierung, aber auch die Mitte, die er als «unberechenbar» bezeichnete. «Sie sagen, Sie haben klare Positionen, aber ich habe noch keine davon gesehen.»
Dauerbrenner Krankenkassen
Nebst dem Triumph für die SVP zeigte das Wahlbarometer auch klar, welche Sorgen die Bevölkerung am meisten beschäftigen: 40 Prozent nannten die Krankenkassenprämien, gefolgt von Zuwanderung, der Beziehung zur EU, dem Klimawandel (je 27 Prozent) und der Asylpolitik (26 Prozent).
Um die Krankenkassen drehte sich auch ein grosser Teil der «Arena»-Debatte. SP und Grüne warben für einen Systemwechsel: eine Einheitskasse, weniger Verwaltung, weniger Marketing. «Lieber einen Franken mehr in die Pflege als einen Franken in die Krankenkassenwerbung», sagte Samira Marti über den Wettbewerb zwischen den Grundversicherern.
SVP-Nationalrat Thomas Aeschi sieht darin keine Lösung und warnte vor einem neuen Budgetloch: «Eine Einheitskasse funktioniert nicht, das sieht man in Grossbritannien mit dem National Health Service. Wir müssen die Ausgabenseite angehen.» Ein Beispiel dafür, dass die «Kosten explodieren», sei etwa, dass Psychologen über die Grundversicherung abrechnen dürften.
Bei anderen Kosten ansetzen möchte die Mitte. Yvonne Bürgin forderte, das Spitalwesen neu zu organisieren. «Wir haben zu viele Spitäler und die Kantone trauen sich nicht, sie zu schliessen. Hier müsste der Bund eingreifen.»
Angst vor der Zuwanderung
Viel zu reden gab in der «Arena» vor allem das Thema Zuwanderung. Aeschi nutzte die Sendung mehrmals, um für die «Keine 10-Millionen-Schweiz»-Initiative der SVP zu werben. Und er wehrte sich gegen den Abschottungsvorwurf, den ihm alle anderen Parteien machten. «Mit unserer Initiative ist noch eine Zuwanderung von 40’000 Menschen pro Jahr möglich. Erst wenn die 10-Millionen-Grenze überschritten wird, müsste man die Personenfreizügigkeit kündigen.»
Für Samira Marti ist die SVP-Initiative nur Fassade: «Sie bringen im Kern immer denselben Text, diesmal nur anders formuliert. Und Sie wissen genau, dass die 10-Millionen-Grenze vor 2050 erreicht wird.» Dahinter stehe das Ziel, die Schweiz von Europa abzuschotten und die Personenfreizügigkeit zu kündigen.
Marti warnte vor den Folgen – besonders angesichts der kommenden Pensionierungswelle der Babyboomer. «Selbst wenn wir alle inländischen Reserven ausschöpfen, wird es nicht reichen. Ohne Zuwanderung fehlen uns die Menschen, die pflegen, bauen oder ernten.»
Mitte-Fraktionschefin Yvonne Bürgin betonte, dass die Sorgen in der Bevölkerung real seien: «Die Leute haben Angst – vor Wohnungsnot, vor überfüllten Zügen. Das müssen wir ernst nehmen.»
Ihre Partei wolle aber nicht mit einem starren Deckel hantieren, der auf eine Kündigung der Personenfreizügigkeit abziele. Auf den Gegenvorschlag der Mitte sei jedoch keine andere Partei eingegangen. Sie wollte den Bundesrat dazu bringen, bereits bei 9,5 Millionen Einwohnern andere konkrete Massnahmen ergreifen zu müssen.
Doch selbst für die FDP ist dieser Gegenvorschlag ein Holzweg. Damien Cottier erklärte: «Eine fixe Zahl in der Verfassung löst das Problem nicht.» Die Liberalen setzen stattdessen auf das «inländische Potenzial». Etwa die bessere Erwerbsbeteiligung von Frauen durch die Individualbesteuerung. «Wir Frauen können nicht alles lösen», hielt Bürgin dagegen.
FDP-Politiker Cottier warnte schliesslich vor der SVP-Initiative: «Danach müssten wir die Personenfreizügigkeit kündigen und Schengen/Dublin aufgeben. Dann könnten Asylsuchende gleichzeitig in der EU und in der Schweiz Gesuche stellen.»