«Das ist Pro Patria.» Nicht ganz: Pro Schweiz. Der Freiburger SVP-Nationalrat Pierre-André Page ist mit der am Samstag in Bern gegründeten Souveränitätslobby noch nicht ganz vertraut. Er ist jedoch einer der dreizehn Persönlichkeiten, die den Vorstand bilden. Der einzige Romand. «Es war der Präsident der SVP-Fraktion im Bundesparlament, Thomas Aeschi, der mich gebeten hat, der Lobby beizutreten», berichtet er. Pierre-André Page, der an diesem Tag «im Ausland» war, konnte nicht an der Taufzeremonie teilnehmen.
Pro Schweiz, 25'000 Mitglieder, ist aus dem Zusammenschluss dreier Organisationen hervorgegangen, die gegen jegliche Annäherung der Schweiz an die Europäische Union waren:
Auch dieses Mal sitzt Ex-Bundesrat Blocher, wenn nicht am Steuer, so doch an den Schalthebeln der Macht. Am Samstag in Bern stand der 82-jährige Vater des Alleingangs neben demjenigen, der Pro Schweiz präsidiert, dem 16 Jahre jüngeren Zuger Stephan Rietiker. Dieser ist SVP-Mitglied, hatte bisher zwei Auftritte in der SRF-Sendung «Arena», war bislang aber eher passiv. Der Mann ist Arzt, wohlhabend, hat genug Zeit und eine sehr EU-skeptische Haltung.
Stephan Rietiker ist eine Kuriosität: Er ist Doppelbürger. Schweizer und US-Amerikaner. Seine Kindheit verbrachte er in Kanada und Maine, wie die Neue Zürcher Zeitung berichtet. Zurück in der Schweiz, wo die Familie ihre Wurzeln zwischen Zug und Zürich hat, sprach er kein Wort Schweizerdeutsch. Er wurde Oberst in der Armee und Unternehmer im Gesundheitssektor, mit einem Bein in den USA, mit dem anderen im Zuger Eldorado.
Er hat zweimal für Trump und einmal mit «Nein» zum Covid-Gesetz gestimmt. Er erklärt watson: «2016 habe ich Trump gewählt, weil Clinton wirklich zu links war. 2020 habe ich gezögert, aber Biden erschien mir in jeder Hinsicht schwach, also habe ich wieder für Trump gestimmt, ein bisschen aus Versehen.» Stephan Rietiker will glauben, dass:
Das Covid-Gesetz des Bundesrates erschien ihm «ungerecht» und «bewusst ignorant gegenüber anderen Behandlungsmöglichkeiten», wie er am Samstag in seiner Rede zur Aufnahme von Pro Suisse in die eidgenössische Landschaft bekräftigte. Stephan Rietiker hat sich zwar impfen lassen, aber nur mit einer Dosis. Diese habe ihm eine «Thrombose» beschert, sagt er.
In Frankreich würden seine Äusserungen, die von Misstrauen gegenüber der NATO und Brüssel geprägt sind, zu einer Le Pen passen, in Italien zu einem Salvini. Am Samstag griff er die Aussenpolitik des Bundesrates, seine Entscheidungen in den Bereichen Gesundheit, Energie und Migration sowie die Wokes und den Progressivismus im Allgemeinen an und beklagte die Auswirkungen der Cancel Culture. Die Grünen sind eindeutig sein ideologisches Ziel.
Stephan Rietiker und das Komitee der «13» verzeihen dem Bundesrat nicht, dass er die Neutralität «geschwächt» hat, indem er die gegen Russland verhängten EU-Sanktionen übernahm. Pro Schweiz, zu der der SVP-Historiker Hans Schlüer, der Zürcher Ideologe Christoph Mörgeli und der Vordenker der Anti-Burka-Initiative Walter Wobmann gehören, plädiert für eine strikte «bewaffnete Neutralität», die sich von der NATO fernhält, und für eine Schweiz, die der EU den Rücken kehrt und sich stattdessen Asien, den USA und dem Vereinigten Königreich zuwendet.
Was wird Pro Schweiz tun? Als Erstes wird sie sich aktiv an der Lancierung der Initiative für «eine dauerhafte, bewaffnete und integrale Neutralität beteiligen», die Christoph Blocher im nächsten Monat lancieren will. Vielleicht wird sich die Vereinigung auch an den eidgenössischen Wahlen 2023 beteiligen, vielleicht aber auch nicht. Das ist noch nicht entschieden. Aber seine Absicht ist es, «Brücken zwischen der SVP, der rechten Seite der FDP und der rechten Seite des Zentrums» zu bauen.
Pierre-André Page, der Romand im Komitee der 13, der es vorgezogen hätte, dass die Schweiz über ein eigenes Sanktionspaket gegen Russland abstimmt, anstatt die Sanktionen der EU zu übernehmen, und der, nebenbei bemerkt, 2021 für das Covid-Gesetz gestimmt hat, hat Stephan Rietiker noch immer nicht getroffen. «Wir haben uns bisher per E-Mail ausgetauscht, ich auf Französisch, er auf Deutsch, offensichtlich verstehen wir uns», gesteht Pierre-André Page. Der mit einer Prise Humor in der Stimme hinzufügt:
Das nächste Treffen der Euroskeptiker findet am 2. Dezember im Albisgüetli in Zürich statt. «Zum Jubiläum des Neins zum EWR», freut sich Stephan Rietiker. Das war vor 30 Jahren.