Es war ein beachtlicher Erfolg für die Schweizerische Volkspartei, vielleicht der grösste der laufenden Legislatur. Im Juni vor einem Jahr hatte sie es geschafft, das CO2-Gesetz als «zusätzliche Verbote, Steuern und Abgaben» zu Gunsten des Klimas zu brandmarken und an der Urne zu bodigen. Der Abstimmungssieg der SVP stellte die Politik vor ein Dilemma: Wie soll die Schweiz die Klimaziele erreichen und die Energiestrategie umsetzen?
In der vergangenen Session lieferte das Parlament Antworten dazu: Ausbau der Energieinfrastruktur statt Verbote, Zuschüsse für Gebäudesanierungen statt einen CO2-Obolus. So steht es im indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative, der trotz tiefschürfender Diskussionen um den Naturschutz eine breite Mehrheit fand.
Doch erneut schäumt die SVP. An den Schlussabstimmungen am letzten Sessionstag kehrte die Fraktion dem Parlament demonstrativ den Rücken zu. Folgerichtig kündigte die Partei diese Woche das Referendum an gegen das «Stromfresser-Gesetz», wie sie es nennt.
SVP-Präsident Marco Chiesa bemühte sich redlich, den Protest als breiten Widerstand anzukünden. Zwar habe sich die FDP nicht zum Einsitz ins Referendumskomitee durchringen können, aber es gebe vonseiten des Freisinns «positive Signale». Ausserdem hätten mit Hans Egloff, Präsident des Hauseigentümerverbands (HEV), und Gewerbeverbandspräsident Hans-Ulrich Bigler «Persönlichkeiten in Schlüsselpositionen» Einsitz im Referendumskomitee.
Ziehen der Gewerbeverband und die vereinten Hauseigentümer nun an der Seite der SVP in die nächste Klima-Schlacht? Mitnichten, zumindest vorerst. Der HEV-Vorstand hat an dessen jüngster Sitzung entschieden: An einer Unterschriftensammlung beteiligt sich der Verband nicht, wie Direktor und Baselbieter SVP-Landrat Markus Meier bestätigt.
Es sei den regionalen Untersektionen unbenommen, anders zu entscheiden. «Meine wird es nicht tun und ich habe auch noch von keiner anderen gehört, die bereits einen solchen Beschluss gefasst hätte», sagt er. Selber habe er das Referendum noch nicht unterschrieben, «werde dies aber noch genau prüfen», gibt er zu Protokoll. Dies, obwohl sich der HEV bisher klar gegen Initiative und Gegenvorschlag positioniert hatte.
Gar mit offenem Widerstand muss die SVP aus der Romandie rechnen. Das Westschweizer Pendant zum HEV, die Fédération Romande Immobilière, unterstützte den indirekten Gegenvorschlag im parlamentarischen Prozess. «Falls es zur Abstimmung kommt, werden wir höchstwahrscheinlich ein Ja zum Klimaschutzgesetz vertreten», sagt Olivier Feller, Geschäftsführer der Fédération und FDP-Nationalrat. «Es enthält keine Zwänge und Gebühren, sondern setzt auf finanzielle Anreize. Das ist die beste Lösung.»
Kann die SVP denn wenigstens auf den Schweizerischen Gewerbeverband zählen? Auch das ist noch offen: Entscheiden wird die 100-köpfige Gewerbekammer, das Parlament des Verbands, falls das Referendum zu Stande kommt. Dass Direktor Bigler sich bereits im Referendumskomitee engagiert, sorgt hinter den Kulissen eher für Kritik.
Zwei, die sich öffentlich äussern, sind die Mitte-Nationalräte Leo Müller und Alois Gmür, die beide in der Gewerbekammer sind. Müller sagt: «Als Mitglied der Gewerbekammer würde ich mir wünschen, dass ein hoher Verbandsfunktionär zuerst abwartet, wie sich der Verband positioniert, bevor er in einem Referendumskomitee Einsitz nimmt.» Gmür doppelt nach: «Ich hätte erwartet, dass Herr Bigler den Entscheid der Gewerbekammer abwartet.»
Verbandspräsident Fabio Regazzi, auch er ein Mitte-Nationalrat, sieht hingegen kein Problem in Biglers Engagement. Der Vorstand des Gewerbeverbands habe 2020 beschlossen, den Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative abzulehnen. «Das ist im Moment unsere Position, bis die Gewerbekammer entscheidet», sagt er, «und diese Position vertritt Herr Bigler.» Es ist laut Beobachtern durchaus denkbar, dass die Gewerbekammer zumindest Stimmfreigabe beschliessen wird. Bigler selbst reagierte nicht auf eine Anfrage.
Bleibt noch die FDP. Eine Umfrage dieser Zeitung zeigt: Die Unterstützer des SVP-Referendums innerhalb der Fraktion lassen sich an einer Hand abzählen. Der Einzige, der sich offen positioniert, ist der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen: Ja, er unterstütze das Anliegen, schreibt er. Und erntet prompt Kritik aus der eigenen Fraktion: «Herr Wasserfallen bleibt sich treu, indem er das Referendum unterschreibt. Gut finde ich es nicht; irgendwo muss man auch mal einen Kompromiss mittragen», sagt die Aargauer Nationalrätin und HEV-Vorstandsmitglied Maja Riniker.
Kein Wunder, sagen andere nur hinter vorgehaltener Hand, dass sie die Unterschriftenbögen unterzeichnen werden. Zu nah an die SVP wollen sie nicht rücken - schliesslich sind in einem Jahr schon wieder Wahlen. (bzbasel.ch)