Das obere Maggiatal versucht die Folgen der Naturkatastrophe vom vergangenen Wochenende mit mehreren Toten und immenser Zerstörung zu bewältigen.
Im betroffenen Gebiet gibt es massive Schäden an der Infrastruktur, der Strom fiel weitflächig aus und die Telefonleitungen waren unterbrochen.
Die Region ist mit ihren malerischen Dörfern und der wilden Natur ein beliebtes Reiseziel. Nun sitzt der Schock tief bei den Anwohnern, doch gilt es möglichst schnell ins alltägliche Leben zurückzufinden und wichtige Einkommensquellen zu sichern. watson hat darum auch beim Tourismusdirektor nachgefragt.
Noch immer ist das gesamte Krisengebiet für Zivilpersonen nicht per Auto erreichbar, weil die Visletto-Brücke bei Cevio zerstört wurde (dazu unten mehr).
Im mehrheitlich nicht elektrifizierten Bavonatal, einem besonders felsigen und schroffen Seitental des Valle Maggia (Maggiatal), in dem während der Sommermonate viele Leute in traditionellen Steinhäusern (Rustici) leben, sind die Schäden an Menschen, Häusern und Infrastruktur besonders verheerend. Mindestens drei Personen kamen bei einem Erdrutsch ums Leben.
Aufenthalter in dem von einem massiven Erdrutsch direkt betroffenen Weiler Fontana und dem unterhalb gelegenen Mondada wurden bereits am Sonntag auf dem Luftweg evakuiert. Mehrere Personen wurden an einem Rettungsseil hängend ausgeflogen, weil die Helikopter in den Geröllfeldern nicht landen konnten.
Gegenüber watson teilte die zuständige Gemeindeverwaltung in Cevio am Dienstag mit, das Bavonatal sei nicht zugänglich und vorerst geschlossen.
Aber auch das Val Lavizzara wurde schwer getroffen. Helikopter brachten ab Montag Trinkwasser in jene Dörfer im oberen Maggiatal, die seit dem heftigen Unwetter und den massiven Erdrutschen vom Wochenende komplett von der Aussenwelt abgeschnitten waren.
Laut Informationen der Tessiner Kantonspolizei vom Montagvormittag waren die Ortschaften Menzonio, Brontallo, Prato Sornico, Peccia, Piano di Peccia und Veglia ohne Wasserversorgung und Elektrizität.
In Mogno und Fusio noch weiter oben an der Maggia gelegen gab es ebenfalls weder Trinkwasser noch Strom, jedoch immerhin Brauchwasser, so die Polizei.
Weiter unten, in Cevio, dem Hauptort des Kreises Rovana und des Bezirks Vallemaggia, mit den dazugehörigen Ortschaften Bignasco und Cavergno, war die Elektrizitäts- und Wasserversorgung bereits am Montag wieder gewährleistet – das Wasser aus dem Hahn durfte man aber nicht trinken. Am Abend folgte dann die positive Nachricht für die Bevölkerung vor Ort: Gegen 18 Uhr konnte die Stromversorgung in praktisch allen vom Unwetter betroffenen Gebieten des Vallemaggia wiederhergestellt werden, wie der zuständige Energieversorger Società Elettrica Sopracenerina mitteilte.
Bislang sind fünf Todesopfer bekannt.
Einsatzkräfte der Schweizerischen Rettungsflugwacht (Rega) entdeckten am Sonntagmorgen in Fontana die Leichen von drei Touristinnen – ausserhalb ihres Ferien-Rusticos, das von Geröllmassen verschüttet worden war, wie der Einsatzleiter der Kantonspolizei mitteilte. Es handelt sich um zwei 73- und eine 76-jährige Deutsche aus dem Bundesland Baden-Württemberg.
Korrektur: In einer früheren Artikel-Version war fälschlicherweise von Deutschschweizerinnen die Rede.
Im Val Lavizzara, das oberhalb des eigentlichen Valle Maggia liegt und bei Cavergno (Cevio) endet, galt bis am Montagabend eine Person als vermisst.
Dann teilte die Tessiner Kantonspolizei mit, dass vier weitere Meldungen über vermisste Personen eingegangen seien: zwei Männer und zwei Frauen, und zwar in den besonders stark getroffenen Gebieten Prato Sornico (Val Lavizzara) und Fontana (Bavona).
Update: Von einem Helikopter aus wurde am Dienstagabend eine tote Person in Riveo im Flussbett der Maggia gesichtet und per Helikopter geborgen. Am Mittwochmorgen wurde ebenfalls im Flussbett bei Riveo die Leiche einer weiteren Person gefunden.
Gemäss den Verantwortlichen können weitere Opfer nicht ausgeschlossen werden.
Die massiven Regenfälle führten in der Nacht auf Sonntag (30. Juni) in Stunden zu einer katastrophalen Lage, die viele Menschen im Bett überraschte. Mit ein Grund: Die Fachleute können zwar die Wetter-Entwicklung ziemlich präzise vorhersagen und die Gefahrenstufe entsprechend heraufsetzen, aber die grösste Bedrohung durch Schlammlawinen (Murgänge) ist unberechenbar.
Der lässt sich noch nicht beziffern.
Der Gemeindepräsident von Lavizzara mit den stark getroffenen Ortschaften Prato Sornico und Peccia sagte am Montag, der Wiederaufbau werde Jahre dauern.
Dem oberen Maggiatal drohen zusätzlich zum Leid und den immensen Infrastruktur-Schäden auch massive Einbussen im Tourismusgeschäft. Dies zeigt ein Blick ins Misox, der italienischsprachige Teil Graubündens, der in der Vorwoche von Unwettern getroffen wurde. Dort gab es laut SRF zahlreiche Annullationen von bereits gebuchten Aufenthalten. Genau dies möchten die Tourismus-Verantwortlichen im Maggiatal abwenden.
Um die Rettungsarbeiten nicht zu erschweren, hatte der Tessiner Notfallstab die Bevölkerung aufgerufen, den betroffenen Gebieten vorerst fernzubleiben.
Fabio Bonetti, Generaldirektor der Tourismus-Organisation Lago Maggiore e Valli, präzisiert nun:
Wie der Notfallstab am Montagabend informierte, soll der «Fahrplan» für die provisorische Visletto-Brücke bis am kommenden Donnerstag stehen. Es handelt sich um einen unverzichtbaren Knotenpunkt, der das untere mit dem oberen Maggiatal verbindet und auch der einzige Zufahrtsweg für zahlreiche Seitentäler ist.
Der Tourismusdirektor erklärt gegenüber watson:
Und weiter betont er:
Mit Ausnahme des oberen Maggiatals seien die meisten Wanderwege aber begehbar, sagt Bonetti.
Die Region unteres Maggiatal sei insgesamt gut nutzbar, und alle geplanten touristischen Aktivitäten und Veranstaltungen würden im Kalender auf der Tourismus-Website ascona-locarno.com aufgeführt.
Wer das Tessin zu Fuss erkunden möchte, nutze am besten die Gratis-App SchweizMobil – damit liessen sich auch die Wanderwege vorab beurteilen.
Das ist bis auf Weiteres unmöglich. Die einzige Strasse, die durch das zwölf Kilometer lange Bavonatal nach San Carlo führt, ist gesperrt. Bei den Weilern Mondada und Fontana wurde ein Hunderte Meter breiter Streifen mitsamt der einzigen Strasse verschüttet.
Der Zeitplan für die Beseitigung der verschiedenen Erdrutsche, die das Val Bavona und Val Lavizzara schwer getroffen haben, ist nicht bekannt.
Tourismusdirektor Bonetti:
Tatsächlich dürften die Seitentäler des Maggiatals einige Zeit brauchen, um sich vom Schock zu erholen. Gerade dort sei der Tourismus für die örtliche Wirtschaft aber von entscheidender Bedeutung, so Bonetti.
Das ist nicht bekannt.
Die Behörden führen eine improvisierte «Volkszählung» durch, um herauszufinden, wie viele Menschen sich in den teils sehr abgelegenen Orten aufhalten und ob nach weiteren Vermissten gesucht werden muss.
Wie Antonio Ciocco, Einsatzleiter der Kantonspolizei Tessin, erklärte, kein einfaches Unterfangen:
Im eigens wegen der Naturkatastrophe eingerichteten Callcenter gingen viele Anrufe von besorgten Angehörigen ein, darunter viele aus der Deutschschweiz.
Am Sonntag wurden die Leute, die aus den Seitentälern per Helikopter evakuiert und nach Cevio ausgeflogen worden waren, direkt vor Ort befragt. So versuchte die Polizei die Zahl der Aufenthalter zu bestimmen.
Am Montag wurde auch mit der Evakuierung von einem Dutzend Menschen fortgefahren, die sich in abgelegenen Hütten und Notunterkünften aufhalten.
Insgesamt waren von den Behörden zwischen Sonntag und Montag rund tausend Personen mobilisiert worden, um die unmittelbaren Folgen der Katastrophe zu bewältigen. Bei der Zahl handle es sich lediglich um einen Richtwert, der auch Doppelschichten einschliesse.
Es hätten sich diverse Freiwillige aus der Region zur Verfügung gestellt, heisst es. Darunter seien zahlreiche Menschen, die «hinter den Kulissen» helfen sowie Nachbarn und älteren Menschen beistehen.
Der Tessiner Regierungspräsident Christian Vitta versprach am Montag bei seinem Besuch im oberen Maggiatal im Beisein der Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd, man werde «die Basisversorgung der Region» möglichst rasch wieder sicherstellen.
Zudem lobte Vitta die gute Zusammenarbeit von Armee und Kanton. Dies deckt sich mit Recherchen von watson: Mehrere Betroffene, die von einem Helikopter am Seil hängend aus dem Val Bavona evakuiert worden waren, lobten die professionelle Vorgehensweise der Retter sowie die fürsorgliche Betreuung und Verpflegung, die auf dem Areal der Feuerwehr in Cevio stattfand.
Die Armee stellte drei Super-Puma-Helikopter für Evakuierungen aus abgeschnittenen Gebieten. Daneben waren gemäss NZZ auch vier Rega-Helikopter im Einsatz.
Die Mobilfunknetze waren am Sonntag im oberen Maggiatal zusammengebrochen, wie Betroffene gegenüber watson erklärten. Phasenweise sei das Versenden von Nachrichten noch möglich gewesen, dann ging nichts mehr. Swisscom-Techniker arbeiteten am Montag daran, die mobile Kommunikation im oberen Maggiatal mit 17 Mobilfunkantennen wiederherzustellen. Am Abend dann die positive Nachricht: Die Mobilfunkantennen seien wieder in Betrieb, sagte ein Swissscom-Sprecher.
Komplizierter gestaltete sich die Situation beim Festnetz, wie das RSI berichtete. An einigen Standorten seien die Dienste noch nicht verfügbar. Helfen sollte ein provisorisches Kabel, das über den Fussgängerweg neben der zerstörten Visletto-Brücke gezogen wurde.
Nach der Wiederherstellung der Glasfaserkabel, die zu den Kraftwerken in Cevio und Peccia führen, sollte ein guter Teil der Telefon- und Internetverbindungen wieder funktionieren, gab man sich optimistisch.
Die Glückskette hat einen Spendenaufruf für die von den jüngsten Unwettern betroffenen Menschen in den Kantonen Graubünden, Wallis und Tessin gestartet. Dabei konzentriere man sich auf die Unterstützung von Privatpersonen in den am stärksten betroffenen Gebieten.
Die Glückskette könne einen ersten Betrag für Soforthilfe zur Verfügung stellen, teilte die Spendensammelorganisation am Montag mit. Diese Hilfe überbrücke die schwierigsten Engpässe betroffener Familien.
In einem zweiten Schritt würden nach den Abrechnungen der Versicherungen allfällige Restkosten für beschädigte Häuser oder anderer Sachschäden ausbezahlt. Die Glückskette trete zur Koordination der Hilfe in den Austausch mit verschiedenen Gemeinden.
Wie wir helfen können? Die Wissenschaft mal ernst nehmen. Präventiv in Klimaadaption investieren und nicht Jahr für Jahr über Naturkatastrophen klagen – ein solches Leid muss verhindert werden!
Bedanken können sich die Bergbewohner bei der SVP – die wollte und will am falschen Ort sparen. Zahlen müssen es ja dann andere.
Es gäbe noch eine Alternative: Blocher und seine Milliardärskollegen zur Kasse bitten wegen den Klimaschäden.