Warum Schweizer Honig dieses Jahr zur Mangelware werden könnte
Die Sonnenstrahlen werden stärker, es ist länger hell und die Temperaturen steigen. Die Natur lebt auf, auch die Menschen wirken glücklicher. Die ersten Blumen blühen, Bäume und Sträucher werden wieder grün und die Tiere kriechen wieder aus ihren Löchern hervor – es ist Frühling.
Zu dieser Jahreszeit herrscht reger Betrieb. Auch bei den Bienenstöcken. Die blühenden Pflanzen bieten den Bienen ein All-inclusive-Buffet. Dieses Buffet hilft ihnen eigentlich, sich schnell zu vermehren und viel Honig zu produzieren.
Eigentlich wäre das der Normalfall. Zurzeit bleiben die Honigbienen aber lieber zu Hause. Die Temperaturen sind noch zu frisch und Regen mögen die Bienen auch nicht. Sie fliegen dann nicht aus, und wenn man sich vorstellt, dass ein Regentropfen die 0,1 Gramm schweren Tiere zu Boden schleudern kann, weiss man auch warum.
Wenn das Wetter also so bleibt wie bisher, wird es dieses Jahr wohl keinen Honig geben. Oder einfach sehr wenig davon. Wie im Jahr 2021. Wegen der Temperaturen und des Niederschlags produzierte die Schweiz damals 65 Prozent weniger Honig als im langjährigen Durchschnitt.
Tiefe Temperaturen
So müssen zum Beispiel die Aargauer Imkerinnen und Imker zurzeit ihre Bienenvölker füttern, anstatt den Futterüberschuss für die Honigproduktion zu verwenden, sagt Andreas König, der Präsident des Verbandes Aargauischer Bienenzüchtervereine, gegenüber der Aargauer Zeitung (AZ).
In gerade einmal drei Wochen werde der Blütenhonig für das ganze Jahr produziert. Eigentlich müssten dafür jetzt die Waben geschleudert werden.
Doch solange die Bienen nicht ausfliegen, gibt es auch keinen Nahrungsüberschuss, den die Imkerinnen und Imker entnehmen können. «Es besteht noch ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass einige Pflanzen aufgrund der Temperaturen ebenfalls später blühen», sagt König.
Andere Gefahren
Aber nicht nur das frische Wetter ist eine Herausforderung für die Honigbiene und die Imkerinnen und Imker. Es ist generell schwieriger geworden, Nahrung zu finden: Überbauungen, Monokulturen und «grüne Wüsten» ohne Blüten. Zudem setzten Viren, Gifte, Parasiten und Fressfeinde den kleinen Tieren zu, erklärt König.
Dazu kommt auch die Gefahr, die der Mensch verursacht, zum Beispiel durch Pflanzenschutzmittel und Pestizide. Laut dem Bundesamt für Statistik werden in der Schweiz durchschnittlich 10 Bienenvergiftungen im Jahr gemeldet. Einen direkten Zusammenhang mit dem Pflanzenschutzmittel kann aber nicht in allen Fällen ermittelt werden. Oft müssen auch die Bienenpathologie (Varroa) und fehlerhafte oder mangelnde imkerliche Massnahmen wie Futtermangel als Ursache in Betracht gezogen werden.
Gefahr durch andere Arten
Eine häufige Todesursache der Bienen sind die Varroamilben. Sie leben als Parasiten an den Honigbienen. Die Milbe entwickelt und vermehrt sich in der verdeckelten Brut im Bienenstock. Der Parasit ernährt sich von den Bienenlarven und überträgt schädliche Viren. Doch ein gesundes Bienenvolk könne zusammen mit der richtigen Behandlung durch die Imker oder den Imker diese Bedrohung gut überstehen, sagt König gegenüber der AZ.
Auch Anja Ebner von Apiservice bestätigt gegenüber der AZ, dass aktuell die Varroa und die von ihr übertragenen Viren schweizweit immer noch die grösste Herausforderung für Honigbienen sind.
Blüten von einer Sorte
Um effizient zu sammeln, benötigen die Honigbienen auch Flächen, die viele Blüten von einer Sorte enthalten. Eine artenvielfältige Wiese mit verschiedenen Blüten sind für viele Insekten gut, aber alleinstehend für Bienen nicht ausreichend. Die Honigbiene benötigt für effizientes Sammeln auch Flächen, die viele Blüten einer Sorte enthalten.
Ob die Pflanzen aufgrund der Temperaturen ebenfalls später blühen und somit die Honigernte gerettet werden kann, werden wir wohl abwarten müssen.
(oee)