«Bleiben Rehe wirklich stehen im Scheinwerferlicht eines Autos?», fragte eine Leserin bei CH Media nach.
Wird ein Reh auf der Strasse geblendet, besteht tatsächlich die Gefahr, dass das Wildtier stehen bleibt, bestätigt Mirko Calderara, Wildhüter im Kanton St. Gallen. Das Volllicht zieht die Wildtiere in ihren Bann. Das Scheinwerferlicht erkennen die Rehe nicht als unmittelbare Gefahr. Stattdessen bleiben sie instinktiv stehen und versuchen die Situation einzuschätzen, damit sie richtig reagieren können. Zudem werden die Tiere durch das grelle Licht so stark geblendet, dass sie keinen Fluchtweg ausmachen können. Sie haben dann eine Art Tunnelblick.
Wildhüter Calderara empfiehlt sofort abzubremsen, das Fernlicht auszuschalten und auf Abblendlicht zu wechseln. Jedes Jahr gibt es Tausende Kollisionen mit Wildtieren. Gemäss der Axa führt das nicht nur zu Tierleid, sondern auch zu 50 Millionen Franken Kosten pro Jahr. Betroffen sind fast alle einheimischen Wildtierarten. Am meisten die Rehe, wie das Beispiel des Kantons St. Gallen zeigt.
Seit Beginn des Jagdjahres, das jeweils am 1. April beginnt, gab es 246 Strassenverkehrsunfälle mit Rehen, gefolgt vom Fuchs mit 144 Kollisionen und dem Dachs mit 104. Unfälle mit Hirschen sind selten, lediglich 5 waren es bis anhin und nur drei mit dem Feldhasen. Die Anzahl der Kollisionen ist von der Dichte des entsprechenden Wildtieres abhängig. Mit dem Aufkommen des Bibers gibt es auch mit diesem Nager wieder Unfälle. Im Kanton St. Gallen waren es 18 in diesem Jagdjahr. Keine Unfälle gibt es mit Gämsen und Steinböcken.
Bei den Rehen ist das Problem, dass sie meist nicht alleine die Strasse überqueren. Sie kommen in sogenannten «Sprüngen», oft die Mutter mit den Jungen. Oft hält ein Autofahrer die Sache für ausgestanden, wenn ein Reh die Strasse überquert hat und übersieht dann ein nachfolgendes Tier.
Das Allerwichtigste aber sei, dass der Fahrer oder die Fahrerin nach einer Kollision sofort die Nummer 117 anrufe, sagt der Wildhüter. Wer das verunfallte Tier liegen lässt, macht sich strafbar wegen Fahrerflucht. Leidet das Tier zudem deswegen noch Stunden oder Tage, ist es auch ein Verstoss gegen das Tierschutzgesetz. Leider komme das immer wieder vor, in den vergangenen 14 Tagen zweimal allein in Calderaras Revier.
Man kann in Dämmerstunden erhöhte Achtsamkeit walten lassen. Zudem muss man in diesen Gebieten nicht einfach durchbrettern. Aufmerksamkeit und Verbundenheit mit der Natur geht auch als Automobilist. Ziel ist es zu vermeiden und wissen, dass diese Tiere schon gestresst genug in den kleinräumigen Gebieten sind. Und wenn sie im Winter hunger haben, gehen sie weitere Wege, überqueren mehr Strassen.