Die 51. Etappe ist schon fast geschafft. Das Wetter hielt bisher erstaunlich gut. Als ich Le Mouret erreiche verdunkelt sich der Himmel aber. Sprichwörtlich und im übertragenen Sinn. Nächste Station ist nämlich Villarsel-sur-Marly.
Ich schaue auf Google Maps nach einem Weg. Der direkteste ist ein kurzer Kiesweg. Ich nehme diesen. An dessen Ende mündet er in einen asphaltierten Weg. Ein Bauernhof steht rechts, daneben eine Scheune. Ich checke meine Karte nochmals. Doch, hier muss das Dorfzentrum sein. Drei Kühe liegen auf der Wiese vor mir. Dahinter Weideland und dann folgt ein Waldstück. Kann das sein? Der Bauer hantiert gerade an einer Maschine herum.
Ich: «Ich möchte nach Villarsel-sur-Marly.»
Er: «Willkommen. Du bist hier.»
Ich: «Naja, das schon, aber ich möchte ins Zentrum.»
Er: «Du bist im Zentrum.»
Tatsächlich finde ich später heraus, dass der Bauernhof zum Teil «La Commanderie» gehört, welches wirklich das Zentrum der Gemeinde bildet. 87 Einwohner verteilen sich hier auf verschiedene Bauernhöfe und Hofsiedlungen.
Ich sehe mich um und staune. Er lacht. Als ich ihm erkläre, dass ich in dem Fall das Ortsschild für ein Selfie benötige, lacht er noch lauter. Sein Sohn ist dazugestossen und grölt mit. «Ein Ortsschild? Das haben wir nicht. Wozu auch?» Eine der kleinsten Gemeinden im Kanton Freiburg lebt heute – es ist unschwer zu erkennen – praktisch ausschliesslich von der Landwirtschaft.
Sie schicken mich zur Kantonsstrasse hinunter, wenn, dann habe es dort ein Schild. Erschlossen ist Villarsel-sur-Marly gut. In Freiburg ist man in wenigen Minuten, in Bulle ebenso. Aufgrund dieser Lage hat sich die Einwohnerzahl seit 1980 fast verdoppelt. Aber an der Hauptstrasse sehe ich nur den Wegweiser in die Richtung, aus welcher ich kam und gleich dahinter ein Sackgasse-Schild. Ich schiesse ein Selfie mit der Bushaltestelle-Tafel gegenüber und frage gleich daneben noch einen Einwohner wegen dem Ortsschild. Auch er lacht, überlegt, lacht nochmals: «Ich glaube, das haben wir nicht.»
Im Internet suche ich nach der Gemeindeverwaltung. Statt Öffnungszeiten gibt's eine Handynummer. «Sur rendez-vous» steht. Man solle einer Madame Jenny anrufen oder mailen. Es geht niemand ran. Ich verlasse das «Dorf» leicht enttäuscht. Bei Nummer 844 von 2324 habe ich also kein Ortsschild geknipst. Klar, bei «Marmorera» in Graubünden gab es auch kein «richtiges» Ortsschild, aber hier gibt es jetzt wirklich gar nichts.
Am Abend ruft mich eine unbekannte Nummer an. Madame Jenny meldet sich. «Ein Ortsschild? Nein, davon weiss ich nichts», lacht sie ins Telefon. Sie sei aber nur für die Administration zuständig und wolle es in den nächsten Tagen abklären. Wir plaudern kurz. Warum denn die Gemeinde eigenständig sei und nicht mit einer «richtigen» fusioniere? «Uns gefällt das so. Marly ist nach Fribourg orientiert, mit Le Mouret legen wir uns auch nicht zusammen. Wir wollen momentan nicht fusionieren. Es ist gut so, wie es ist», sagt Madame Jenny. So ganz verstehen kann ich das nicht.