Schweiz
Transplantationsgesetz

SVP-Politiker Grüter weicht in der Organspende-Frage von Parteilinie ab

Nationalrat Franz Grueter, Vizepraesident SVP Schweiz, SVP-LU, spricht am Delegiertenversammlung die Schweizerische Volkspartei der Schweiz (SVP Schweiz), am Samstag, 24. Oktober 2020, in Bern. Mit Bl ...
Die Ärzte prognostizierten der Tochter von Nationalrat Franz Grüter eine Lebenserwartung von wenigen Tagen. Heute ist sie 26-jährig und führt ein «praktisch normales Leben».Bild: keystone

SVP-Grüter weicht von Parteilinie ab – wegen der unglaublichen Geschichte seiner Tochter

SVP-Nationalrat Franz Grüter stemmt sich bei der Organspende-Abstimmung gegen die Mehrheit seiner Partei. Der Hintergrund ist persönlich: Tochter Jasmin leidet seit Geburt an einem Herzfehler – und könnte schon bald auf ein Spenderherz angewiesen sein.
21.04.2022, 07:00
Chiara Stäheli / ch media
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Der 5. Mai 1996 hätte für Franz Grüter und seine Frau ein unvergesslicher Freudentag werden sollen. Es war der Tag, an dem Tochter Jasmin zur Welt kam. Doch die anfängliche Freude wich rasch grossen Sorgen und Unsicherheit. «Die Kleine schrie nicht richtig, irgendetwas war komisch», so Grüter.

Eine Untersuchung kurz nach der Geburt brachte Gewissheit: Jasmin leidet an einem angeborenen Herzfehler, einer sogenannten Linksherzhypoplasie. Die Krankheit zählt zu den schwersten angeborenen Herzfehlern. Die linke Herzhälfte ist praktisch inexistent, dadurch kann der Körper nicht mit genügend Blut versorgt werden.

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Video: watson/Vanessa Hann, Emily Engkent

«Die Ärzte prognostizierten Jasmin eine Lebenserwartung von wenigen Tagen. Der Herzfehler entsprach damals quasi einem Todesurteil», sagt Franz Grüter heute, 26 Jahre später. Dass seine Tochter noch lebt, hat der Luzerner SVP-Nationalrat auch seinem eigenen Einsatz zu verdanken. Die Tatsache, dass seine Tochter ohne Operation nicht überleben würde, beschäftigte ihn ununterbrochen. «Ich musste etwas tun, konnte nicht einfach nur tatenlos zusehen.»

Einen Tag nach der Geburt informierte er sich im Internet über die Diagnose, las Operationsberichte aus den USA. Dort stiess er auf die vom amerikanischen Herzchirurgen William Norwood entwickelte Operationsmethode für Kinder mit demselben Herzfehler, den auch seine Tochter hatte. In ihm keimte Hoffnung auf.

Auf ein Telefon mit einem der bekanntesten Herzchirurgen

Grüter griff zum Hörer, wählte die Nummer des Spitals, in dem Norwood damals tätig war, und fragte nach ihm. «Sie sagten mir, er sei gerade in der Schweiz, um dort anderen Ärzten seine Operationsmethode beizubringen», erzählt Grüter. Das nächste Telefon führte er direkt mit William Norwood.

«Er hat gesagt, wir sollen Jasmin sofort nach Genolier fliegen lassen, er werde sie dort operieren, die Überlebenschancen lägen bei 80 Prozent.»

Grüter und seine Frau zweifelten keine Sekunde. Mit der Rega wurde die damals drei Tage alte Jasmin noch am selben Tag in die Privatklinik am Genfersee geflogen und operiert. Sie war das erste Kind mit dieser Krankheit, die hierzulande operiert wurde.

Nationalrat Franz Grueter, an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz, am Samstag, 9. April 2022, in der Stadthalle in Chur. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Auch an der Delegiertenversammlung seiner Partei Anfang April sprach sich Franz Grüter für die erweiterte Widerspruchslösung aus.Bild: keystone

Obwohl die Operation ohne Komplikationen verlief, folgten in den nächsten drei Jahren fünf weitere Eingriffe. Vier davon in den USA. Seither lebt Jasmin ein «praktisch normales Leben», wie Grüter sagt. Zwar erbringe ihr Herz nicht die volle Leistung und die Sauerstoffsättigung sei tief, doch die Einschränkungen seien minim.

Allerdings kennt kein Arzt die Langzeitprognose. «Wir wissen nicht, wie sich das Herz entwickelt. Falls es ein Problem gibt, kann operativ nichts mehr gemacht werden», so Grüter. Es bliebe dann einzig die Möglichkeit einer Organspende.

Grüter liefert Ansätze für mögliche Umsetzung

An dieser Stelle kommt Grüters politische Tätigkeit ins Spiel. Als Befürworter der erweiterten Widerspruchslösung gehört er in seiner Partei einer klaren Minderheit an. Das hält ihn aber nicht davon ab, sich öffentlich für ein Ja zur Änderung des Transplantationsgesetzes am 15. Mai einzusetzen.

«Die Spenderrate in der Schweiz ist extrem tief, vier von fünf Spenderorganen kommen heute aus dem Ausland, deshalb müssen wir das Gesetz anpassen», sagt Grüter. «Mir ist dieses Gesetz im wahrsten Sinne des Wortes eine Herzensangelegenheit.» Er sei sich bewusst, dass sich die vorgeschlagene Lösung in einem «ethisch-moralischen Grenzbereich» befinde.

Doch: «Aus meiner Sicht ist die erweiterte Widerspruchslösung verantwortbar und die beste Variante. Jeder kann sich äussern, wenn er seine Organe nicht spenden will. Und auch Angehörige können nach wie vor eine Organentnahme verhindern».

Sollte die Vorlage angenommen werden, wünscht sich Grüter eine praktikable Umsetzung: «Damit man alle Personen mit dieser Information erreichen kann, muss sie in einen etablierten, regelmässig stattfindenden Prozess eingegliedert werden.»

Er denke da beispielsweise an die Krankenkassen oder die Steuerbehörden. So oder so brauche es grosse Aufklärungsarbeit. Ziel müsse sein, dass sich jede und jeder zeitlebens mit der Organspende auseinandersetze:

«In einer idealen Welt würde jeder seinen Willen äussern.»

Er selbst, seine Frau und seine drei Kinder haben das mit einem Eintrag im Organspenderegister getan. Viele andere hingegen nicht. Genau deshalb brauche es die erweiterte Widerspruchslösung, so Grüter. «Ich will mir nicht eines Tages vorwerfen lassen, ich hätte mich nicht für das Überleben meiner Tochter und vieler anderer Menschen in diesem Land eingesetzt.» (aargauerzeitung.ch)

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211 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Walter Sahli
21.04.2022 07:29registriert März 2014
Wie immer bei SVPlern. Wenn sie mit der Realität konfrontiert werden, können sie nicht mehr auf Parteilinie bleiben, da diese kaum was mit der Realität zu tun hat.
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Donny Drumpf
21.04.2022 07:16registriert November 2019
Klar, SVP kritische Stimmen werden sagen, dass er es nur aus Eigennutz macht. Das ist auch wahr. Schlussendlich spielt die Motivation aber in dieser Frage nur eine sekundäre Rolle. Wichtig ist das gemeinsame Ziel. Schön, dass sich Herr Grüter dafür engagiert. Seiner Tochter alles gute!
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FreddyKruger
21.04.2022 07:25registriert Juli 2021
…und es zeigt mal wieder, dass Empathielosigkeit eines der verbindenden Merkmale der meisten SVP-Politiker ist. Warum ist man sonst dagegen?
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