Der 5. Mai 1996 hätte für Franz Grüter und seine Frau ein unvergesslicher Freudentag werden sollen. Es war der Tag, an dem Tochter Jasmin zur Welt kam. Doch die anfängliche Freude wich rasch grossen Sorgen und Unsicherheit. «Die Kleine schrie nicht richtig, irgendetwas war komisch», so Grüter.
Eine Untersuchung kurz nach der Geburt brachte Gewissheit: Jasmin leidet an einem angeborenen Herzfehler, einer sogenannten Linksherzhypoplasie. Die Krankheit zählt zu den schwersten angeborenen Herzfehlern. Die linke Herzhälfte ist praktisch inexistent, dadurch kann der Körper nicht mit genügend Blut versorgt werden.
«Die Ärzte prognostizierten Jasmin eine Lebenserwartung von wenigen Tagen. Der Herzfehler entsprach damals quasi einem Todesurteil», sagt Franz Grüter heute, 26 Jahre später. Dass seine Tochter noch lebt, hat der Luzerner SVP-Nationalrat auch seinem eigenen Einsatz zu verdanken. Die Tatsache, dass seine Tochter ohne Operation nicht überleben würde, beschäftigte ihn ununterbrochen. «Ich musste etwas tun, konnte nicht einfach nur tatenlos zusehen.»
Einen Tag nach der Geburt informierte er sich im Internet über die Diagnose, las Operationsberichte aus den USA. Dort stiess er auf die vom amerikanischen Herzchirurgen William Norwood entwickelte Operationsmethode für Kinder mit demselben Herzfehler, den auch seine Tochter hatte. In ihm keimte Hoffnung auf.
Grüter griff zum Hörer, wählte die Nummer des Spitals, in dem Norwood damals tätig war, und fragte nach ihm. «Sie sagten mir, er sei gerade in der Schweiz, um dort anderen Ärzten seine Operationsmethode beizubringen», erzählt Grüter. Das nächste Telefon führte er direkt mit William Norwood.
Grüter und seine Frau zweifelten keine Sekunde. Mit der Rega wurde die damals drei Tage alte Jasmin noch am selben Tag in die Privatklinik am Genfersee geflogen und operiert. Sie war das erste Kind mit dieser Krankheit, die hierzulande operiert wurde.
Obwohl die Operation ohne Komplikationen verlief, folgten in den nächsten drei Jahren fünf weitere Eingriffe. Vier davon in den USA. Seither lebt Jasmin ein «praktisch normales Leben», wie Grüter sagt. Zwar erbringe ihr Herz nicht die volle Leistung und die Sauerstoffsättigung sei tief, doch die Einschränkungen seien minim.
Allerdings kennt kein Arzt die Langzeitprognose. «Wir wissen nicht, wie sich das Herz entwickelt. Falls es ein Problem gibt, kann operativ nichts mehr gemacht werden», so Grüter. Es bliebe dann einzig die Möglichkeit einer Organspende.
An dieser Stelle kommt Grüters politische Tätigkeit ins Spiel. Als Befürworter der erweiterten Widerspruchslösung gehört er in seiner Partei einer klaren Minderheit an. Das hält ihn aber nicht davon ab, sich öffentlich für ein Ja zur Änderung des Transplantationsgesetzes am 15. Mai einzusetzen.
«Die Spenderrate in der Schweiz ist extrem tief, vier von fünf Spenderorganen kommen heute aus dem Ausland, deshalb müssen wir das Gesetz anpassen», sagt Grüter. «Mir ist dieses Gesetz im wahrsten Sinne des Wortes eine Herzensangelegenheit.» Er sei sich bewusst, dass sich die vorgeschlagene Lösung in einem «ethisch-moralischen Grenzbereich» befinde.
Doch: «Aus meiner Sicht ist die erweiterte Widerspruchslösung verantwortbar und die beste Variante. Jeder kann sich äussern, wenn er seine Organe nicht spenden will. Und auch Angehörige können nach wie vor eine Organentnahme verhindern».
Sollte die Vorlage angenommen werden, wünscht sich Grüter eine praktikable Umsetzung: «Damit man alle Personen mit dieser Information erreichen kann, muss sie in einen etablierten, regelmässig stattfindenden Prozess eingegliedert werden.»
Er denke da beispielsweise an die Krankenkassen oder die Steuerbehörden. So oder so brauche es grosse Aufklärungsarbeit. Ziel müsse sein, dass sich jede und jeder zeitlebens mit der Organspende auseinandersetze:
Er selbst, seine Frau und seine drei Kinder haben das mit einem Eintrag im Organspenderegister getan. Viele andere hingegen nicht. Genau deshalb brauche es die erweiterte Widerspruchslösung, so Grüter. «Ich will mir nicht eines Tages vorwerfen lassen, ich hätte mich nicht für das Überleben meiner Tochter und vieler anderer Menschen in diesem Land eingesetzt.» (aargauerzeitung.ch)