First Brands und die UBS: Diese Pleite kommt zur rechten Zeit
Noch liegt Nebel über der Milliardenpleite des Autoersatzteillieferanten First Brands. Doch zwei Wochen nachdem das hoch verschuldete Unternehmen seine Zahlungsunfähigkeit eingestehen musste, dringen beklemmende Informationen an die Öffentlichkeit. Vor wenigen Tagen hat der New Yorker Lieferkettenfinanzierer Raistone auf gerichtlichem Weg eine Untersuchung über den Verbleib von 2,3 Milliarden Dollar verlangt, die in der Vermögensmasse von First Brands «einfach verschwunden» seien.
Raistone ist eine Firma, die klammen Unternehmen kurzfristiges Kapital vermittelt. Sie betreibt ein Geschäft, das man in unseren Breitengraden «Factoring» nennt. Firmen verkaufen ihre Fakturen (Forderungen) an einen spezialisierten Finanzierer und beschaffen sich so kurzfristig Liquidität zur Bezahlung von Löhnen und anderen dringenden Verpflichtungen. Nach der Finanzkrise hat man dieses typische KMU-Geschäft auch in den Finanzkapitalen entdeckt. Man hat es in raffinierter klingende Bezeichnungen wie Supply-Chain-Finance oder Working-Capital-Finance umbenannt und «geleveraged», das heisst auf Grossunternehmen wie First Brands angewandt und «demokratisiert», sprich zu einer «alternativen» Anlagemöglichkeit für breite Investorenkreise gemacht.
Lieferkettenfinanzierer wie Raistone begnügen sich bei «modernem» Factoring mit Vermittlungsprovisionen. Sie überlassen die Renditen (von denen es heisst, dass sie im Fall von First Brands bis zu 30 Prozent betragen hätten) wie auch die Risiken den Publikumsanlegern. Damit das Krümel-Geschäft doch ein Geschäft wird, muss viel Umsatz her. Es heisst, Raistone habe 80 Prozent davon mit First Brands erzielt. Nun gibt es den Verdacht, dass First Brands ihre Kundenforderungen doppelt verpfändet hat. Die vermissten 2,3 Milliarden Dollar wären dann einfach Luft gewesen – oder frei erfundener Umsatz.
Man kann die First-Brands-Pleite als Einzelfall sehen, obschon es mit der seit 2021 insolventen Greensill einen Blueprint gab. Aber die Märkte zweifeln. In der vergangenen Woche sind die Aktien der Jefferies Financial Group an der New Yorker Börse um 19 Prozent abgestürzt. Jefferies ist auf alternative Investments spezialisiert hat. Fonds-Kunden haben rund 550 Millionen Dollar mit Lieferkettenfinanzierungen bei First Brands im Feuer. Jefferies selbst investierte etwa 160 Millionen Dollar. Das ist kein Weltuntergang für einen etablierten Wall-Street-Player. Trotzdem ist dessen Börsenwert innert Tagen um 3 Milliarden auf 10 Milliarden Dollar abgeschmolzen.
Jefferies sieht sich mit einem Rückzug von Kundengeldern konfrontiert. Blackrock, der staatliche Texas Treasury Safekeeping Trust und zuletzt auch Morgan Stanley hätten bereits Rückzahlungen aus dem Point-Bonita-Fonds verlangt, der ein Viertel des Anlagevermögens von rund 3 Milliarden Dollar in First-Brands-Kredite investiert hat. Die Vorgänge lesen sich wie das Drehbuch zu einem Bank Run.
Auch Asset Manager, die das Risiko ihrer Anlagen nicht selber tragen, sind offensichtlich grossen Gefahren ausgesetzt, wenn die Reputation Schaden nimmt. Auch die UBS betreut in den USA ein Asset Management mit mehreren Hundert Milliarden Dollar an Investments. Fünf Fonds waren insgesamt mit 515 Millionen Dollar bei First Brands investiert. Das mag wenig sein für UBS, aber die Bank will im US-Markt stark wachsen und profitabler werden. Es wird für sie nicht einfacher werden, den dortigen Kunden die Vorzüge des eigenen Angebots gegenüber der lokalen Konkurrenz plausibel zu machen.
Hierzulande kämpft die UBS verbissen gegen eine Verschärfung der Kapitalvorschriften. Eine Konsequenz schärferer Regeln könnte sein, dass die Expansion in ausländischen Märkten wie den USA für die UBS markant teurer wird. Es soll nie mehr dazu kommen, dass Steuerzahlende in der Schweiz die Risiken mittragen müssen, die ein ehrgeiziges Management fernab von der Scholle eingegangen ist, so das Ziel des Gesetzgebers. First Brands ist der Fall, der nötig war, damit diese Regulierungsdiskussion endlich richtig geführt werden kann. (aargauerzeitung.ch)