Schweiz
Verbrechen

Nach Werner Ferraris Tod: So werden Serienmörder bestattet

Der mehrfache Kindermoerder Werner Ferrari, vorne, wird am Dienstag, 10. April 2007, von einem Aargauer Kantonspolizisten in das Ratshaus von Wettingen (AG) eskortiert. Das Beziksgericht Baden befasst ...
Werner Ferrari auf dem Weg zu einem Gerichtsprozess in Wettingen im Jahr 2007.Bild: KEYSTONE

Nach Werner Ferraris Tod: So werden Serienmörder bestattet

Vergangene Woche starb der mehrfache Kindermörder in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg. Hier erfährst du, was mit dem Leichnam von verwahrten Schwerverbrechern passiert.
18.12.2025, 21:1318.12.2025, 21:19
Matthias Niederberger / ch media

Wer früher Verbrechen beging und erwischt wurde, hatte doppelt zu sühnen: im Leben und nach dem Tod. Im Mittelalter und in den Jahrhunderten danach wurden Schwerverbrecher teilweise hingerichtet und ihre Leiche den Raben zum Frass vorgeworfen. Das liest man im historischen Lexikon der Schweiz.

Manchmal wurden sie auch unmittelbar bei der Richtstätte oder auf separierten Friedhöfen – mit dem Gesicht nach unten – verscharrt. So oder so behandelte sie die Gesellschaft anders als Tote ohne kriminelle Vergangenheit. Eine Gedenkfeier? Ein Grabstein? Ein Abschied in Würde? Fehlanzeige.

Vergangene Woche ist mit Werner Ferrari einer der bekanntesten Verbrecher der Schweiz gestorben. Der mehrfache Kindermörder erlag im Alter von 78 Jahren einer schweren Krankheit. Seit 1995 sass er in der Strafanstalt der Justizvollzugsanstalt Lenzburg (JVA) hinter Gittern.

Im Gegensatz zu früher bestraft der Rechtsstaat heute niemanden mehr über den Tod hinaus. Die Bundesverfassung verbietet nicht nur die Todesstrafe, sie verpflichtet auch dazu, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Das beinhaltet, auf würdige Weise bestattet zu werden und gilt auch für einen Mann wie Werner Ferrari, der wegen Mordes an vier Kindern verurteilt wurde und bis zu seinem Lebensende im Gefängnis bleiben musste.

Werner Ferrari äusserte keine Wünsche

Mehr als 300 Personen sind in der JVA Lenzburg inhaftiert. In den vergangenen fünf Jahren starben inklusive Werner Ferrari vier Insassen, davon zwei durch Suizid.

Der Aargauer Gefängnisdirektor Marcel Ruf erklärt, was nach einem Todesfall passiert: «In der Regel bieten wir die Polizei, die Staatsanwaltschaft und das rechtsmedizinische Institut auf.» Wird eine Obduktion angeordnet, wird der Leichnam vom Bestattungsinstitut ins rechtsmedizinische Institut überwiesen.

Marcel Ruf ist Direktor der Justizvollzugsanstalt Lenzburg.
Marcel Ruf ist Direktor der Justizvollzugsanstalt Lenzburg.Bild: Sandra Ardizzone

Wer entscheidet über die Bestattung?

Laut Ruf haben die meisten Gefangenen Angehörige. Diese informiert die JVA Lenzburg unmittelbar nach dem Todesfall. Sie sind es, die über das weitere Vorgehen entscheiden: Begräbnis, Einäscherung, Trauerfeier, Gottesdienst. Insbesondere bei älteren Insassen kommt es vor, dass es keine Angehörigen mehr gibt.

Über Werner Ferrari sagt Gefängnisdirektor Ruf: «Er hatte zumindest keinen Kontakt mit Angehörigen.» Nach seinem Kenntnisstand hat Ferrari auch keine Wünsche geäussert, wie er bestattet werden möchte.

Fehlen Hinterbliebene, entscheidet die Wohngemeinde, was mit dem Leichnam passiert. Auch wer Jahrzehnte in einem Gefängnis lebt, behält normalerweise den ursprünglichen Wohnsitz. Bei Werner Ferrari dürfte das Olten sein, wo er 1989 festgenommen wurde.

Die Wohngemeinde übernimmt oft einen Teil der Bestattungskosten. Ist ein Begräbnis geplant, dann meistens auf dem dortigen Friedhof. Daraus lässt sich umgekehrt ableiten: Wer in der JVA Lenzburg stirbt, wird nicht unbedingt in Lenzburg begraben.

Schlichter Abschied im Gefängnis

Innerhalb der Gefängnismauern gedenkt man den Toten ebenfalls. «In der Regel gibt es einen Abdankungsgottesdienst», sagt Marcel Ruf. Allerdings in sehr schlichter Form: Freunde, Familie oder sonstige Angehörige dürfen nicht daran teilnehmen. Alles findet im kleinen Rahmen statt und nur dann, wenn es gewünscht wird. Ausschlaggebend ist laut Ruf, «ob ein Gefangener Kontakt mit anderen Insassen pflegte oder sehr zurückgezogen lebte».

Einer, der solche Abschiedsfeiern leitet, ist der Gefängnisseelsorger Thorsten Bunz. Er sagt über die Teilnehmer: «Es sind Menschen, die in einer Gemeinschaft gelebt haben, in diesem Fall einer Gemeinschaft von Schwerverbrechern.» Es sei wichtig, dass alle wüssten, dass ihnen ein würdiger Abschied zusteht.

«Trotz aller Verbrechen sind es immer noch Menschen, die unter ihren Taten leiden. Und zwar nicht nur, weil sie im Gefängnis sitzen.»

Selbstverständlich ringe er damit, was die letzten Worte über einen Verwahrten sein sollen. «Ich muss nicht alle Verbrechen nochmals auflisten, aber ich will ehrlich sein und aufzeigen, dass Menschen nicht nur Gutes tun. Aber das gilt auch für alle anderen Verstorbenen.» Was ihm dabei hilft, ist sein Glaube und vor allem die Hoffnung, «dass Gott für alle einen Platz hat».

Am Friedhof gibt es keine freie Grabwahl

Vor Gott sind alle gleich. Das ergibt auch eine Anfrage bei der reformierten Landeskirche des Kantons Aargau. «Es gibt keinerlei Einschränkungen, bei uns werden alle gleich behandelt», sagt eine Mediensprecherin. Massgebend bei der Ausgestaltung der Abschiedsfeier seien die Wünsche der Hinterbliebenen. «Sie entscheiden, was auf dem Grabstein steht, ob er anonymisiert ist, ob die Trauerfeier öffentlich bekannt gegeben wird oder nicht.» Das gleiche gilt bei den Katholiken.

Was die Friedhofsbestattung betrifft, stellt sich eine weitere Frage: Kann man sich dagegen wehren, dass der oder die Angehörige neben einem Mörder begraben wird? Für viele Friedhöfe gilt ein Bestattungs- und Friedhofsreglement. Dieses lässt kaum Spielraum für persönliche Wünsche, was die Lage des Grabes betrifft. Sie wird «durch den Belegungsplan bestimmt», heisst es etwa im Reglement der Stadt Lenzburg. Und: «Die Bestattungen erfolgen fortlaufend.» Also einer nach dem anderen.

(aargauerzeitung.ch)

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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PurpleRaina
19.12.2025 04:30registriert Juni 2025
Es ist gut und richtig, dass man auch dem schlimmsten Verbrecher einen würdevollen Abschied gibt. Die Gesellschaft muss besser, gütiger und stärker sein als der einzelne Mensch.
Persönlich fände ich es jedoch wichtig, den Opfern mehr Unterstützung zu bieten. Nur so können wir eine gütige und starke Gesellschaft aufrechterhalten.
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Antinatalist
19.12.2025 01:00registriert September 2019
Ist man erst einmal gestorben, kann einem alles, aber auch wirklich alles egal sein. Egal, ob einen die Raben zum Znacht verspeisen, oder ob man mit dem Gesicht nach unten irgendwo im Strassengraben liegt

Das ganze Theater ist, wenn, dann nur für allfällig Hinterbliebene relevant. Gestorben ist gestorben. Dann ist man inexistent und der biologische Kreislauf erledigt normalerweise den Rest. Ausser irgendwelche Menschen machen noch ein Gschiss drum.
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