Nach Werner Ferraris Tod: So werden Serienmörder bestattet
Wer früher Verbrechen beging und erwischt wurde, hatte doppelt zu sühnen: im Leben und nach dem Tod. Im Mittelalter und in den Jahrhunderten danach wurden Schwerverbrecher teilweise hingerichtet und ihre Leiche den Raben zum Frass vorgeworfen. Das liest man im historischen Lexikon der Schweiz.
Manchmal wurden sie auch unmittelbar bei der Richtstätte oder auf separierten Friedhöfen – mit dem Gesicht nach unten – verscharrt. So oder so behandelte sie die Gesellschaft anders als Tote ohne kriminelle Vergangenheit. Eine Gedenkfeier? Ein Grabstein? Ein Abschied in Würde? Fehlanzeige.
Vergangene Woche ist mit Werner Ferrari einer der bekanntesten Verbrecher der Schweiz gestorben. Der mehrfache Kindermörder erlag im Alter von 78 Jahren einer schweren Krankheit. Seit 1995 sass er in der Strafanstalt der Justizvollzugsanstalt Lenzburg (JVA) hinter Gittern.
Im Gegensatz zu früher bestraft der Rechtsstaat heute niemanden mehr über den Tod hinaus. Die Bundesverfassung verbietet nicht nur die Todesstrafe, sie verpflichtet auch dazu, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Das beinhaltet, auf würdige Weise bestattet zu werden und gilt auch für einen Mann wie Werner Ferrari, der wegen Mordes an vier Kindern verurteilt wurde und bis zu seinem Lebensende im Gefängnis bleiben musste.
Werner Ferrari äusserte keine Wünsche
Mehr als 300 Personen sind in der JVA Lenzburg inhaftiert. In den vergangenen fünf Jahren starben inklusive Werner Ferrari vier Insassen, davon zwei durch Suizid.
Der Aargauer Gefängnisdirektor Marcel Ruf erklärt, was nach einem Todesfall passiert: «In der Regel bieten wir die Polizei, die Staatsanwaltschaft und das rechtsmedizinische Institut auf.» Wird eine Obduktion angeordnet, wird der Leichnam vom Bestattungsinstitut ins rechtsmedizinische Institut überwiesen.
Wer entscheidet über die Bestattung?
Laut Ruf haben die meisten Gefangenen Angehörige. Diese informiert die JVA Lenzburg unmittelbar nach dem Todesfall. Sie sind es, die über das weitere Vorgehen entscheiden: Begräbnis, Einäscherung, Trauerfeier, Gottesdienst. Insbesondere bei älteren Insassen kommt es vor, dass es keine Angehörigen mehr gibt.
Über Werner Ferrari sagt Gefängnisdirektor Ruf: «Er hatte zumindest keinen Kontakt mit Angehörigen.» Nach seinem Kenntnisstand hat Ferrari auch keine Wünsche geäussert, wie er bestattet werden möchte.
Fehlen Hinterbliebene, entscheidet die Wohngemeinde, was mit dem Leichnam passiert. Auch wer Jahrzehnte in einem Gefängnis lebt, behält normalerweise den ursprünglichen Wohnsitz. Bei Werner Ferrari dürfte das Olten sein, wo er 1989 festgenommen wurde.
Die Wohngemeinde übernimmt oft einen Teil der Bestattungskosten. Ist ein Begräbnis geplant, dann meistens auf dem dortigen Friedhof. Daraus lässt sich umgekehrt ableiten: Wer in der JVA Lenzburg stirbt, wird nicht unbedingt in Lenzburg begraben.
Schlichter Abschied im Gefängnis
Innerhalb der Gefängnismauern gedenkt man den Toten ebenfalls. «In der Regel gibt es einen Abdankungsgottesdienst», sagt Marcel Ruf. Allerdings in sehr schlichter Form: Freunde, Familie oder sonstige Angehörige dürfen nicht daran teilnehmen. Alles findet im kleinen Rahmen statt und nur dann, wenn es gewünscht wird. Ausschlaggebend ist laut Ruf, «ob ein Gefangener Kontakt mit anderen Insassen pflegte oder sehr zurückgezogen lebte».
Einer, der solche Abschiedsfeiern leitet, ist der Gefängnisseelsorger Thorsten Bunz. Er sagt über die Teilnehmer: «Es sind Menschen, die in einer Gemeinschaft gelebt haben, in diesem Fall einer Gemeinschaft von Schwerverbrechern.» Es sei wichtig, dass alle wüssten, dass ihnen ein würdiger Abschied zusteht.
Selbstverständlich ringe er damit, was die letzten Worte über einen Verwahrten sein sollen. «Ich muss nicht alle Verbrechen nochmals auflisten, aber ich will ehrlich sein und aufzeigen, dass Menschen nicht nur Gutes tun. Aber das gilt auch für alle anderen Verstorbenen.» Was ihm dabei hilft, ist sein Glaube und vor allem die Hoffnung, «dass Gott für alle einen Platz hat».
Am Friedhof gibt es keine freie Grabwahl
Vor Gott sind alle gleich. Das ergibt auch eine Anfrage bei der reformierten Landeskirche des Kantons Aargau. «Es gibt keinerlei Einschränkungen, bei uns werden alle gleich behandelt», sagt eine Mediensprecherin. Massgebend bei der Ausgestaltung der Abschiedsfeier seien die Wünsche der Hinterbliebenen. «Sie entscheiden, was auf dem Grabstein steht, ob er anonymisiert ist, ob die Trauerfeier öffentlich bekannt gegeben wird oder nicht.» Das gleiche gilt bei den Katholiken.
Was die Friedhofsbestattung betrifft, stellt sich eine weitere Frage: Kann man sich dagegen wehren, dass der oder die Angehörige neben einem Mörder begraben wird? Für viele Friedhöfe gilt ein Bestattungs- und Friedhofsreglement. Dieses lässt kaum Spielraum für persönliche Wünsche, was die Lage des Grabes betrifft. Sie wird «durch den Belegungsplan bestimmt», heisst es etwa im Reglement der Stadt Lenzburg. Und: «Die Bestattungen erfolgen fortlaufend.» Also einer nach dem anderen.
(aargauerzeitung.ch)
