Schweiz
Waffen

Ruag-Präsident kündet in Affäre um CEO Beck interne Abklärungen an

Umstrittene Aussagen fliegen Ruag-Chefin Beck um die Ohren – jetzt reagiert die Politik

Nach kontroversen Aussagen der Ruag-Chefin Brigitte Beck zu Waffenlieferungen nimmt erstmals der Verwaltungsrat Stellung. Zudem setzt es eine Schelte führender Sicherheitspolitiker ab. Das VBS schweigt - doch hinter den Kulissen laufen die Drähte heiss.
09.05.2023, 06:0309.05.2023, 06:03
Stefan Bühler und Reto Wattenhofer / ch media
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Hörbar verärgert reagiert der Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission (SIK) des Nationalrates, Mauro Tuena, auf den «neuerlichen Lapsus» der Ruag-Chefin. «Brigitte Beck hat nicht Politik zu machen.» Es gehe nicht an, dass die Chefin eines bundeseigenen Betriebes öffentlich zum Vertrags- und Gesetzesbruch aufrufe und somit die offizielle Haltung der Schweiz unterminiere. «Zudem ist das hochgradig illoyal.»

Brigitte Beck ist seit ungefähr acht Monaten CEO der Ruag MRO.
Ruag-CEO Brigitte BeckBild: zvg

Auslöser sind Aussagen, welche die CEO der Ruag letzte Woche an einem Podium gemacht hatte. Sie forderte Spanien und Deutschland auf, Schweizer Waffen in die Ukraine zu liefern und sich über die Schweizer Neutralitätshaltung hinwegzusetzen. Tage zuvor hatte Beck ein Interview mit dieser Zeitung verhindert, in dem sie in ähnlicher Weise Stellung bezog. Das Interview konnte nicht erscheinen, stattdessen entschloss sich die Redaktion dazu, die Vorgänge transparent zu machen.

Für den Zürcher SVP-Politiker Tuena ist klar: Sollte sich Beck noch so einen Fehler erlauben, müsse sie zurücktreten. «Sie hat den letzten Zwick an der Geisel.» Er kündigt an, das Thema an der nächsten Sitzung der SIK mit Bundesrätin Viola Amherd zur Sprache zu bringen.

Bei der Schwesterkommission im Ständerat wird die Causa Beck diesen Donnerstag nicht besprochen. Ihr Präsident, der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann, hat sich bereits direkt mit dem Verteidigungsdepartement ausgetauscht. Auch er sagt: «Frau Beck soll sich auf ihre Aufgabe als CEO der Ruag konzentrieren und sich nicht politisch äussern.» Salzmann erwartet, dass das VBS nun notwendige Massnahmen ergreift. Auf Nachfrage gibt sich das Departement bedeckt.

Verwaltungsratspräsident Perrin «nicht glücklich»

Tatsächlich liegt der Ball nun beim Gremium, das Beck direkt vorgesetzt ist: dem Ruag-Verwaltungsrat. Auf Anfrage von CH Media nimmt am Montagabend erstmals Verwaltungsratspräsident Nicolas Perrin Stellung. Bezogen auf Becks Auftritt am Podium sagt er: «Der Verwaltungsrat der Ruag ist über die aktuelle Situation nicht glücklich. Entsprechend werden interne Abklärungen stattfinden.» Nähere Angaben, wann der Verwaltungsrat zur Affäre Beck tagt und welche Massnahmen zur Debatte stehen, macht Perrin keine.

Ruag-Verwaltungsratspräsident Nicolas Perrin
Ruag-Verwaltungsratspräsident Nicolas Perrinbild: zvg

Wie in Bern zu vernehmen ist, habe bereits Becks unveröffentlichtes Interview mit CH Media zwischen dem Ruag-Verwaltungsrat und der operativen Chefin für Diskussionen gesorgt. Das legt die Vermutung nahe, dass jemand ganz oben in der Ruag bei der Autorisierung des Interviews auf die Bremse trat. Umso erstaunlicher, dass die CEO trotzdem wenige Tage später an einem öffentlichen Podium ihre Position bekräftigte.

Zumal ihre kontroversen Aussagen in eine bereits aufgeheizte Debatte fallen. Seit Monaten ringen die sicherheitspolitischen Kommissionen um Möglichkeiten, dass trotz der Schweizer Neutralität mehrere EU-Staaten Rüstungsmaterial aus Schweizer Produktion an die Ukraine weitergeben dürfen. Der Bundesrat hat eine Lockerung der geltenden Bestimmungen mehrmals abgelehnt. Die SVP ist entschlossen, jede Relativierung der Neutralität zu bekämpfen - obwohl das restriktive Regime bei den Waffenlieferungen die Schweizer Rüstungsindustrie einschränkt.

Entsprechend deutliche Worte findet die der SVP nahestehende Nachfolgeorganisation der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns): «Pro Schweiz», so heisst die Bewegung, kritisiert die Ruag-Chefin dafür, sich «grobfahrlässig in die Aussen- und Neutralitätspolitik der Schweiz» einzumischen. Nach diesen Äusserungen sei sie nicht mehr tragbar, schreibt die Organisation in einer Mitteilung unter dem Titel «Ruag-Chefin muss gehen».

Am Donnerstag ist die Weitergabe von Schweizer Rüstungsgütern durch Drittstaaten erneut in der ständerätlichen Sicherheitskommission traktandiert. Eine sogenannte Ukraine-Koalition von SP, Mitte, GLP und FDP will eine parlamentarische Initiative ausarbeiten, um die Blockade der Lieferungen aufzuheben. Sie stützt sich dabei auf ein Gutachten des österreichischen Völkerrechtlers Peter Hilpold, der dies für möglich hält. (aargauerzeitung.ch)

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Die Exportschlager der Schweizer Rüstungsindustrie
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Die Exportschlager der Schweizer Rüstungsindustrie
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quelle: keystone / christian beutler
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116 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sani-Bär
09.05.2023 06:43registriert April 2021
Und ich dachte, das sei Meinungsfreiheit?

BR und Ex-BR halten sich auch nicht ans Kollegiliatätsprinzip und erzählen nach BR-Entscheidungen ungestraft in der Presse, dass sie die Entscheidung nicht mittragen.

Politikerinnen und Politiker tragen Trychler-T-Shirts, oder unterstützen ganz offiziell Diktatoren, damit sie weiter Millionen scheffeln können.
Oder verkaufen "Schundliteratur" mit vielen "alternativen" Wahrheiten, damit sie weiterhin vom Kreml finanzielle Unterstützung erhalten.

Pah, bürgerliche Neutralisten 🤮🤮🤮
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N. Y. P.
09.05.2023 06:32registriert August 2018
Die RUAG - Chefin hat lediglich gesagt, was wir alle denken.

Das Neutralitätsgeschwurbel der Schweiz iist nur noch peinlich.
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Aldous Huxley
09.05.2023 06:38registriert Oktober 2022
Huhu, ein SVP-Stürmchen, die Frau sagt doch nur was alle, ausser der SVP selbstverständlich, denken. Der Mythos der Schweizer Neutralität, der eh nur zum Geldscheffeln taugt, gehört auf den Misthaufen der Geschichte. Das Schweizer Volk, mit 28% Ausnahmen, lässt sich kein X für ein U vormachen wie in Putins Landen und nur weil Marta noch ein wenig Business machen möchte in Russland. Es ist Zeit uns zu besinnen wo unsere "Freunde" hocken und welchen Despoten und Staaten wir besser meiden auch wenn dort angeblich Milch und Honig fliessen.
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