Eigentlich sollten unsere Parlamentarier im Stände- und Nationalrat Volksvertreter sein. «Das Volk vertreten» würde bedeuten, im Parlamentsbetrieb und bei den Abstimmungen im Sinne des antizipierten Gemeinwohls zu agieren. So die Idealvorstellung.
Die Realität sieht anders aus.
«Kaum eine Demokratie in Europa ist so käuflich wie die Schweiz», leitete die WOZ Mitte September einen Artikel ein und die NZZ am Sonntag berichtete zehn Tage später in ihrem «Lobbyreport» unter anderem über den Fall des Urner Ständerates Josef Dittli. Dittli erhielt vom Krankenkassenverband Curafutura ein Mandat über 140'000 Franken pro Jahr – für einen Job mit 40-Prozent-Arbeitspensum. Kaum hatte der Urner das Mandat in der Tasche, vollbrachte er in Sachen Tabakwerbung eine politische 180-Grad-Wende. Plötzlich stand er in einer Linie mit seinem neuen Arbeitgeber.
Dittli ist kein Einzelfall. Laut NZZ am Sonntag erhielten 48 der 61 vor vier Jahren neu gewählten Parlamentarier mindestens ein privates Mandat hinzu. Wie viel sie dabei verdienen, ist intransparent. Parlamentarier sind nicht verpflichtet, ihre Einkünfte als Beiräte oder als Mitglieder von Verwaltungsräten usw. anzugeben.
Unsere Parlamentarier werden täglich umgarnt von Branchenvertretern. Laut «Beobachter» verkehren im Bundeshaus fünfmal mehr «Einflüsterer» als Parlamentarier. Um wen es sich dabei handelt, wird nicht protokolliert. Eine Verschärfung der Eintrittskontrollen von Lobbyisten wurde von der Mehrheit der bürgerlichen Parlamentarier verhindert. Auch der Vorschlag, dass von Interessengruppen bezahlte Reisen deklariert werden müssen, wurde abgeschmettert.
Ähnlich intransparent sind Parteispenden. Die Schweiz ist mittlerweile das einzige Land in Europa ohne nationale Regulierung bei den Parteispenden.
Knapp zusammengefasst: In der Schweizer Politik werden sämtliche Transparenzbemühungen, eigentlich ein wichtiger Service für den Wähler, systematisch torpediert. Wer ein derart grosses Interesse zeigt, Verbindungen und Abhängigkeitsverhältnisse zu verschleiern, macht sich verdächtig. Ganz nach dem alten Sprichwort: Wes Brot ich ess', des Lied ich sing.
Etwas Licht ins Dunkle versucht die Organisation Lobby-Watch zu bringen. Neben der möglichst genauen Auflistung von Interessensverbindungen befragte Lobby-Watch die Parlamentarier, die sich zur Wiederwahl stellen, zu den Einkünften mit privaten Mandaten. Das sind 198.
Der Rücklauf ist enttäuschend. Fast drei Viertel der Parlamentarier wollen ihre Einkünfte weiterhin geheim behalten. Nur 56 der 198 befragten Ratsmitglieder waren bereit, ihre nebenberuflichen und ausserparlamentarischen Einkünfte offenzulegen. Am freizügigsten waren die Mitglieder der SP mit einer Quote von 60 Prozent, gefolgt von den Grünen.
Am anderen Ende des Spektrums befinden sich die Parteien SVP, CVP und FDP mit einem Anteil von unter 18%.
Yvonne Feri, Aargau
Cédric Wermuth, Aargau
Matthias Aebischer, Bern
Nadine Masshardt, Bern
Samira Marti, Baselland
Christian Levrat, Freiburg
Valérie Piller-Carrard, Freiburg
Ursula Schneider-Schüttel, Freiburg
Laurence Fehlmann Rielle, Genf
Pierre-Alain Fridez, Jura
Prisca Birrer-Heimo, Luzern
Barbara Gysi, St. Gallen
Paul Rechsteiner, St. Gallen
Martina Munz, Schaffhausen
Edith Graf-Litscher, Thurgau
Brigitte Crottaz, Waadt
Ada Marra, Waadt
Roger Nordmann, Waadt
Nicolas Rochat Fernandez, Waadt
Mathias Reynard, Wallis
Jacqueline Badran, Zürich
Min Li Marti, Zürich
Mattea Meyer, Zürich
Priska Seiler Graf, Zürich
Aline Trede, Bern
Lisa Mazzone, Genf
Michael Töngi, Luzern
Denis de la Reussille, Neuenburg
Daniel Brélaz, Waadt
Balthasar Glättli, Zürich
Jürg Grossen, Bern
Isabelle Chevalley, Waadt
Heinz Siegenthaler, Bern
Rosmarie Quadranti, Zürich
Andrea Caroni, Ausserrhoden
Christian Wasserfallen, Bern
Kurt Fluri, Solothurn
Giovanni Merlini, Tessin
Olivier Feller, Waadt
Philippe Nantermod, Wallis
E. Schneider-Schneiter, Baselland
Jean-Paul Gschwind, Jura
Thomas Ammann, St. Gallen
Markus Ritter, St. Gallen
Marianne Streiff-Feller, Bern
Benjamin Roduit, Wallis
Luzi Stamm, Aargau
Andrea Geissbühler, Bern
Yvette Estermann, Luzern
Barbara Keller-Inhelder, St. Gallen
Alex Kuprecht, Schwyz
Diana Gutjahr, Thurgau
Jacques Nicolet, Waadt
Barbara Steinemann, Zürich
Claudio Zanetti, Zürich
Thomas Minder, parteilos, Schaffhausen
Die Verbindungen sämtlicher Parlamentarier können hier eingesehen werden.
Und Köppel unterstellt in der letzten Arena Daniel Jositsch Käuflichkeit, weil er einige Mandate hat. Nicht wenige, aber immerhin transparent auf seiner Website ersichtlich.