Schweiz
Wetter

Schweiz versinkt im Nebel: So wenig Sonne wie nie in letzten 10 Jahren

Die Schweiz versinkt im Nebel: So wenig Sonne wie nie in den letzten 10 Jahren

Keine Sonne, kaum Licht dringt schon seit Tagen durch den Nebel, wie unsere interaktive Karte zeigt. Die Menschen flüchten in die Berge. Dabei sollte es doch immer weniger Nebeltage geben.
09.11.2024, 07:17
Bruno Knellwolf / ch media
Mehr «Schweiz»

Die Schweiz ist auf der Flucht. Zumindest am vergangenen Wochenende fuhren die Unterländer in Scharen in die Berge, um dem leidigen Nebel zu entkommen. Und bei der Rückfahrt stauten sie sich auf den Strassen vor den grauen Städten und Dörfern.

Zwei Personen geniessen die Aussicht auf das Nebelmeer und auf Wetterhorn, Schreckhorn, Eiger, Moench und Jungfrau, von links, am Sonntag, 3. November 2024, auf dem Gurnigel. (KEYSTONE/Peter Schneider ...
Zwei Welten: Unten grau und oben sonnig und farbig – so wie hier beim Ausblick auf das Nebelmeer und auf Wetterhorn, Schreckhorn, Eiger, Mönch und Jungfrau.Bild: keystone

Kein Wunder, denn im Flachland hat sich die Sonne in den vergangenen Wochen selten blicken lassen. Meteo Schweiz mass im Oktober vielerorts so wenig Sonnenschein wie nie in den letzten zehn Jahren. An der Messstation Buchs-Aarau waren es nur rund 44 Stunden – in den vergangenen drei Oktobern schien die Sonne jeweils mehr als 100 Stunden. Ebenfalls vergleichsweise wenig Sonne gab es in Zürich, Bern oder Chur.

Der Nebel kann nicht nur unsere Psyche belasten, sondern sorgt auch für Sichtbehinderungen im Verkehr, was zu mehr Unfällen führt. Ausserdem hat er einen Einfluss auf die Lufthygiene. Doch wie kommt er überhaupt zustande? Und stimmt es wirklich, dass er in der Schweiz zurückgeht?

Warum der Nebel schon so lange liegt

Schon beinahe zwei Wochen stecken wir im Nebel. Schuld daran sind die anhaltenden Hochdruckverhältnisse. Denn Hochdrucklagen sind in den Herbst- und Wintermonaten Voraussetzung für zähen Nebel. Bei stabilen Hochdrucklagen entsteht in den Nächten jeweils Kaltluft. Die schwere Kaltluft fliesst dann in Bodennähe langsam von den Alpentälern und vom Jura in Richtung Mittelland. Zudem bildet sich Kaltluft auch in klaren Nächten im Mittelland an Ort und Stelle, weil die Wärme ins All ausstrahlt.

Damit drehen sich die Verhältnisse um – unten kalt, oben warm. Der Meteorologe spricht von einer Temperaturumkehr-Schicht oder von einer Inversionsschicht. Weil die Sonne tief steht und wenig Energie vorhanden ist, kann der entstandene Kaltluftsee tagsüber nicht vollständig abgebaut werden. Dadurch sinken die Temperaturen im Mittelland in der Regel von Tag zu Tag etwas ab.

«Da aber kalte Luft weniger Feuchte aufnehmen kann als warme, kommt es mit der Zeit zur Kondensation und damit zur Nebelbildung», sagt Bader. Hat sich eine ausgeprägte Inversion ausgebildet, ist die Schichtung der unteren Atmosphäre extrem stabil, das heisst, der Nebel bleibt. Die Temperatur-Umkehrschicht kann dann nur noch durch stärkere Winde ausgeräumt werden. Diese treten beim Durchgang von Störungen, meist Kaltfronten, auf. Auf solch stärkere Winde müssen wir also hoffen.

Vier Voraussetzungen für Nebel
1. Schwache Sonneneinstrahlung respektive tief stehende Sonne, wie im Zeitraum von Mitte Oktober bis zur ersten Februarhälfte.
2. Wenig Wind in den unteren Luftschichten: erfüllt bei Hochdrucklagen
3. Wenig Bewölkung: ebenfalls bei Hochdrucklagen
4. Die feuchte Kaltluft muss sich in einem Becken sammeln können

Warum der Nebel nach oben gestiegen ist

Lag der Nebel anfangs tief und direkt in den Dörfern ist die Nebelgrenze inzwischen nach oben gestiegen. Grund dafür ist die Bisenströmung, die seit dem 2. November herrscht. Die Bise hat die Situation total verändert. «Je stärker die Bise, desto höher steigt der Nebel», erklärt Bader von Meteo Schweiz.

Ist im Wetterbericht von einer Bisentendenz oder einer schwachen Bise die Rede, liegt die Obergrenze meist im Bereich von 900 bis 1200 Meter über Meer. Bei mässiger Bise steigt die Obergrenze auf 1500 Meter, zusätzlich dringt der Nebel dann auch immer weiter in die Voralpen und Alpentäler vor. Die Bisenströmung durchmischt die Luftmasse unterhalb der Inversion. Dies führt zu einem höher gelegenen Kondensationslevel. Ist dieser erreicht beginnt das Wasser zu kondensieren, es bilden sich Tröpfchen und damit entsteht der Hochnebel.

Vor dem 2. November war die Situation ohne Bise eine andere: Befindet sich ein Hoch nämlich direkt über den Alpen oder ist die Druckverteilung flach, so pendelt sich die Obergrenze bei 800 bis 900 Metern Höhe ein. Kommen hingegen südwestliche Winde auf, sinkt die Obergrenze auf 500 bis 700 Meter ab.

Oft baut sich in einer solchen Wettersituation das Hoch ab und es folgt ein sogenannter Frontdurchgang. Eine Front bedeutet in der Meteorologie eine schmale Grenzzone zwischen verschiedenen Luftmassen. Dabei kommt es im Frontbereich zu relativ sprunghaften Änderungen des Luftdrucks, der Temperatur, der Feuchte und des Windes. Der Frontdurchgang verscheucht somit den Nebel, was diesmal nicht der Fall war.

Die Anzahl der Nebeltage geht eigentlich zurück

Viele Menschen sind im Moment von der Intensität und Dauer des Nebels überrascht. Tatsächlich sind in den Jahren 1971 bis 2020 die Nebeltage nicht nur im Herbst, sondern in der gesamten Nebelperiode von September bis Februar seltener geworden. Am klassischen Nebelstandort Zürich-Kloten lag der Durchschnitt von 1971 bis 1980 bei über 50 Tagen pro Jahr. Zwischen 2010 und 2020 gab es zwölf Nebeltage weniger, also durchschnittlich 38.

Als Ursache für die Abnahme der Nebelhäufigkeit nennen die Fachleute verschiedene Aspekte: Ein Bericht von Meteo Schweiz zeigt auf, dass die Schwankungen der Nebelhäufigkeit parallel zu jenen der Wetterlagen verlaufen, die Nebel verursachen. Dies gilt für die jährliche Dauer der Nebelperiode wie auch für die langfristigen Schwankungen der Nebelhäufigkeit.

«Das legt nahe, dass die schwankenden Wetterlagen die Haupttreiber der unterschiedlichen Nebelverhältnisse sind. Sie schaffen die wichtigsten Voraussetzungen, damit sich Nebel bildet», sagt Bader. Das sind Hochdruck, wenig westliche Anströmung der Luftmassen, Kaltluftansammlung im Mittellandbecken und genug Feuchte. Ob die Erwärmung der Atmosphäre einen Einfluss hat, ist gemäss dem Klimatologen Bader noch nicht genügend untersucht.

Es gibt aber noch weitere Faktoren, die zum Rückgang des Nebels beitragen. Dass es generell weniger Nebel hat, führen Fachleute auch auf die verbesserte Luftqualität zurück. Insbesondere die Abnahme der Emission von Schwefeldioxid, der vor allem aus dem Verbrennen von Heizöl entsteht, hat zum Nebelrückgang beitragen. Schwefeldioxid fördert die Kondensation von Wasserdampf und damit die Bildung von Nebel.

«Daneben soll aber auch die Trockenlegung der Böden durch die Überbauung der Landschaft mitverantwortlich sein.» Die Ausweitung der Siedlungsgebiete trocknet gemäss dieser These nicht nur den Boden, sondern auch die Luft aus, was die Bedingungen für den Nebel erschwert. Auch wenn es diesen Herbst nun anders ist.

Wie man sich im Nebel verhalten sollte

Die Sichtbehinderung durch Nebel erhöht die Unfallgefahr beim Fliegen und beim Strassenverkehr. «Gerade plötzlich auftretender Nebel verursacht viele Unfälle und die schlimmsten Massenkarambolagen sind bei Nebel entstanden», sagt Luca Genovese, Unfallforscher beim Versicherer Axa. Genaue Zahlen zu Nebelunfällen gibt es beim Versicherer nicht.

Nebel sorgt für einen Feuchtigkeitsfilm auf dem Asphalt, der die Haftung auf der Fahrbahn verschlechtert. Da ist genug Abstand zum vorderen Auto wichtig und eine vorsichtige Fahrweise. Entscheidend ist zudem eine korrekte Beleuchtung, erklärt Genovese. Nebelscheinwerfer vorne und Nebelschlussleuchten sollten eingestellt werden. Allerdings nur, wenn es wirklich Nebel hat. Ansonsten müssen diese Leuchten von Gesetzes wegen abgestellt werden, weil sie entgegenkommende Fahrerinnen und Fahrer irritieren.

Zu beachten ist auch, dass moderne Fahrzeuge eine Lichtautomatik haben. Bei Tageslicht fahren die mit Tageslichtern, nicht mit den stärkeren Abblendlichtern. Wenn der Sensor der Lichtautomatik den Nebel nicht selbst feststellt, sollten manuell die Abblendlichter eingeschaltet werden. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
61 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Haarspalter
09.11.2024 07:37registriert Oktober 2020
Wieso flüchten?

Nebel kann mystisch, romantisch und heimelig sein.

Er verleiht der Umgebung und dem Leben eine sonderbare Unendlichkeit.

Das Faszinierende an unseren Breitengraden ist ja gerade, dass die Jahreszeiten sich dermaßen unterscheiden:

Alle 3 Monate wird zuhause umsonst eine gänzlich andere Welt inszeniert - ohne dass man hierfür ins Flugzeug steigen muss.
12924
Melden
Zum Kommentar
avatar
NixMussAllesKann
09.11.2024 07:51registriert Dezember 2020
Mich stört der Nebel nicht. Die paar Tage Nebel im Herbst, tun der Seele gut. Man kann sich sammeln und inne halten.
6220
Melden
Zum Kommentar
avatar
Stambuoch
09.11.2024 10:57registriert März 2015
"Die Schweiz" besteht wohl nur aus dem Mittelland.
In Basel scheint seit Wochen mehrheitlich die Sonne, so auch gerade jetzt aktuell. Selten eine so durchgehend sonnige Herbstmesse erlebt!
311
Melden
Zum Kommentar
61
SP-Funiciello sagt, was sie nach den abgelehnten AHV-Beschwerden nun fordert
Wegen falsch kommunizierter Zahlen wollten Grüne und SP-Frauen, dass das Bundesgericht die AHV-Abstimmung von 2022 aufhebt. Die Beschwerden wurden jedoch abgelehnt, sehr zur Enttäuschung von SP-Nationalrätin Tamara Funiciello.

Das Bundesgericht hat die Beschwerden abgelehnt. Ihr Fazit?
Ich bin mit diesem Urteil natürlich nicht zufrieden. Wir kamen mit der Erwartung hierher, dass wir gewinnen. Nun haben wir leider verloren.

Zur Story