Schweiz
Wirtschaft

Wohnkosten sind weltweit auf Rekordhoch – so ist es in der Schweiz

Mehrfamilienhaeuser in der Stadt Zuerich, aufgenommen am Montag, 6. Maerz 2023. Die Wohnungen in Z
Grösste Sorge: das knappe Angebot an bezahlbarem Wohnraum.Bild: keystone

Unzufriedenheit mit Wohnkosten ist global auf Rekordhoch – so sieht es in der Schweiz aus

Eine globale Umfrage zeigt, dass die Wohnkosten in den allermeisten Ländern die Menschen weit mehr plagen als in der Schweiz – und dass man in einem Land gar sorgenfrei lebt.
24.09.2024, 10:1224.09.2024, 10:16
Niklaus Vontobel / ch media
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Die Wohnkosten bereiten den Menschen weltweit grosse Sorgen. Das zeigt eine Umfrage der Beratungsfirma Gallup, an der 38'000 Menschen in 38 Industrieländern teilgenommen haben. Demnach ist die Hälfte der Menschen nicht zufrieden mit dem Angebot an guten, bezahlbaren Wohnungen – so viele wie nie in den letzten knapp zwei Jahrzehnten. Die «Financial Times» titelte dazu: «Besorgnis über Wohnkosten erreicht in reichen Ländern ein Rekordniveau.»

Ist die Schweiz inmitten von so viel Unzufriedenheit eine Insel der Glückseligen – oder zumindest eine Insel der nicht ganz so Unzufriedenen?

Es sieht auf den ersten Blick so aus. Hierzulande sind zwar mit 36 Prozent auch recht viele unzufrieden, immerhin mehr als ein Drittel. Aber es sind doch deutlich weniger als die durchschnittlichen 50 Prozent im Ausland. Noch weniger Unzufriedene hat es nur in 6 von den total 38 Ländern, wie Dänemark oder Finnland. Und es gab hierzulande keinen starken Anstieg wie im Ausland. Der Anteil der Unzufriedenen war 2022 noch höher als aktuell (41 Prozent) und vor 10 Jahren etwa gleich gross.

Es gibt in der Schweiz also viele Unzufriedene, aber es werden nicht Jahr für Jahr mehr. In den allermeisten anderen Industrieländern ist es schlimmer, weit schlimmer – und dennoch könnte auch in der Schweiz die grosse Unzufriedenheit längst ausgebrochen sein. Der Reihe nach.

Harris will Traum vom Eigenheim retten

Am schlimmsten ist es in der Türkei: 75 Prozent aller Befragten sagen dort, die Wohnkosten seien zu hoch. Fast 70 Prozent sind es je in Australien, Slowenien, Portugal, Griechenland und in Kanada. Um die 60 Prozent gehören in Spanien und Irland zu den Unzufriedenen, ebenso in den Niederlanden und in Neuseeland.

Und 58 Prozent sind es in den USA, der grössten Wirtschaftsmacht der Welt. Nicht von ungefähr hat Kamala Harris im Wahlkampf versprochen, sie wolle den «amerikanischen Traum vom Eigenheim» retten. Am anderen Ende der Unzufriedenheitsskala ist Japan zu finden. Nur für läppische 19 Prozent der Menschen sind im internationalen Vergleich die Wohnkosten dort ein Problem.

In den Schweizer Nachbarländern hat es in Italien, Deutschland und Frankreich weniger Unzufriedene als im internationalen Durchschnitt, aber mehr als in der Schweiz. In Deutschland liegt ihr Anteil um die 40 Prozent. In Italien bei 44 Prozent und in Frankreich bei 43 Prozent. Österreich hingegen gehört mit 34 Prozent zu den wenigen Ländern, in denen die Wohnkosten weniger Sorgen bereiten als in der Schweiz.

Der Weg in die Unzufriedenheit verlief von Land zu Land verschieden. Zum Teil ist sie schon seit Jahren etwa gleich weit verbreitet, wie etwa in Deutschland. Dort blieb sie lange unter 20 Prozent, erfasste in den 2010er-Jahren ständig mehr Menschen und ist seither stabil bei hohen rund 40 Prozent.

Nächste Eskalationsstufe in den Niederlanden erreicht

In den Niederlanden hingegen war die Entwicklung eher explosiv. Bis Ende der 2010er-Jahre waren erst 30 Prozent unzufrieden. In den folgenden sechs Jahr hat die Unzufriedenheit jedoch immer weiter um sich gegriffen, bis sie 2023 dann 63 Prozent der Menschen erfasste – doppelt so viele. Damit sind die Niederlande vielleicht das abschreckendste Beispiel. Die britische Zeitung «The Guardian» titelte, sie habe die «nächste Eskalationsstufe in der europäischen Wohnungskrise erreicht».

Die Trends, welche die Wohnkosten zur globalen Hauptsorge gemacht haben, sind aus der Schweiz nur allzu gut bekannt. In Ländern mit vielen Unzufriedenen sind zuvor die Mieten stark gestiegen. Die Eigenheimpreise sind während der Zinswende nach oben zwar gefallen, liegen aber noch immer viel höher als vor einem Jahrzehnt.

Das trifft etwa auf die Niederlande zu. Seit dem Jahr 2015 sind dort die Mieten um 20 Prozent gestiegen und die Eigenheimpreise landesweit um 40 Prozent, auf dem Höhepunkt betrug das Plus gar 50 Prozent. Das zeigt eine Auswertung der «Financial Times» von Zahlen des Ländervereins OECD. In Kanada ging es bei den Mieten um 30 Prozent hoch, bei den Eigenheimpreisen um über 40 Prozent. In Portugal sind es bei den Mieten ebenfalls plus 30 Prozent, bei den Eigenheimen über 70 Prozent.

Weniger extrem war die Entwicklung bisher in Deutschland. Die Mieten sind 15 Prozent höher als im Jahr 2015. Die Eigenheimpreise waren einmal mehr als 40 Prozent höher, nach einem historischen Preiszerfall infolge der Zinswende noch um ungefähr 20 Prozent. In der Schweiz verlief alles noch milder. Die Mieten sind um 10 Prozent höher als 2015, die Eigenheimpreise um knapp 30 Prozent.

Die Schweiz und Deutschland haben jedoch beide ein Problem. Sie haben zwar nicht die niederländische nächste Stufe der Unzufriedenheit erreicht, sind aber womöglich auf dem Weg dorthin. Denn die Umfrage des Firmenberaters Gallup spiegelt den Grad der Unzufriedenheit von 2023 wider – doch die Wohnungskrise hat sich seither weiter verschärft.

In Deutschland warnte die Wirtschaft jüngst, die Baubewilligungen fielen ins Bodenlose, was den Wohnungsbau einbrechen lassen und die bereits rekordhohe Wohnungsnot weiter verschlimmern werde.

In der Schweiz ist es nicht allzu lange her, dass die Angebotsmieten noch fielen, die Vermieter in ihren Inseraten also durchschnittlich weniger verlangten. Und es ist auch noch nicht allzu lange her, dass es ein Überangebot gab, wenn auch vielleicht in den falschen Regionen. Jedenfalls gab es so viele leere Wohnungen, wie in einer mittelgrossen Stadt – was die Angebotsmieten lange Zeit nach unten drückte.

Doch erst seit einem Jahr steigen die Angebotsmieten stark und seit einem halben Jahr laufen sie gar «aus dem Ruder», wie die Bank Raiffeisen geschrieben hat. Im ersten und im zweiten Quartal dieses Jahres sind sie jeweils um über 6 Prozent angestiegen, was eine Steigerung ist wie seit über dreissig Jahren nicht mehr.

Wie in den Niederlanden vor ein paar Jahren könnte sie also in der Schweiz erst ausbrechen, die grosse Unzufriedenheit mit den Wohnkosten. (aargauerzeitung.ch)

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60 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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kuhrix
24.09.2024 10:29registriert Juni 2014
Und unser bürgerliches Parlament weiss nichts besseres zu tun als den Mieterschutz noch weiter zu lockern.
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banda69
24.09.2024 11:14registriert Januar 2020
Und die selbst ernannte "Partei des Volchs", die steht auf der Seite der Vermieter. Und ja. Wer SVP wählt, sägt am eigenen Ast. Ausser er ist Miet-Profiteur.

Danke SVP. Für nichts. Wie immer.
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Fairness
24.09.2024 10:22registriert Dezember 2018
Da haben sie in der Schweiz definitiv die Falschen, zu viele Eigenheimbesitzer oder was auch immer befragt. Sonst sähe das Resultat anders aus.
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