Es sah lange so aus, als ob es nur noch nach oben gehen könne: Monat für Monat vermeldete das Bundesamt für Statistik (BFS) steigende Preise. Jedenfalls bis jetzt. Der für die Messung der Inflation massgebende Landesindex der Konsumentenpreise steigt nicht weiter an.
Die Nullteuerung im August im Vergleich zum Vormonat sei das Resultat gegenläufiger Preisentwicklungen, die sich gegenseitig aufgewogen haben, erklärt Corinne Becker, Leiterin Preise beim BFS. Grösster Preistreiber sind demnach die Mieten, die infolge der Referenzzinssatzerhöhung deutlich gestiegen sind. «Hier beobachten wir einen klaren Trend», sagt Becker. Etwas komplizierter ist es auf der Gegenseite: Dort gibt es keinen eindeutigen Befund, vielmehr ist es eine Vielzahl von Gütern, die in jüngster Zeit aus unterschiedlichen Gründen günstiger geworden sind.
Ab 2025 werden in der Schweiz Monatshygieneartikel für Frauen weniger stark besteuert. Statt dem regulären Tarif von 8,1 Prozent werden sie ab Januar mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 2,6 Prozent besteuert, der für Güter des täglichen Bedarfs angewendet wird. Bundesrat und Parlament sind damit nach einem jahrelangen Kampf dem Anliegen der Frauenverbände nachgekommen.
Doch Binden, Tampons oder Slipeinlagen sind jetzt schon – also vor der offiziellen Steuersenkung – günstiger geworden. Dies, weil viele Detailhändler den Preisabschlag schon vorzeitig vorgenommen haben, obwohl sie bis Ende Jahr den regulären Mehrwertsteuersatz an die Bundeskasse abliefern müssen. Den Anfang gemacht hatte im Januar Aldi, Mitte Juli folgte Coop – und nun zieht auch Denner nach.
Jene Detailhändler, die ihre Preise für die Hygieneartikel schon vorgenommen haben, werden aber dann per Anfang Jahr nicht noch einmal das Preisschild anpassen.
Den Anfang machte Aldi: Der Harddiscounter kündigte Preisreduktionen von bis 36 Prozent an für Frischfleisch von Rind, Geflügel, Schwein oder Lamm. So kosten 500 Gramm Rindshackfleisch neu noch 5.99 Franken – knapp 2 Franken weniger als zuvor. Ein Kilo Poulet-Oberschenkel vergünstigt Aldi um 35 Prozent auf 5.49 Franken. Und das Schweinsfilet à 100 Gramm gibt es für 2.99 statt wie bisher für 3.99 Franken. Kurz darauf doppelte Denner nach mit Preisnachlässen von rund 25 Prozent auf Rindshackfleisch. Mittlerweile ist auch Coop nachgezogen: Der Detailhändler kündigte diese Woche in seiner Zeitung an, den Kilopreis für Hackfleisch aus den baltischen Staaten um einen Viertel zu senken. Günstiger werden auch Schweizer Pouletschenkel (-6,3 Prozent) und Schweinsfilet (-25 Prozent).
Bei der Branchenorganisation Proviande zeigt man sich «überrascht» ob den Ankündigungen des Hartdiscounters. Denn ihre aktuellen Zahlen deuten in eine andere Richtung, wie Stefan Muster von Proviande betont. So sind die Kilopreise, welche die Schlachthöfe den Bauern bezahlen, seit Anfang Jahr tendenziell gestiegen. Beim Rindfleisch um rund 1 Prozent, wie Muster anfügt.
Vorreiter Aldi erklärt die «dauerhaften» Preissenkungen beim Fleisch mit den «ohnehin schlanken Strukturen und Prozessen», die laufend optimiert würden. Klar ist aber auch: Aldi will wachsen – auf Kosten der Mitbewerber im In- und Ausland. «Mit den Preisanpassungen wollen wir den Schweizer Wirtschaftsstandort im Hinblick auf den Einkaufstourismus stärken und Neukundschaft gewinnen», heisst es bei der Aldi-Medienstelle. Der Kampf ist lanciert.
Deutlich günstiger geworden sind auch sogenannte Fruchtgemüse, also Tomaten, Zucchetti, Auberginen oder Peperoni. Die Preise lagen im August gemäss den Zahlen des Bundesamtes für Statistik um 3,3 Prozent tiefer als Vormonat und um 11,2 Prozent tiefer als im Vorjahresmonat. Bei den Melonen und Trauben beträgt der Preisabschlag gar 7,8 Prozent respektive 15,5 Prozent.
Christian Sohm, Chef des Verbands des Früchte-, Gemüse- und Kartoffelhandels Swisscofel, will aus einer einzelnen Monatsstatistik noch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Die Ernten 2024 seien zwar etwas besser als jene im «schlechten» 2023, was das Preisniveau leicht senken dürfte. Aber der Hauptgrund für die beobachteten Preisabschläge erkennt Sohm in den grossen Sommeraktionen.
Und solche hat es gegeben – respektive es musste sie geben aufgrund des schlechten Wetters, das bis in den Juli hinein angedauert hat. «Wenn es kalt ist und regnet, dann kaufen die Menschen nun mal keine Melonen», sagt Sohm. Die Folge sei ein Angebotsüberschuss, der dann zu einem generell tieferen Preisniveau führe und zu grosszügigen Aktionen. Und diese hinterliessen dann wiederum ihre Spuren in der Statistik.
Auch tanken wurde günstiger. Gegenüber dem Vormonat und dem Vorjahresmonat sank der Benzinpreis im August um 0,5 respektive 1,9 Prozent. Das Heizöl wurde gar um 6,4 respektive 12,6 Prozent billiger.
An der Zapfsäule bedeutet das konkret: Der Liter Bleifrei kostet derzeit 1.77 Franken, Diesel 1.82 Franken. «In den letzten 2 Wochen sind die Treibstoffpreise sukzessive zurückgegangen», sagt TCS-Sprecherin Vanessa Flack. «Der Benzinpreis ist wieder auf dem Niveau von Ende Januar 2024.» Der Preis für Diesel sei um 12 Rappen pro Liter niedriger als Ende Januar und damit so niedrig wie noch nie in diesem Jahr. «In unseren Preisnotierungen lag der Preis für Diesel zuletzt im Januar 2022 auf dem heutigen Niveau.» Der Grund für den Preisrückgang ist der Rohölpreis, der auf etwa 71 Dollar pro Fass gesunken ist. Entscheidend für die Preisbildung in der Schweiz sind zudem die Börsenpreise sowie die Tarife für die Rheinschifffahrt.
Ferien machen mit dem Flieger wird erschwinglicher. Im August lag das Preisniveau gemäss den neusten BFS-Zahlen 6,7 Prozent tiefer als noch im Juli – und auch 0,1 Prozent billiger als noch vor einem Jahr. Eine Beobachtung, die von den Reisebüros geteilt wird. «Bei den Flugpreisen sehen wir, dass diese in diesem Jahr tiefer liegen als im letzten Jahr», sagt etwa Hotelplan-Kommunikationschefin Muriel Wolf Landau.
Bei den Kosten für die Unterkunft oder auch Aktivitäten vor Ort ist der Befund nicht eindeutig und hängt vom Reiseziel ab. «Diesen Sommer zum Beispiel fielen die Preise in Palma de Mallorca, Teneriffa oder Antalya leicht höher aus, tiefer waren sie dagegen in Djerba, Kos oder Zypern», ergänzt Wolf Landau. Und während etwa Türkei-Ferien aufgrund der hohen Inflation dort in den letzten zwölf Monaten um rund 10 Prozent teurer geworden seien, sei das Preisniveau in Tunesien noch immer etwa gleich hoch wie vor der Pandemie.
Diese unterschiedlichen Preisentwicklungen wirken sich denn auch auf das Buchungsverhalten der Kunden aus. Tunesien sei in diesen Herbst «eine sehr beliebte Destination bei den Schweizerinnen und Schweizer», sagt Wolf Landau. Hotelplan verzeichne «für Tunesien ein deutliches Buchungsplus im zweistelligen Bereich».
Mittel- und langfristig hingegen dürften die Flugticketpreise «generell teurer werden». Das jedenfalls erwartet man bei der Swiss. Die Airline begründet ihre Annahme damit, dass «insbesondere das Engagement für mehr Nachhaltigkeit mit hohen Investitionen und Kosten verbunden ist».