Tatjana Staub ist eine Zahnärztin mit einer Praxis im Zürcher Niederdorf. Sie erzählt im Gespräch mit watson, was das Coronavirus bei ihr verändert hat.
Das Coronavirus ist auch in meiner Praxis ein Thema. Wir hatten vor einigen Tagen drei Terminabsagen. Es waren ältere Leute, die sich Sorgen gemacht hatten. Das hat schon auch finanzielle Fragen aufgeworfen: Was passiert, wenn die Praxis schliessen muss? Meine Versicherung teilte mir mit, dass sie in einem solchen Fall nicht einspringen würde.
Die Absagen häuften sich zum Glück nicht. Die Patientinnen und Patienten, die zu ihren Terminen kamen, zeigten kein Anzeichen von Panik – im Gegenteil. Sie befolgen die Verhaltensempfehlungen, verzichten aufs Händeschütteln und verwenden das Desinfektionsmittel, das wir am Eingang der Praxis aufgestellt haben.
Hilfe bekommen wir zudem von der Zahnärztegesellschaft. Sie informieren uns regelmässig mit Informationsschreiben über die aktuelle Lage und weisen uns darauf hin, was das etwa für medizinisches Material bedeutet.
Ursina* arbeitet als Kommunikationsexpertin in der Finanzbranche. Sie ist zuständig für die interne und externe Kommunikation. Seit einigen Tagen ist sie auch Teil der Taskforce «Coronavirus» ihrer Firma.
Die aktuelle Phase erlebe ich als sehr intensiv. Seit wir die Taskforce eingerichtet haben, muss ich täglich die Lageentwicklung im Auge behalten. Die Massnahmen und Verhaltensregeln können sich sehr schnell ändern.
Wir mussten bereits Veranstaltungen absagen. Einige davon plant mein Team seit über einem Jahr. Wir haben sehr viele schöne Ideen entwickelt, monatelang viel Herzblut investiert. Es tut dann schon sehr weh, wenn dann ein solcher Event abgesagt wird.
Die Behörden geben sich grosse Mühe, um up-to-date zu sein und in aller Ruhe zu informieren. Ich denke aber, dass es gerade in meiner Funktion wichtig ist, auch andere Informationsquellen zu suchen – schliesslich bin ich keine Virologin. Ich lese die Beurteilungen der WHO und von anderen Gesundheitsinstitutionen. Zudem pflegen wir branchenintern einen intensiven Kontakt. Solche Kontakte sind sehr wichtig, um eigene Einschätzungen auszutauschen.
Regierungspräsidentin Heidi Hanselmann ist seit 2004 Gesundheitschefin des Kantons St. Gallen. Seit dem letzten Jahr präsidiert sie zudem die kantonale Konferenz der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK).
Das Coronavirus hat ziemlich viel auf den Kopf gestellt. Wir haben zwar eine gewisse Übung durch den Ausbruch der Vogelgrippe und von SARS vor ein paar Jahren, aber das Coronavirus bringt nochmals eine neue Dimension.
In meinen 16 Jahren als Gesundheitsdirektorin habe ich die Stufe «besondere Lage» noch nie erlebt. Diese besondere Situation erfordert viel Koordinations- und Informationsarbeit. Zudem ist in dieser neuen Lage noch vieles unbekannt. Da sich die Situation immer wieder ändert, ist eine rasche und enge Kommunikation wichtig. Ich kann auf ein äusserst professionelles Team im Gesundheitsdepartement zählen. Das hilft enorm. Zudem stehe ich im direkten Austausch mit Bundesrat Alain Berset und seiner Crew.
Wir setzen alles daran, dass wir die aktuelle Situation mit Sorgfalt und professionell bewältigen können. Die Lage ist ernst, Panik ist aber nicht angesagt. Wir arbeiten mit Hochdruck, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen und zu verlangsamen. Oberste Priorität hat für uns der Schutz der Bevölkerung. Damit das gelingt, müssen alle mithelfen. Es ist darum wichtig, dass Massnahmen wie Abstandhalten und sorgfältige Handhygiene befolgt werden.
Simon* ist Student aus dem Kanton Graubünden. Letzte Woche wurde er für den Zivilschutz-Dienst aufgeboten. Er hätte eine Weiterbildung besuchen sollen – stattdessen durfte er Atemschutzmasken transportieren.
Unser Job war, Atemschutzmasken in einem Reservelager abzuholen und sie an Arztpraxen zu liefern, die sie bestellt hatten. Ich habe mich gewundert, wieso der Zivilschutz statt die Post den Schutzmasken-Kurier machen muss.
Am Nachmittag halfen wir in der Einsatzzentrale des Kantons aus und beantworteten Anfragen aus der Bevölkerung und der Wirtschaft. Man merkte schon, dass da grosse Verunsicherung herrscht. Ein Touristenpaar fragte etwa, ob der Skiurlaub ausfällt. Positiv überrascht hatte mich aber, dass die Behörden gut vorbereitet waren. Wenn wir etwas nicht wussten, fanden unsere Vorgesetzten innerhalb von wenigen Minuten die richtige Antwort.
Stefanie* ist medizinische Praxisassistentin im Raum Luzern. Sie erzählt, wie sie panische Menschen erlebt hat und was sie von «selbsternannten Facebook-Virologen» hält.
Ich nehme das Coronavirus sehr ernst und ich bin dem Arzt sehr dankbar, dass er mir erklärt hat, wieso man die «Panikmache» nicht verteufeln darf. Als MPA begegne ich immer wieder Menschen, die sich sehr schnell einbilden, dass sie sich das Schlimmste geholt haben.
Was mich aber momentan sehr ärgert, ist, dass einige wenige Menschen wegen der Verunsicherung völlig unüberlegt handeln. Ein «Patient» kam letzte Woche drei Mal vorbei, obwohl er gar keine Symptome hatte. Er sprach mich sogar am Wochenende in der Stadt an und fragte im vollen Ernst nach einer Maske. Auf der anderen Seite verbreiten selbsternannten Virologen Verschwörungstheorien oder verharmlosen die Gefahr. Solche Leute machen sich mitverantwortlich, dass Spitäler oder Hausärzte momentan am Limit arbeiten.
Marc Probst ist Geschäftsführer der Smartec, eines Aargauer Unternehmens, das sich auf Veranstaltungstechnik spezialisiert hat.
Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rüsten Veranstaltungen mit Ton, Licht und Video aus. Der Entscheid des Bundesrates, grössere Veranstaltungen zu verbieten und kleinere Veranstaltungen einzuschränken, hat die Event-Branche besonders getroffen.
Seit letztem Freitag steht alles still, ich musste rund 60 Mitarbeiter nach Hause schicken. Die Lage ist in unserer Branche sehr ernst – wir sind wohl zurzeit am stärksten von den Einschränkungen betroffen. Das merke ich im direkten Kontakt mit unseren Kundinnen und Kunden: Dort herrscht grosse Unsicherheit. Uns erreicht eine Absage nach der anderen. Den finanziellen Druck, mit dem die Branche zu kämpfen hat, spüren auch wir.
Wir werden in den nächsten Tagen das Gespräch mit den Behörden suchen. Ich hoffe, dass wir Unterstützung bekommen, damit wir die Arbeitsplätze erhalten können.
* einige Personen wollten ihre Sicht nur anonym erzählen. watson hat ihre Namen abgeändert
Ich darf wie viele meiner Kollegen diese Woche von zu Hause aus arbeiten, das gabs bis jetzt noch nie.
Die müssen nun im nullkommanix für die ganze Belegschaft Home Office, Online Collaboration etc. aus dem Boden stampfen...