Schweiz
Wirtschaft

Erstmals seit 2009 gibt es weniger leere Wohnungen: Das sind die Folgen

Erstmals seit zwölf Jahren gibt es weniger leere Wohnungen: Das sind die Folgen

Jedes Jahr mehr leere Wohnung, jedes Jahr tiefere Mieten: Das war jahrelange zu beobachten, nun ist es damit vorbei.
14.09.2021, 06:49
Niklaus Vontobel / ch media
Mehr «Schweiz»

Es hat in der Schweiz aktuell weniger unbewohnte Wohnungen als im Vorjahr. Diese Nachricht vermeldete gestern das Bundesamt für Statistik. Seiner jährlichen Vollerhebung zufolge gab es zuletzt 7467 leere Wohnungen weniger. Das entspricht einem Rückgang von fast 9.5 Prozent. Auch die sogenannte Leerwohnungsziffer ging zurück. Gemessen am Gesamtbestand aller Wohnungen wartete ein Anteil von 1.54 Prozent auf Bewohner. Ein Jahr zuvor stand diese viel beachtete Kennzahl noch bei 1.72 Prozent.

Wohnen wird immer teurer: eine Wohnungsbesichtigung in Z
Man kennt es: Stau bei einer Wohnungsbesichtigung in Zürich.Bild: sda

Damit ist es am Wohnungsmarkt zu einer abrupten Trendwende gekommen. Ab dem Jahr 2009 vermeldete das Bundesamt für Statistik noch Jahr für Jahr mehr leere Wohnungen. Ein Rekord jagte den nächsten. Vor allem ab 2013 ging die Kurve steil nach oben. Damals standen 40'000 Wohnungen leer. Sieben Jahre später, im Jahr 2020, waren es schon nahezu 79'000 Wohnungen – fast doppelt so viele.

Im Jahr 2021 ist es vorbei mit den Rekorden. Erstmals seit 2013 sind weniger Wohnungen frei als im Vorjahr. Das Bundesamt für Statistik meldete: «Erster Rückgang der Leerwohnungsziffer seit zwölf Jahren.»

Bild

Eine Geisterstadt in der Grösse von Bern

Nur ist es eine Wende in sehr luftiger Höhe. Gemäss den Statistikern in Bundesbern wurden am 1. Juni 2021 trotz des Rückgangs noch immer 71'365 leere Wohnungen gezählt. Wie gross diese Zahl ist, lässt sich gut mit einem Vergleich illustrieren.

Im Frühling 2019 warnte der damalige Chef der Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma, Mark Branson: «Stellen Sie sich eine Geisterstadt vor in der Grösse von Bern oder Lausanne oder dem gesamten Kanton Schwyz, in dem jede einzelne Wohnung leer steht.» Als Branson seine Rede hielt, standen rund 70'000 Wohnungen leer. Aktuell sind es noch etwas mehr. In der Schweiz steht also eine Geisterstadt voll leerer Wohnungen, nur ist sie etwas kleiner geworden.

Zuvor sanken die Mieten um fast 10 Prozent

Welche Folgen hat diese Wende zu einer etwas kleineren Geisterstadt? In den Jahren ab 2013, als ständig mehr Wohnungen leer standen, gerieten die Mieten unter Druck. Für Wohnungen, die neu angeboten wurden, zahlte man darum weniger Miete als ein paar Jahre zuvor. Der entsprechende Index des Immobilienberaters Wüest Partner zeigte eine deutliche Mietsenkung: für die gesamte Schweiz durchschnittlich um fast 10 Prozent im Vergleich zum Jahr 2015.

Damit lebte es sich als Mieter besser als in den Jahren von 2005 bis 2015: Damals wurden neu ausgeschriebene Wohnungen jährlich immer noch ein bisschen teurer. Am besten war es vielleicht im Jahr 1998, als die Leerwohnungsziffer ihren bis heute unerreichten Rekordstand erreichte. Damals titelte die Boulevardzeitung «Blick»: «Jetzt ist der Mieter König».

Noch keine Trendwende

Kommt es erneut zur Trendwende bei den Mieten? Nun da für weniger Wohnungen nach Mietern oder Käufern gesucht wird, müsste es eigentlich eine Trendwende geben. Gibt es aber nicht, oder zumindest noch nicht. So lässt sich die Einschätzung von Fabian Waltert zusammenfassen, Ökonom bei der Grossbank Credit Suisse.

Waltert hat sich alle möglichen Indizes angeschaut zu den Mieten von ausgeschriebenen Wohnungen. Je nach Index würden die Mieten sinken oder nur sehr zögerlich steigen. «Doch von einer Aufwärtstendenz aufgrund von sinkenden Leerständen ist in den Zahlen noch gar nichts zu sehen.»

Eine besondere Variante von Trendwende

Das könnte sich ändern. Waltert sagt, an sich wäre ein Wandel bei den Mieten nur folgerichtig. Denn immerhin sei die Nachfrage nach Wohnraum durchgehend hoch geblieben in der Pandemie. Und das Angebot hielt längst nicht Schritt, wie sich an den Baubewilligungen zeigte. Auf dem Bau erzwang die Pandemie teils Verzögerungen. Waltert sagt darum: «Es wäre sehr erstaunlich, wenn all dies sich nicht auf die Mieten auswirken würde.»

Doch sei schwer vorhersehbar, wann es so weit sein könnte. Waltert wagt dennoch eine Prognose: Gegen Ende Jahr werden die Mieten im schweizerischen Mittel zwar noch weiter sinken – jedoch weniger stark. Demnach würden die Mieter vorerst nicht allzu viel zu spüren bekommen. Eine echte Trendwende wäre das nicht.

Hinter dem nationalen Schnitt verbergen sich wie immer einige Unterschiede. An den attraktivsten Standorten in der Agglomeration könnten die Mieten auch wieder steigen. In anderen Regionen jedoch stehen nach wie vor zu viele Wohnungen leer. Zu viele Vermieter müssen um zu wenige Mieter konkurrieren.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Du denkst, dein Mitbewohner ist faul? Mitnichten. Diese 19 Typen hier toppen alles
1 / 21
Du denkst, dein Mitbewohner ist faul? Mitnichten. Diese 19 Typen hier toppen alles
Auf Facebook teilenAuf X teilen
9 Nachbars-Typen, die du hoffentlich NICHT hast
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
20 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Verbesserer
14.09.2021 07:42registriert Mai 2020
Mag sein das die Mieten in den besagten Jahren gesunken sind, dennoch empfinden viele Mieter das Gegenteil. Wieso werden nicht die Mieter gefragt.
In unserem Dorf sind kürzlich neue Wohnungen gebaut worden, die doppelt so teuer verkauft werden als meine vor 15 Jahren.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass solche Wohnungen zu bezahlbaren Mieten für die meisten von uns gebaut werden.
Aber wer fragt schon mich als Experte der von der Sache nichts weiss. Ich beobachte nur.
453
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mr. Stärneföifi
14.09.2021 07:35registriert November 2016
Hat man wohl in der ganzen Home-Office, Lockdown, Kurzarbeitszeit gemerkt, dass die WG oder der/die Partner*in doch nicht passt. Man merkt halt mehr bei 24/7. „Ufenand goht‘s aber Nebenand nööd“
393
Melden
Zum Kommentar
avatar
Aeschiii
14.09.2021 08:28registriert Juni 2018
Im Jahr 2020 gingen wohl auch viele Beziehungen und WGs in die Brüche wegen dem Lockdown und den 'Bleiben Sie Zuhause' - Aufrufen. Das würde auch erklären, wieso weniger Wohnungen verfügbar sind. Ich wohnte in einer 3er WG anfang 2020 & jetzt wohnen alle drei alleine für sich...
362
Melden
Zum Kommentar
20
Wunder wiederholen sich selten: Die Prämieninitiative wird es schwer haben
Mit der Prämienentlastungs-Initiative könnte der Linken am 9. Juni ein weiterer Coup gelingen. Der Weg zu einem Ja ist jedoch steiniger als bei der 13. AHV-Rente.

Viele Bürgerliche und Wirtschaftsvertreter erlebten am 3. März ihr blaues – oder rotes – Wunder. Erstmals überhaupt wurde eine von links lancierte Volksinitiative für einen Ausbau des Sozialstaats angenommen. Manche «Verlierer» haben das Ja zur 13. AHV-Rente bis heute nicht verdaut. Und am 9. Juni droht bereits der nächste sozialpolitische Hammer.

Zur Story