Es hat in der Schweiz aktuell weniger unbewohnte Wohnungen als im Vorjahr. Diese Nachricht vermeldete gestern das Bundesamt für Statistik. Seiner jährlichen Vollerhebung zufolge gab es zuletzt 7467 leere Wohnungen weniger. Das entspricht einem Rückgang von fast 9.5 Prozent. Auch die sogenannte Leerwohnungsziffer ging zurück. Gemessen am Gesamtbestand aller Wohnungen wartete ein Anteil von 1.54 Prozent auf Bewohner. Ein Jahr zuvor stand diese viel beachtete Kennzahl noch bei 1.72 Prozent.
Damit ist es am Wohnungsmarkt zu einer abrupten Trendwende gekommen. Ab dem Jahr 2009 vermeldete das Bundesamt für Statistik noch Jahr für Jahr mehr leere Wohnungen. Ein Rekord jagte den nächsten. Vor allem ab 2013 ging die Kurve steil nach oben. Damals standen 40'000 Wohnungen leer. Sieben Jahre später, im Jahr 2020, waren es schon nahezu 79'000 Wohnungen – fast doppelt so viele.
Im Jahr 2021 ist es vorbei mit den Rekorden. Erstmals seit 2013 sind weniger Wohnungen frei als im Vorjahr. Das Bundesamt für Statistik meldete: «Erster Rückgang der Leerwohnungsziffer seit zwölf Jahren.»
Nur ist es eine Wende in sehr luftiger Höhe. Gemäss den Statistikern in Bundesbern wurden am 1. Juni 2021 trotz des Rückgangs noch immer 71'365 leere Wohnungen gezählt. Wie gross diese Zahl ist, lässt sich gut mit einem Vergleich illustrieren.
Im Frühling 2019 warnte der damalige Chef der Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma, Mark Branson: «Stellen Sie sich eine Geisterstadt vor in der Grösse von Bern oder Lausanne oder dem gesamten Kanton Schwyz, in dem jede einzelne Wohnung leer steht.» Als Branson seine Rede hielt, standen rund 70'000 Wohnungen leer. Aktuell sind es noch etwas mehr. In der Schweiz steht also eine Geisterstadt voll leerer Wohnungen, nur ist sie etwas kleiner geworden.
Welche Folgen hat diese Wende zu einer etwas kleineren Geisterstadt? In den Jahren ab 2013, als ständig mehr Wohnungen leer standen, gerieten die Mieten unter Druck. Für Wohnungen, die neu angeboten wurden, zahlte man darum weniger Miete als ein paar Jahre zuvor. Der entsprechende Index des Immobilienberaters Wüest Partner zeigte eine deutliche Mietsenkung: für die gesamte Schweiz durchschnittlich um fast 10 Prozent im Vergleich zum Jahr 2015.
Damit lebte es sich als Mieter besser als in den Jahren von 2005 bis 2015: Damals wurden neu ausgeschriebene Wohnungen jährlich immer noch ein bisschen teurer. Am besten war es vielleicht im Jahr 1998, als die Leerwohnungsziffer ihren bis heute unerreichten Rekordstand erreichte. Damals titelte die Boulevardzeitung «Blick»: «Jetzt ist der Mieter König».
Kommt es erneut zur Trendwende bei den Mieten? Nun da für weniger Wohnungen nach Mietern oder Käufern gesucht wird, müsste es eigentlich eine Trendwende geben. Gibt es aber nicht, oder zumindest noch nicht. So lässt sich die Einschätzung von Fabian Waltert zusammenfassen, Ökonom bei der Grossbank Credit Suisse.
Waltert hat sich alle möglichen Indizes angeschaut zu den Mieten von ausgeschriebenen Wohnungen. Je nach Index würden die Mieten sinken oder nur sehr zögerlich steigen. «Doch von einer Aufwärtstendenz aufgrund von sinkenden Leerständen ist in den Zahlen noch gar nichts zu sehen.»
Das könnte sich ändern. Waltert sagt, an sich wäre ein Wandel bei den Mieten nur folgerichtig. Denn immerhin sei die Nachfrage nach Wohnraum durchgehend hoch geblieben in der Pandemie. Und das Angebot hielt längst nicht Schritt, wie sich an den Baubewilligungen zeigte. Auf dem Bau erzwang die Pandemie teils Verzögerungen. Waltert sagt darum: «Es wäre sehr erstaunlich, wenn all dies sich nicht auf die Mieten auswirken würde.»
Doch sei schwer vorhersehbar, wann es so weit sein könnte. Waltert wagt dennoch eine Prognose: Gegen Ende Jahr werden die Mieten im schweizerischen Mittel zwar noch weiter sinken – jedoch weniger stark. Demnach würden die Mieter vorerst nicht allzu viel zu spüren bekommen. Eine echte Trendwende wäre das nicht.
Hinter dem nationalen Schnitt verbergen sich wie immer einige Unterschiede. An den attraktivsten Standorten in der Agglomeration könnten die Mieten auch wieder steigen. In anderen Regionen jedoch stehen nach wie vor zu viele Wohnungen leer. Zu viele Vermieter müssen um zu wenige Mieter konkurrieren.
In unserem Dorf sind kürzlich neue Wohnungen gebaut worden, die doppelt so teuer verkauft werden als meine vor 15 Jahren.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass solche Wohnungen zu bezahlbaren Mieten für die meisten von uns gebaut werden.
Aber wer fragt schon mich als Experte der von der Sache nichts weiss. Ich beobachte nur.