Schweiz
Wirtschaft

Inserate locken mit Umzug in «Steueroase» – davon profitieren nur Reiche

Ein Fake-Umzug, um Steuern zu sparen: Warum das für Wohlhabende so viel einfacher ist

Wer in Bern wohnt, zahlt fast dreimal so viel Steuern wie in Zug. Dubiose Anbieter vermieten darum ihre Briefkästen in steuergünstigen Gemeinden. So einfach ist die Sache mit Scheindomizilen aber nicht – für Normalverdiener.
15.11.2023, 05:0008.12.2023, 11:25
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Für einen durchschnittlichen Schweizer Haushalt spielt es eine Rolle, ob man jährlich 5’000, 10’000 oder 15’000 Franken an Steuern bezahlt. Nebst Abzügen, die man selbst geltend machen kann, ist jedoch der Wohnort für den Steuerbetrag entscheidend.

Besonders teuer wird es für Personen aus der Westschweiz: So lagen 2022 die höchsten Steuern für Privatpersonen im Kanton Neuenburg. Rund 17’000 Franken bezahlte ein Haushalt mit einem Netto-Einkommen von 80’000 Franken etwa in der Gemeinde Enges, die zwischen dem Bieler- und Neuenburgersee liegt.

Ganz anders sieht es aus in Baar im Kanton Zug, wo derselbe Haushalt insgesamt Steuern von rund 5000 Franken bezahlen muss. Tausend Franken pro Monat weniger. Wie verlockend scheint es darum für eine Neuenburger Familie zu sein, ihren Wohnsitz in die Innerschweiz zu wechseln – zumindest auf dem Papier? Genau dafür werben dubiose Anbieter auf Wohnportalen wie Homegate oder Flatfox.

«Domizil in Steueroase»

In steuergünstigen Gemeinden wie im Kanton Zug oder Schwyz häufen sich gegen Jahresende «Wohnungsinserate», in denen mit einem «Domizil-Wechsel in ein Steuerparadies» geworben wird. Manchmal wird am Anfang etwas subtiler noch von einem Zimmer für «Businessmenschen» gesprochen.

Inserat Homegate
«Hauptwohnsitz im steuergünstigen Kanton Schwyz». Bild: screenshot

Doch andere machen keinen Hehl daraus, dass sie nur einen Briefkasten vermieten wollen, damit andere Steuern sparen. Laut der Wohnungsplattform Homegate seien solche Inserate mit «widerrechtlichem Inhalt nicht erlaubt» und würden gelöscht. Dennoch ploppen sie immer wieder auf.

watson hat einen Anbieter aus Freienbach SZ angeschrieben, der so ein Inserat auf Homegate veröffentlichte. Sofort wurde per E-Mail ein Link zugestellt, mit der Frage, ob man ein Zimmer benötige oder einfach den Wohnsitz, das Domizil, wechseln möchte. Weitere Nachfragen blieben unbeantwortet. Ist es wirklich so einfach, mit einem Scheindomizil Steuern zu sparen?

Inserat
Nur Domizil-Wechsel: Mit einem Fragebogen holen dubiose Anbieter Interessenten ab.Bild: screenshot

Der Graubereich

«Nur einen Briefkasten zu mieten, ist eine klare Steuerhinterziehung und auch heikel für Personen, welche solche Briefkästen im Internet anbieten», sagt Philipp Zünd, Steuerexperte bei KPMG, auf Anfrage von watson. Es gebe jedoch einen rechtlichen «Graubereich».

Zünd, der vermögende Privatpersonen berät, führt aus: «Es ist nicht verboten, eine Wohnung in Zürich als Ferienwohnung zu deklarieren und eine neue Wohnung im steuergünstigen Zug zu mieten.» Diese kostenintensive Option fällt zwar für Normalverdiener weg, aber nicht für wohlhabende Personen. Der Graubereich liege darin, festzustellen, wo genau der Lebensmittelpunkt sei. «Es geht um das Gesamtbild.» Wenn etwa die Kinder im steuergünstigeren Kanton in die Schule gehen, dürfte ein effektiver Domizil-Wechsel vorliegen. Ein weiterer Hinweis sei, wenn man alles auf die neue Adresse umgemeldet habe, regelmässig vor Ort einkaufen gehe und lokalen Vereinen beitrete.

Die Ortschaften Wollerau, Baech, Freienbach, Feusisberg und Pfaeffikon im Kanton Schwyz und Rapperswil im Kanton St. Gallen, aufgenommen am 5. November 2010.
Beliebte und steuergünstige Wohngegend: Schwyzer Ufer des Zürichsees. Bild: keystone/Alessandro Della Bella

Für den Steuerexperten ist aber klar: «Wenn unsere Kunden ihr Domizil ändern möchten, raten wir ihnen dringend, auch effektiv dorthin zu ziehen. Sonst ist das Risiko empfindlicher Strafsteuern gross.» Es gebe genügend legale Wege, wie Privatpersonen ihre Steuern optimieren können – etwa indem sie die Renovationskosten bei Wohneigentum abziehen oder in die dritte Säule oder Pensionskasse einzahlen.

«Scheindomizil fast nicht nachzuweisen»

Für die Schweizer Durchschnittsfamilie aus dem Kanton Neuenburg lohnt es sich also nicht, in Zug oder Schwyz einen Briefkasten oder gar ein Zimmer zu mieten. Zu hoch sind die rechtlichen und finanziellen Hürden.

Aber das gilt nicht für alle Menschen. Auf Anfrage von watson schreibt die Stadt Zürich: «Wenn das Steueramt Anhaltspunkte dafür erhält, dass eine Person ihren Wohnsitz oder Sitz tatsächlich in der Stadt Zürich hat, diesen aber nicht angibt, führt das Steueramt im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten vertiefte Abklärungen durch. Jährlich sind das 25 bis 30 Fälle.» Rund die Hälfte davon ergebe eine tatsächliche Steuerpflicht in der Stadt. Ob dies vorwiegend vermögende Personen sind, schreibt die Stadt nicht.

Konkreter wird dafür die Schwyzer Gemeinde Freienbach am Zürichsee, sie schreibt auf Anfrage: «Wenn gut situierte Personen eine Wohnung mieten, dort für regelmässigen Strom- und Wasserverbrauch sorgen, ist ein Scheindomizil fast nicht nachzuweisen.» Zahlen dazu habe die Gemeinde aber keine.

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256 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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AFK
15.11.2023 05:48registriert Juni 2020
Fehler im Artikel: in BE 3x mehr Steuern als in Zug? Nein, es können locker 5, 6 mal mehr sein wenn man eine Familie rechnet. Und es gibt genug legale Möglichkeiten Steuern zu sparen? Nein, nicht wirklich, die möglichen Abzüge sind pipifax. Persönlich kann ich also einen virtuellen Umzug irgendwie nachvollziehen. Das Problem sind nicht die Leute die das tun, sondern das System in der CH welches solche Steueroasen zulässt.
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lumpensammlerin
15.11.2023 07:37registriert Mai 2019
Legale Option, um als Privatperson Steuern zu optimieren: Renovationskosten bei Wohneigentum abziehen 😂😭

Hat ja jeder Wohneigentum. Und kann auch noch jedes Jahr die Wohnung renovieren. Ach, es sind gar nicht alle Menschen so wohlhabend? /ironie off
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bcZcity
15.11.2023 05:43registriert November 2016
Wie sagt man so schön: Von den Reichen lernt man (Steuern) sparen.

Steuerflüchtlinge werden durch den Wettbewerb natürlich gezüchtet bei uns, obwohl die CH allgemein moderate Steuern hat, auch wenn manche wirtschaftsfreundliche Partei etwas anderes behauptet.
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