Norwegens Regierung unter Jonas Gahr Störe erhöhte im November 2022 die Steuern für Superreiche. Unter anderem wurde der maximale Vermögenssteuersatz von 1,0 Prozent auf 1,1 Prozent erhöht. Scheint nicht tragisch, doch kostet es einige Norwegerinnen und Norweger zu viel. Sie suchen das Weite und landen oft in der Schweiz.
Die Einwanderung von Norwegen in die Schweiz war jahrelang relativ stabil. Gemäss dem Staatssekretariat für Migration (SEM) wanderten vom Mai 2017 bis April 2022 im Durchschnitt etwa 200 Personen jährlich von Norwegen in die Schweiz aus. Im Zeitraum zwischen September 2022 und April 2023 sind es plötzlich 315 Personen, welche die Schweiz zu ihrem ständigen oder temporären Wohnort machen.
In Sachen Auswanderung in die Schweiz hat Norwegen zwischen September 2022 und April 2023 seine skandinavischen Nachbarn Dänemark (292 Personen) und Finnland (306 Personen) eingeholt. Und sicherlich nicht zuletzt dank der Auswanderungswelle von norwegischen Superreichen.
Der Wegzug vieler reicher Norwegerinnen und Norweger kommt nach diversen Steuererhöhungen, unter anderem der Vermögenssteuer. Diese wurde für Individuen mit einem Vermögen von über 20 Millionen norwegischen Kronen (rund 1,7 Millionen Franken) oder über 40 Millionen (rund 3,4 Millionen Franken) für Paare um 0,4 Prozent erhöht. Die maximale Vermögenssteuer liegt nun bei 1,1 Prozent. Dazu kommen eine Erhöhung des Steuersatzes auf Dividenden und Kapitalerträge aus Aktien von 35,2 auf 37,8 Prozent.
Norwegen zählt zu einem von fünf Ländern in Europa, welches eine Vermögenssteuer erhebt. Zu ihnen gehören nebst Norwegen auch Frankreich, Luxemburg, Spanien und die Schweiz. Trotzdem lohnt sich ein Umzug in die Schweiz, sagt Immobilien-Millionär Tord Ueland Kolstad gegenüber der NZZ. Kolstad spart sich gemäss eigenen Aussagen rund 1,2 Millionen Franken Steuern im Jahr.
Das Problem bestehe primär darin, so Kolstad, dass er 100 Prozent seines Unternehmens alleine besitzt und dementsprechend sein ganzes Vermögen in Anteilen in seiner Firma steckt. Um die hohen norwegischen Steuern bezahlen zu können, müsste er einen Kredit aufnehmen oder sich Dividenden nehmen, auf die auch wiederum Steuern erhoben werden.
Ein Anstieg der Steuern um 0,1 Prozent scheint nicht weiter tragisch, doch sehen sich viele reiche Norwegerinnen und Norweger «gezwungen», in ein Land mit tieferen Steuern umzusiedeln. Zu den prominentesten, oder zumindest reichsten, Zuzügerinnen und Zuzügern gehört Kjell Inge Rökke. Gemäss «Kapital» war Rökke die siebtreichste in Norwegen lebende Person. Der durch Offshore-Geschäfte in Fischerei, Öl und Energie reich gewordene – und 2005 wegen Korruption verurteilte – Rökke stieg schon im September 2022 in ein Flugzeug in die Schweiz.
Nun lebt Rökke in Lugano. In einem offenen Brief an die Aktionärinnen und Aktionäre schrieb er, die schwierige Entscheidung getroffen zu haben, von Asker (Norwegen) nach Lugano zu ziehen. Das Familienunternehmen TRG und alle Aker-Firmen bleiben in Norwegen. Gemäss «Dagens Næringsliv» verliert Norwegen durch Rökkes Umzug schätzungsweise 175 Millionen norwegische Kronen (fast 15 Millionen Franken) an jährlichen Steuereinnahmen.
Auf Platz 2 nach Vermögen liegt laut «Forbes» Caroline Hagen Kjos, die Tochter des norwegischen Milliardärs Stein Erik Hagen. Hagen Kjos ist bereits seit mehreren Jahren in Wollerau sesshaft. Ihr Umzug kam nicht direkt als Konsequenz der Steuererhöhungen, sondern sie und ihre Familie profitieren seit Jahren von Steuervorteilen durch den Devisentransfer aus Norwegen in die Schweiz, wie «Dagens Næringsliv» berichtet.
Svein Stöle ist der Eigentümer von Pareto, einer der führenden norwegischen Finanzgruppen. Sein Vermögen stieg laut «Kapital» im Jahr 2022 um 18,9 Prozent. Nun lebt er am Zugersee.
Mit Jorgen Dahl findet sich ein weiterer norwegischer Superreicher am Luganersee. Der durch seine Firma Sector Alarm, die Sicherheitssysteme herstellt, reich gewordene Dahl kann mit einem Vermögensanstieg von 26,3 Prozent ebenfalls auf ein gutes Jahr zurückblicken.
Nummer 5 auf der Liste ist der CEO und Mitinhaber des Private-Equity-Unternehmens EQT, Christian Sinding. Er lebt in Zollikon im Kanton Zürich.
Diese fünf sind aber bei Weitem nicht die Einzigen, die sich nach einer Steuererleichterung sehnen. Seit letztem Jahr flüchteten über 40 Superreiche aus Norwegen in die Schweiz. Die meisten zieht es nach Luzern, Zug, Zürich und ins Tessin. Zum einen liegt dies sicherlich an den schönen Seen, einer ähnlichen Sozialkultur und dem guten Ruf, den viele Norwegerinnen und Norweger in der Schweiz geniessen. Der Hauptgrund für die spezifische Kantonswahl ist aber wohl steuerlich bedingt.
Insgesamt kommt nach Schätzungen ein Vermögen von 160 Milliarden norwegischen Kronen, oder rund 13,5 Milliarden Franken, in die Schweiz. Das meiste davon landet, nicht zuletzt dank Kjell Inge Rökke, im Tessin.
Seit September 2022 sind rund 50 reiche Norwegerinnen und Norweger in die Schweiz umgezogen, wie norwegischen Medien berichten. Die «Ärmsten» auf dieser langen Liste besitzen noch immer rund 3 Millionen Franken und sind direkt von den Steuererhöhungen in Norwegen betroffen. Daher kann angenommen werden, dass der Umzug mehrheitlich steuerliche Gründe hat.
Städte wie Luzern empfangen die «Steuerflüchtlinge» aus Norwegen mit offenen Armen. Der Zustupf an Steuergeldern ist bereits für neue Kultur- und Infrastrukturprojekte im Budget eingeplant, so Stabschef Thomas Scherrer gegenüber der NZZ.
Menschen mit viel Geld leben weiterhin gerne in der Schweiz. Nach dem Global Wealth Report 2022 der Credit Suisse behauptet sich die Schweiz deutlich an der Spitze im internationalen Vergleich des durchschnittlichen Vermögens pro Erwachsenem mit 696'600 US-Dollar. Das sind im Schnitt 117'500 US-Dollar mehr pro Kopf als die USA auf Platz 2.
Das wäre dann pauschalbescheuert!
Ja, die Superreichen sind super mobil. Sie können super schnell in egal-welches-Land auswandern und sind dort super-gern-gesehen.
Hier geht es um eine egoistische Optimierung. Kein Unternehmen und kein Unternehmer kann ohne staatlichen und gesellschaftlichen Beitrag erfolgreich werden. Und er oder sie trägt nur einen Teil der Kosten. Dass der Staat dann etwas zurück haben möchte ist nur logisch und richtig.