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Lobbywatch: Wirtschaftsnahe Lobbys investieren gezielt in Parlamentarier

Wirtschaftsnahe Lobbys investieren gezielt in Parlamentarier – Lobbywatch will Transparenz

05.09.2021, 16:07
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Wirtschaftsnahe Branchen lassen ihre Interessen laut einer Studie von Lobbywatch in den vorberatenden Kommissionen des eidgenössischen Parlaments gezielt über bezahlte Mandate vertreten. Die Transparenzplattform fordert, dass Parlamentarier deklarieren, wie viel sie für eine Tätigkeit eines Unternehmens oder eines Lobbyverbandes verdienen.

Lobbywatch untersuchte nach eigenen Angaben die Lobbygruppen Krankenkassen, Pharma, Banken, Versicherungen, Landwirtschaft und Umwelt. Die Resultate zeigten deutlich, dass vor allem finanzkräftige Branchen ihre Interessen über bezahlte Mandate vertreten lassen, teilte die Transparenzplattform am Sonntag mit.

Das Parlament hat am Donnerstag in aller Eile die letzte Frage beim angepassten Covid-19-Gesetz gekl
Dienst am Volk oder Dienst am Portemonnaie? Offenlegung und Transparenz sollen Abhilfe bei Interessenkonflikten schaffen.Bild: sda

Am offensivsten versuchten Krankenversicherer, Parlamentarierinnen und Parlamentarier für ihre Interessen einzuspannen, schreibt Lobbywatch in der am Sonntag veröffentlichten Studie. In den Gesundheitskommissionen beider Räte bestehen demnach 25 Verbindungen zu Krankenkassen. Alle diese Mandate seien bezahlt.

Von den 13 Mandaten von Mitgliedern der Wirtschaftskommission, die Banken zugeordnet werden könnten, seien zehn bezahlt. Die Versicherungen seien mit insgesamt sieben Mitgliedern in den Wirtschaftskommissionen von National- und Ständerat vertreten. Alle würden dafür eine Entschädigung beziehen.

Auch alle vier Pharma-Vertreter in der Wirtschaftskommission werden laut der Studie von Verbänden und Lobbyorganisationen entschädigt. Die Pharmaindustrie sei im Parlament aber mit relativ wenigen Ratsmitgliedern vertreten, schreibt Lobbywatch. Als Grund vermutet die Organisation, dass für die Pharmafirmen wichtige Geschäfte wie die Festsetzung von Medikamentenpreisen durch den Bundesrat und nicht durch das Parlament entschieden werden.

Starke Vertretung der Landwirtschaft

In den Wirtschaftskommissionen der beiden Räte seien zudem insgesamt zehn Vertreterinnen und Vertreter von landwirtschaftlichen Organisationen. Diejenigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die in einflussreichen Verbänden auf nationaler oder kantonaler Ebene aktiv seien, erhielten für diese Tätigkeiten eine Entschädigung.

Ganz anders ist das Bild laut der Studie bei den Vertreterinnen und Vertretern von Umweltverbänden in der Umweltkommission: Hier deklarierten die Kommissionsmitglieder insgesamt 46 Interessenbindungen oder Mitgliedschaften bei Organisationen aus dem Bereich Umwelt. Nur fünf dieser Mandate seien jedoch bezahlt.

Die Auswertung zeige, dass finanzkräftige Branchen «praktisch nach Belieben» Politikerinnen und Politiker für ihre Sache einspannen und entsprechend entlöhnen könnten, schreibt Lobbywatch. Dabei komme ihnen entgegen, dass die Ratsmitglieder die Höhe der Entschädigung nicht deklarieren müssten. Lobbywatch fordert deshalb, dass Parlamentsmitglieder deklarieren müssen, wie viel sie für eine Tätigkeit eines Unternehmens oder eines Lobbyverbandes verdienen.

Parlamentarische Initiative

Die Transparenzplattform weist darauf hin, dass die parlamentarische Initiative des Walliser Mitte-Ständerats Beat Rieder für ein «Verbot der Annahme von bezahlten Mandaten im Zusammenhang mit der Einsitznahme in parlamentarischen Kommissionen» dieser Einflussnahme einen Riegel schieben wolle.

Sie verlangt, dass Kommissionsmitglieder künftig keine Mandate mehr innehaben dürfen, die thematisch vom Gremium behandelt werden. Laut Lobbywatch wird die parlamentarische Initiative demnächst in der staatspolitischen Kommission des Ständerats behandelt. (sda)

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Chnebeler
05.09.2021 17:49registriert Dezember 2016
Was hier umschrieben wird ist nichts als offene Korruption.
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benn
05.09.2021 16:52registriert September 2019
ach das wissen wir schon lange lobbying heisst es in der schweiz korruption im ausland, was genau ist jetzt neu? ändern wird sich nichts wir gehören zu den korruptesten regierungen in europa!
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leykon
05.09.2021 16:48registriert Juni 2017
Solange keine Transparenz herrscht, auch in der Parteienfinanzierung, wird das Vertrauen in die Politik weiter schwinden.
Es wäre nämlich sehr interessant zu wissen, welcher gewählte Politiker durch wen bestochen wird. Denn es ist nichts anderes als Bestechung
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Tesla plant Massenentlassung – angeblich trifft es jeden 10. Angestellten
Tesla hat laut Medienberichten vor, im grossen Stil Stellen zu streichen. Weltweit soll die Belegschaft radikal reduziert werden.

Der E-Autohersteller Tesla plant offenbar, weltweit mehr als 10 Prozent aller Stellen zu streichen. Das berichtet das «Handelsblatt» unter Berufung auf ein internes Schreiben des Autobauers. Von dem Abbau sollen insgesamt 14'000 Mitarbeiter betroffen sein. «Das wird uns schlank, innovativ und hungrig für die nächste Wachstumsphase machen», schrieb Tesla-Chef Elon Musk demnach an die Belegschaft.

Das Unternehmen sei schnell gewachsen und habe sich durch den Bau zahlreicher Fabriken weltweit immer weiter vergrössert. «Aufgrund dieses schnellen Wachstums kam es in bestimmten Bereichen zu einer Dopplung von Rollen und Aufgaben», erklärt der Konzernchef. Tesla antwortete zunächst nicht auf die Bitte um Stellungnahme.

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