2023 war bisher ausserordentlich - ausserordentlich warm. Weltweit sorgten Hitzewellen nicht bloss für erhöhtes Schweisstreiben, sondern auch für Naturkatastrophen. Seit Jahren steht die Aviatik für ihre Umweltbelastung am Pranger der Klimadiskussion. Denn die selbst gesteckten Branchenziele für einen emissionsfreien Flugverkehr liegen in ferner Zukunft und sind mit Fragezeichen behaftet.
Doch die Folgen der Klimaerwärmung machen sich auch in der Aviatik schon heute bemerkbar. Dessen sind sich auch die Pilotinnen und Piloten der Swiss bewusst. Das aktuelle Mitgliedermagazin des Swiss-Cockpit-Verbands Aeropers widmet dem Thema denn auch einen grossen Beitrag mit dem Titel: «Nasser, heisser, heftiger - das Wetter verändert sich».
Die Welt werde heisser und stürmischer, heisst es im Artikel: «Auf unsere tägliche Arbeit wirkt sich das unmittelbar aus. Wenn damit zu rechnen ist, dass mehr Gewitter und Stürme auftreten, wird sich das zwangsläufig häufiger auch in unserer Flugplanung bemerkbar machen.» So müsse die Interpretation der Wetterprognose für einen Flug möglicherweise angepasst werden. Ein Gewitter könnte 2024 unter Umständen ein komplett anderes Gewitter sein als vor 30 Jahren: «Unter Umständen ist es grösser, hält länger an und bringt vielleicht heftigere Begleitumstände mit sich, was Schwerwinde, Niederschlag und Vereisung angeht. Das Problem: Wir wissen es nicht.»
Der Swiss-Pilotenverband Aeropers verweist auf einen konkreten Fall von Ende Juli in den USA. Wie heftig ein Sommergewitter sein kann, erlebten demnach die Passagiere und Crew-Mitglieder des Delta-Airline-Flugs 185. Die Boeing-767 hob von Mailand in Richtung New York ab. Vorhergesagt war ein moderates Gewitter mit leichtem Wind. Doch kurz nach Start der Schock: Der Sturm war viel heftiger als erwartet. «Obwohl es der Crew leidlich gelang, das Zentrum des Sturms zu umfliegen, wurde die 767 derart heftig von Hagelkörnern malträtiert, dass die Piloten sich zu einer Notlandung in Rom entschieden.» Bilder zeigen, dass die Hagelkörner an mehreren Stellen die Tragfläche durchschlugen. Die Nase wurde sogar völlig zerstört.
Laut dem Swiss-Pilotenverband sei dieser Delta-Flug der Beweis dafür, dass das grossräumige Umfliegen eines Gewitters mitunter überlebenswichtig sein kann. «Wir müssen uns als Piloten daran gewöhnen, dass das Klima sich verändert und mit ihm das Wetter, das einer der Haupteinflussfaktoren auf unsere tägliche Operation ist.»
Hinzu kommen die direkten Folgen durch die Hitze. Denn die verfügbare Leistung eines Triebwerks hängt stark von den herrschenden Temperaturen ab. Je wärmer es ist, desto geringer ist die Luftdichte, und umso reduzierter ist die Leistung des Triebwerks. «Gerade im nicht optimalen Setup am Flughafen Zürich, das aus politischen Gründen häufig Starts am Limit der Leistungsfähigkeit erzwingt, könnte das vermehrt Probleme mit sich bringen.»
Laut Aeropers-Sprecher Roman Boller ist damit die lärmpolitische Situation in Zürich gemeint: «So müssen wir manchmal mit Rückenwind starten, wodurch das maximale Startgewicht reduziert wird.» Kommen dann noch erhöhte Temperaturen dazu, habe dies einen zusätzlichen Einfluss. «Diese Faktoren können bei einem schwer beladenen Flugzeug dazu führen, dass man mit voller Triebwerksleistung starten muss und somit am Leistungslimit operiert.» Daraus können laut Boller kurzfristige Pistenwechsel und Verspätungen resultieren. An heissen Sommertagen könne es bereits heute vorkommen, dass nicht die gesamte Fracht mitgeführt werde.
Das Aeropers-Magazin liefert ein Rechenbeispiel: «Eine Langstreckenmaschine des Typs A340 mit einem maximalen Startgewicht von 275 Tonnen kann bei normalen Bedingungen von 15 Grad Celsius in Zürich problemlos von der Piste 16 aus starten.» Doch steigt das Thermometer auf 35 Grad an, sei dies nicht mehr möglich. In der Folge müsste das Gewicht um über 10 Tonnen reduziert werden. Teure Fracht würde damit am Boden bleiben - mit Folgen für die Wirtschaftlichkeit der Swiss.
In den USA waren solche Massnahmen diesen Sommer bereits notwendig (CH Media berichtete). So mussten Anfang Juli zahlreiche Passagiere ein Flugzeug von Delta Airlines wieder verlassen, weil die Maschine, die von Las Vegas nach Atlanta fliegen sollte, aufgrund der herrschenden Hitze zu schwer war. Die Fluggesellschaft erklärte darauf gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg, man werde zusätzliche Massnahmen einführen, um auf die Extrem-Hitze zu reagieren. Sie nannte drei Möglichkeiten: Erstens könnte die Airline jeweils die Treibstoffmenge reduzieren, zweitens weniger Gepäck oder weniger Passagiere an Bord lassen, oder drittens auf tiefere Temperaturen am Abend warten.
Die US-Airline Allegiant warnte zudem bereits davor, Flüge verschieben zu müssen, sollte durch die Hitze eine Gefahr für die Sicherheit der Fluggäste bestehen. Forschende der Columbia University in New York kamen bereits vor sechs Jahren zum Schluss, dass bereits Mitte dieses Jahrhunderts 10 bis 30 Prozent aller Starts um die Mittagshitze von Hitze-Einschränkungen betroffen sein könnten.
Doch auch in der kalten Jahreszeit drohen den Swiss-Pilotinnen und -Piloten vermehrt Herausforderungen. Zwar werde der Winter in der Schweiz im langfristigen Trend zwar wärmer, aber dafür feuchter. Mit weniger Schneetagen werden auch weniger Pistensperrungen und Schneeräumungen notwendig. «Allerdings werden statistisch gesehen trockene Wintertage seltener, weshalb unsere Flugzeuge unter dem Strich unter Umständen häufiger enteist werden müssen als heute.» Das wiederum koste die Airline Geld und kostbare Zeit. Der Artikel kommt deswegen zum Schluss: «Damit fährt der Klimawandel uns als Piloten gleich mehrfach in die Parade.»
Aber vielleicht führen solche Erfahrungen bei einigen zum Umdenken.
Ja ich weiss, ich dreamer ich…