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Unternehmen sollen Bussen von den Steuern abziehen dürfen

Unternehmen sollen Bussen von den Steuern abziehen dürfen

18.09.2018, 10:04
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ZUR STUDIE UEBER DIE ENTSCHAEDIGUNG DER BUNDESPARLAMENTARIER, AM DIENSTAG, 23. MAI 2017, ERHALTEN SIE FOLGENDE ARCHIVBILDER ---- Der Nationalrat debattiert waehrend der Sondersession im Nationalrat, a ...
Bild: KEYSTONE

Unternehmen sollen ausländische Bussen und Geldstrafen unter bestimmten Bedingungen von den Steuern abziehen dürfen. Das will der Nationalrat. Der Bundesrat und der Ständerat hatten anders entschieden.

Im Nationalrat konnten die SVP und die FDP am Dienstag ihre Mehrheit ausspielen, mit ein paar Stimmen aus der Mitte. Der Rat beschloss mit 94 zu 88 Stimmen bei 2 Enthaltungen, der Mehrheit seiner Kommission zu folgen.

Demnach sollen inländische Sanktionen und Bussen nicht steuerlich abzugsfähig sein. Ausländische dagegen schon, sofern sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Dann nämlich, wenn sie gegen den schweizerischen Ordre public verstossen, wenn sie eine Handlung sanktionieren, die in der Schweiz nicht sanktionierbar wäre und wenn sie das Höchstmass übersteigen, welches das schweizerische Recht für den betreffenden Rechtsverstoss verhängt. Weiter dehnte der Rat die Abzugsfähigkeit für Schadenersatzleistungen aus.

«Wirtschaftskrieg» mit Bussen

Die Befürworterinnen und Befürworter dieser Regelung wollen damit dem Umstand Rechnung tragen, dass im Ausland gesprochene Bussen auch willkürliche und politisch motivierte Komponenten enthalten können. Mit dieser Regelung stärke die Politik der Schweiz und ihren Unternehmen den Rücken, sagte Thomas Matter (SVP/ZH).

Christian Lüscher (FDP/GE) gab zu bedenken, dass sich die Unternehmen im Ausland exponierten. Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) sprach von einem «Wirtschaftskrieg», der auch mit dem Mittel der Busse geführt werde.

Auf Kosten der Allgemeinheit

SP, CVP und BDP sprachen sich für die Version des Ständerates und des Bundesrates aus. Unternehmen sollen Bussen und Sanktionen mit Strafzweck demnach nicht von den Steuern abziehen dürfen - und zwar unabhängig davon, ob sie in der Schweiz oder im Ausland verhängt wurden.

Die betroffenen Unternehmen müssten bereit sein, für im Ausland eingegangene Risiken die Verantwortung zu übernehmen statt sie der Allgemeinheit anzulasten, argumentierten die Befürworterinnen und Befürworter dieser Lösung.

«Perverse» Regelung

Schweizer Banken hätten sich rechtswidrig verhalten und Millionenbussen aufgebrummt bekommen, stellte Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) fest. «Sollen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dafür bluten? Fragen Sie mal Ihre Wählerinnen und Wähler.»

Die Kommission schlage eine «perverse» Regelung vor, die rechtlich und moralisch nicht haltbar sei. Ada Marra (SP/VD) stellte fest, die Mehrheit der Kommission wolle ein Gesetz erlassen nach dem Prinzip «Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren».

Nicht praktikabel

Finanzminister Ueli Maurer warnte, die nationalrätliche Regelung sei nicht praktikabel. Sie übersteige die Möglichkeiten der Steuerbehörden. Diese müssten ausländisches Recht analysieren und mit inländischem vergleichen. Zudem könnte die Regelung zu internationalen Problemen führen, weil unterschiedliches Recht angewendet werde für inländische und ausländische Bussen.

Doch der Rat folgte nur in einem Punkt dem Bundesrat und der Kommissionsminderheit. Er verzichtete auf die Streichung der Klausel, wonach Aufwendungen zur Ermöglichung von Straftaten oder als Gegenleistung für die Begehung von Straftaten nicht abgezogen werden können.

Löhne an Verbrecher

Leo Müller (CVP/LU) warnte, ohne die Klausel könnten Löhne an Verbrecher und Mittel zur Terrorismusfinanzierung von den Steuern abgezogen werden. «Das geht gar nicht.»

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quelle: keystone / martin ruetschi
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Die Mehrheit der Kommission, welche die Klausel streichen wollte, argumentierte, die Bestimmung sei schlicht nicht nötig. Nachdem Finanzminister Ueli Maurer dem widersprochen hatte, sprach sich der Rat aber mit 182 zu 0 Stimmen für die Klausel aus. Ein paar Unentschlossene wechselten beim Abstimmen im letzten Moment von «grün» auf «rot». Die Vorlage geht nun zurück an den Ständerat.

Keine explizite Regelung

Heute ist nicht explizit geregelt, ob Unternehmen Bussen, Geldstrafen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck von den Steuern abziehen dürfen oder nicht. Zudem ist die Praxis in den Kantonen unterschiedlich.

Um die Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, beauftragte das Parlament den Bundesrat, eine gesetzliche Regelung auszuarbeiten. Inzwischen liegt auch ein Bundesgerichtsurteil vor. Das Gericht entschied im Fall einer europäischen Wettbewerbsbusse, dass finanzielle Sanktionen mit Strafzweck nach geltendem Recht steuerlich nicht abzugsfähig sind. (sda)

Mit Bussen gegen niedrige Wahlbeteiligung

Video: srf
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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Simon Probst
18.09.2018 10:34registriert März 2018
Das ist ja lustig. Die grössten Gauner werden ermutigt noch mehr zu bescheissen.
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aglio e olio
18.09.2018 10:15registriert Juli 2017
Die Befürworter sind mal wieder die gleichen die am meisten und am lautesten rufen, dass sich Ausländer im Gastland uneingeschränkt an die dortigen Regeln halten sollen.
Diese Doppelmoral soll mal einer nachvollziehen.
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Tepesch
18.09.2018 11:37registriert Oktober 2015
Es könnte doch auch der Bund die aussländischen Bussen bezahlen. Diese armen Firmen können ja nichts dafür, wenn ihnen die Gesetze der jeweiligen Länder nicht bekannt sind 🤢🤮

Schon interessant wie die "bürgerlichen" gerne zum Sparen den Sozialstaat schröpfen und gleichzeit Firmen Milliarden nachwerfen.
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