Würdest du einen Aufpreis zahlen, um die CO2-Emmissionen für deinen Flug nach Paris, den Flachbild-Fernseher von Samsung oder die neuen Jeans zu kompensieren? Und wenn ja, wie viel? Diesen Fragen gingen Forschende der Universität Bern jüngst nach.
Bei der Forschungsarbeit kam heraus, dass zwei Effekte entscheidend sind, ob man die Spende fürs Klima zahlt oder nicht: Der Geldbetrag für die Kompensation und die Konsequenz für die Umwelt, falls man nicht zahlt.
Es stellte sich heraus: Je grösser der CO2-Preis war, desto eher verzichten die Teilnehmenden auf die Kompensation – und nahmen dafür die Umweltverschmutzung in Kauf. Jedoch zahlten sie den Aufpreis eher, wenn die Verschmutzung sehr hoch war. «Die Menge an ausgestossenem CO2 ist entscheidend, sobald der einzusparende Geldbetrag gleich gross bleibt», sagt Studien-Mitautorin Annika Wyss.
Dieses Fazit ergab die Untersuchung im relativ geschützten Rahmen eines Online-Labors. Wie die Menschen beim Einkaufen tatsächlich entscheiden, zeigt ein Blick in die Praxis.
Beim Online-Verkäufer Digitec Galaxus würde rund zehn Prozent der Kundschaft den Kompensationsbetrag zahlen, sagt Mediensprecherin Norina Brun: «Am häufigsten wird bei Haushaltsgeräten kompensiert, gefolgt von Nahrungsmitteln und Medien wie Bücher, Filme und Musik.»
Die Kundschaft von Digitec Galaxus könne seit bald einem Jahr die durch ihren Konsum verursachten Treibhausgase kompensieren. Für den Betrag wird die Menge an CO2-Ausstoss mit dem Kompensationspreis pro Tonne (CHF 20) multipliziert. So steht etwa bei einer 155-fränkigen Jeans eine CO2-Emission von 12.59 kg. Das kann mit CHF 0.30 vollständig kompensiert werden.
Die Menge an CO2 berechnet Digitec Galaxus anhand eines Modells, das sie mit der Zürcher Firma South Pole entwickelt haben, einer Anbieterin von Klimaschutzlösungen. Ein Faktor in der Formel ist der Intensitätswert: Dieser umfasst alle Emissionen, die von der Rohstoffgewinnung bis zum Transport ins Lager anfallen.
Die Klima-Spende fliesse in Projekte aus dem Portfolio von South Pole. Als Beispiele führt Digitec Galaxus Klimaschutzprojekte für den Waldschutz und erneuerbare Energien auf.
Auch die Fluggesellschaft Swiss will die Passagiere ohne Gewissensbisse fliegen lassen. Seit Ende 2019 kann man seinen Flug auf zwei Arten kompensieren: Indem man «Sustainable Aviation Fuel» (SAF) kauft – eine nachhaltigere Alternative zum fossilen Kerosin – oder durch Investition in ein Projekt von «Myclimate». Die Stiftung ist einer der grössten Schweizer Anbieter von solchen Kompensationsmassnahmen.
Ausserdem kann man entscheiden, innerhalb wie vieler Jahre der Flug kompensiert werden soll. Möchte man seinen Flug von Zürich nach Paris innert einem Jahr kompensieren, kostet das rund CHF 43. Verlängert man die Frist auf zehn Jahre, zahlt man noch CHF 1.50.
Allerdings nutzen schwindend wenig Passagiere das Angebot. Gerade mal ein Prozent bezahlt bei der Buchung einen Aufpreis fürs Klima, sagt Swiss-Sprecherin Karin Müller.
So unterschiedlich wie die Kompensationsmöglichkeiten sind zum Teil auch die Kosten: Ein neues iPhone mit 113 kg CO2-Emissionen zu kompensieren kostet CHF 2.68, ein Flug nach Paris mit 68 kg hingegen CHF 15.41.
Warum das so ist, erklärt Kai Landwehr von «Myclimate»: «Die Flugkompensation bei Swiss ist so voreingestellt, dass zu einem grossen Teil in ein Aufforstungsprojekt investiert und zu einem kleineren in Sustainable Aviation Fuel». Da der alternative Treibstoff im Vergleich sehr teuer sei, komme dieser Preis für eine eigentlich kleinere CO2-Menge zustande. Allerdings könne man hier den Regler verschieben und beispielsweise 100 Prozent in Aufforstungsprojekte investieren. Dann koste die Kompensation auch ähnlich viel, wie beim iPhone.
Was die CO2-Kompensationen tatsächlich bringen, ist umstritten. In Bezug aufs Fliegen argumentiert etwa Myclimate-Sprecher Kai Landwehr, dass es aktuell das einzige Instrument sei, um den entstehenden Umweltschaden abzufangen. Christoph Meili, Projektleiter bei ESU-Services, ein auf Ökobilanzen spezialisiertes Unternehmen findet hingegen: Politik, Wirtschaft und Bevölkerung könnten sich damit aus der Verantwortung stehlen, was zu einer Problemverlagerung und verzögertem Handeln führe.
Die Untersuchung der Universität Bern zeigte: Das Klima ist der Kundschaft nicht egal. Allerdings kann oder will man es sich nicht immer leisten, klimaneutral zu konsumieren. Das zeigen auch die erwähnten Praxisbeispiele.
Eine Frage bleibt allerdings: Was könnte sich auf der Angebots-Seite ändern, damit die Kundschaft möglichst oft klimafreundlich konsumiert? Soll man zum Beispiel einen Preis zur Kompensation von CO2 festlegen oder soll man die Kundschaft den Preis selber bestimmen lassen? Die Mitautorin der Berner Studie, Annika Wyss, sagt dazu: «Um diese Fragen zu beantworten, braucht es weitere Forschung.»
SJ_California
Lieber einmal weniger fliegen, lokale Bioprodukte kaufen und für meine alljährlichen Spenden überzeugende Institutionen und Projekte unterstützen.
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