Bio-Gemüse, am besten vom Bauern des Vertrauens – der nachhaltige Konsum erlebt in der Schweiz gerade einen Boom. 2021 stieg der Umsatz von Biolebensmitteln erstmals auf über vier Milliarden Franken. Nur beim Fleisch bleibt der Knall aus.
So nahm der Anteil von Labelfleisch im Jahr 2021 bei praktisch allen Tieren ab. Bei den Mastpoulets führt die tierfreundliche Produktion nach wie vor ein Nischendasein.
Hinter den Ergebnissen dürfte die Marktmacht der Grossverteiler stehen, schreibt Ökonom Binswanger in der Studie. Viele kleine Anbieter würden auf wenige grosse Nachfrage treffen. Das würde den Produzentenpreis nach unten drücken. «Die Anbieter haben keine Chance, an andere Abnehmer zu verkaufen.» Diese Marktkonstellation sorge dafür, dass auch die Produzentenpreise für Label- und Bioprodukten nur wenig höher sind als diejenigen für konventionelles Fleisch.
Dass die Konsumentenpreise hingegen so viel höher seien, wenn man Standard- mit Labelprodukten vergleiche, liege am Wettbewerb bei Standardprodukten. Standard-Hackfleisch von der Migros unterscheide sich kaum von jenem von Coop, Aldi oder Lidl. «Konsumenten in diesem Preissegment kaufen tendenziell dort, wo das Produkt am billigsten ist. Dieses Verhalten sorgt für Wettbewerb und drückt den Preis nach unten», schreibt Binswanger.
Bei Label- und Bioprodukten sei dies weniger der Fall. Dort werde eine kleinere Anzahl von anspruchsvolleren Kunden angesprochen, die meist auch eine höhere Zahlungsbereitschaft haben. «Entsprechend lassen sich deutlich höhere Preise durchsetzen als bei Standardprodukten.»
Binswanger liefert damit auch gleiche eine ökonomische Erklärung, wieso der Labelanteil in der Schweiz insgesamt sinke. Tierhalter haben keinen Anreiz, vermehrt auf tiergerechte Haltung umzusteigen, denn die damit verbundenen Mehrkosten würden kaum abgedeckt. «Konsumenten hingegen müssen hohe Aufpreise für Label- und Biofleischprodukte bezahlen, welche nur ein kleineres Segment von zahlungskräftigen Kunden zu zahlen bereit ist.»
Die Studie ist eine von mehreren, die Migros und Coop vorwerfen, ihre Marktmacht zu missbrauchen. Doch wie alle anderen zuvor auch leidet sie an einem Problem: Sie kann es nicht abschliessend beweisen. Die anfallenden Kosten der Grossverteiler sind ein gut gehütetes Geheimnis.
Somit steht es Aussage gegen Aussage, denn Migros und Coop beharren vehement darauf, keine überhöhten Margen einzustreichen. Höhere Kosten für Warenflusstrennung, Kontrollen, Zertifizierung, Rückverfolgbarkeit und Vermarktungsmassnahmen seien die Gründe für die Preisunterschiede, sagt etwa Coop-Sprecherin Rebecca Veiga. «Coop verdient an Labelprodukten nicht mehr als an konventionellen Produkten.» Die Studie würde relevante Kostenfaktoren nicht berücksichtigen. Ausserdem handle es sich bei der Untersuchung um die gleichen Auftraggeber wie bereits bei früheren Studien.
In die gleiche Kerbe haut auch die Migros. «Die Vorwürfe werden nicht plötzlich wahr, bloss, weil man sie möglichst oft wiederholt», sagt Marcel Schlatter, Leiter der Migros-Medienstelle. Prozentual lägen die Margen bei Bioprodukten sogar leicht tiefer als bei konventionell hergestellten. Die Gewinnmargen der Migros seien zudem ausgesprochen dünn. «Würden die Vorwürfe zutreffen, müssten Fleischprodukte in Hofläden ja massiv günstiger sein – was sie nachweislich nicht sind.»
Als Grund für die höheren Preise von Labelfleisch führt Schlatter kleinere Packungsgrössen an. «Wir stehen in einem derart intensiven Wettbewerb mit anderen Detailhändlern, dass Kundinnen und Kunden überteuerte Produkte sofort erkennen und meiden würden.» Daher sei es gar nicht möglich, mit Labelprodukten eine höhere Marge zu erzielen. «Wir wären ganz einfach nicht mehr konkurrenzfähig», sagt Schlatter.
Wer nun recht hat, sei dahingestellt. Damit Labelfleisch sein Nischendasein jedoch beenden kann, muss die Preisdifferenz zum konventionellen Fleisch zwangsläufig sinken. «Ansonsten haben weder Produzenten noch Konsumenten einen Anreiz, die Produktion beziehungsweise den Konsum von Label- und Bioprodukten zu erhöhen», schreibt Binswanger.
Aber eher scheint mir, dass es der Studie recht geben würde. Also nix mit Transparenz!
Stimmt. Das Fleisch von "meinem" Biohof kostet aber immer noch massiv weniger als beim Grossverteiler. Ich bekomme dort Bioqualität für +/- den Preis von konventionellem Fleisch. Aber das find ich völlig in Ordnung. Die Bauern haben etwas mehr in der Tasche und ich top Qualität zu einem fairem Preis. Win-Win!