Hat die «SonntagsZeitung» Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter beim Schwindeln ertappt? Ihr Hauptargument gegen die Juso-Initiative breche zusammen, berichtete die Zeitung kürzlich. Die Aussage, dass die Einführung einer Erbschaftssteuer von 50 Prozent für Vermögen ab 50 Millionen Franken zu Mindereinnahmen führen würde, beruhe auf einer unvollständigen Datengrundlage, so die Argumentation.
Die «SonntagsZeitung» beruft sich dabei auf ein Gutachten des Lausanner Professors Marius Brülhart im Auftrag des Bundes. Brülhart kommt zum Schluss, das 77 bis 93 Prozent des potenziellen Steuersubstrates abwandern könnte. Die finanzielle Folge schwankt zwischen möglichen Mehreinnahmen von 300 Millionen Franken und Mindereinnahmen von 700 Millionen Franken für den Fiskus.
Was Brülhart in seinem Gutachten nicht berücksichtigt – weil es keine Zahlen dazu gibt -, sind die weltweiten Vermögen derjenigen Personen, die in der Schweiz pauschalbesteuert werden, also nach dem weltweiten Aufwand. Würde die Juso-Initiative angenommen, würde die Erbschaftssteuer aber auf dem ganzen Vermögen fällig. Sprich: Das potenzielle Steuersubstrat ist höher als von Brülhart ausgewiesen.
Wenn also nur zwei von zehn Pauschalbesteuerten nach dem Ja zur Juso-Initiative bleiben würde, wäre das der Superjackpot für die Schweiz, der alle negativen Effekte aufheben würde?
Die Frage geht an Steuerexpertin Natalie Dini von Tax Partner. Sie befasst sich von Berufes wegen mit «high-net-worth individuals» oder umgangssprachlich eben Superreichen – und kennt sie nicht aus der Theorie, sondern der Praxis. Dini berät Personen in verschiedenen Kantonen, die pauschal besteuert werden.
Ihre Antwort ist klar: «Wird die Initiative angenommen, sind die Pauschalbesteuerten sofort weg.» Diese Personen hätten immer eine ausländische Staatsbürgerschaft, eine enge Beziehung zu mehreren Ländern und Immobilien an verschiedenen Orten. Zur Villa im Berner Oberland kommt typischerweise noch eine Finca auf Mallorca oder in Italien und ein Appartement in London oder in Dubai dazu.
Um nach Aufwand besteuert zu werden, müsse die Person zwar den Lebensmittelpunkt in der Schweiz haben, sagt Dini. Doch lasse sich dieser einfach verlagern. Ein Monat weniger in der Schweiz und dafür ein Monat mehr in Spanien kann die Frage nach dem Wohnsitz bereits zugunsten des Auslands entscheiden.
Die hohe Mobilität von Pauschalbesteuerten ergebe sich auch daraus, dass sie in der Regel nicht mehr arbeiten und nicht an einen Job gebunden seien, sagt Dini. Eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz ist ohnehin von Gesetzes wegen ausgeschlossen für Pauschalbesteuerte.
Die Schweiz pflegt das Geschäftsmodell mit Superreichen bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts. Nebst dem Bankgeheimnis, das mittlerweile für Ausländer aber Geschichte ist, spielte die Pauschalbesteuerung eine wichtige Rolle. Die Steuer wird nicht auf Einkommen und Vermögen bezahlt, sondern bemisst sich an den weltweiten Lebenshaltungskosten – Unterhalt von Yachten und Privatflugzeugen inklusive. Einige Kantone haben sie abgeschafft.
Auch Grossbritannien hat in diesem Geschäft eine lange Tradition – vollzieht nun aber eine Kehrtwende. Auf Anfang April hat Grossbritannien den sogenannten Non-Dom-Status abgeschafft.
Dank dieser Steuerregelung mussten Personen, die in Grossbritannien lebten, aber nicht als dauerhaft ansässig galten, nur auf ihren britischen Einkünften Steuern bezahlen. Ausländisches Einkommen und Vermögen wurden grundsätzlich nicht besteuert – und nach einer gewissen Anzahl Jahre war ausschliesslich ein Pauschalbetrag an Steuern geschuldet.
In Grossbritannien lässt sich beobachten, was passiert, wenn die Steuern stark angehoben werden. Steuerexpertin Dini spricht von einer «steilen Abwanderung». Sie verweist auf Zahlen des Beratungsbüros Henley & Partners. Demnach haben im letzten Jahr 10'800 Vermögende die Insel verlassen, im Vergleich zu 1600 noch in 2022.
Zwar versucht die britische Regierung mit Übergangsmassnahmen die Non-Doms im Land zu halten. Doch die Regierung hat auch die Erbschaftssteuer verschärft. Der Steuersatz liegt bei 40 Prozent – ohne Freibetrag. Vor allem aber gilt ein 10-jähriges Nachbesteuerungsrecht im Falle des Wegzugs des Erblassers. Dagegen wirkt die Juso-Initiative fast schon handzahm.
Ob die Rechnung für Grossbritannien aufgeht, wird sich weisen. Es bestehen erhebliche Zweifel. Was die Steuerexperten indes beobachten: «Die Schweiz kann vom Exodus aus Grossbritannien nicht wie erhofft profitieren», sagt Dini.
Der Grund dafür sei die Rechtsunsicherheit wegen der Juso-Initiative. Grosser Profiteur sei Italien, sagt Dini. Das Land sei attraktiv für reiche Ausländer. Sie bezahlen eine Pauschalsteuer von 200'000 Euro für die erste Person und für jedes weitere Familienmitglied 25'000 Euro.
Italien sei derzeit der Hauptkonkurrent der Schweiz. Dini hat keinen Zweifel, dass bei einem Ja zur Juso-Initiative die Pauschalbesteuerten rasch weg sind. Es könnte zwar sein, dass jene bleiben, die ein weltweites Vermögen von knapp über 50 Millionen Franken haben – deren Erben würden wegen des Freibetrags nicht stark zur Kasse gebeten.
Bei Vermögen deutlich über der 50 Millionen-Grenze sei die erwartete Steuerbelastung jedoch klar zu hoch. Entsprechend sei davon auszugehen, dass die sehr vermögenden Pauschalbesteuerten allesamt gehen würden. Zu diesem Schluss kommt auch die Eidgenössische Steuerverwaltung in einer Notiz an die Wirtschaftskommission des Nationalrates.
Die Juso hält in ihrem Argumentarium fest, dass die Abwanderung von Superreichen verhindert werden könne, wenn der politische Wille da sei. Die Jungpartei stellt aber auch die Frage der Moral: «Wenn einzelne Individuen es so widerwärtig finden, dass die Nachkommen «nur» 50 Millionen Franken unverdient und steuerfrei erben, dass sie dem Land den Rücken kehren, sei ihnen keine Träne nachgeweint.»
Und wie hält es Steuerexpertin Dini mit der Moral? «Ich sehe, was die Pauschalbesteuerten zum Wohlstand beitragen. Sie zahlen massgebliche Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, haben Angestellte, kurbeln das Baugewerbe und Gastronomie an, betätigen sich oft gemeinnützig. Die Wirtschaft profitiert, gleichzeitig belasten die Pauschalbesteuerten die Infrastruktur kaum.» (aargauerzeitung.ch)
Die Reichen häufen Vermögen an, blasen Immobilien- und Finanzmärkte auf, während der Mittelstand verarmt. Die Reichen erpressen den Staat, sobald faire Besteuerung droht. Das zeigt doch, wie kaputt und elitengesteuert dieses System ist.