Wegen «illegaler Renditen» bei Mieten: SP und Grüne erzwingen ausserordentliche Session
Vielen Mietern flatterten in den letzten Wochen Mietzinserhöhungen ins Haus und künftig dürften sie noch tiefer in die Tasche greifen müssen: Im Winter werden eine weitere Erhöhung des Referenzzinssatzes und damit weitere Mieterhöhungen erwartet. Und im nächsten Jahr droht dasselbe noch einmal.
Sozialdemokraten und Grüne wollen dem nun einen Riegel schieben. Sie werden am Montag, am ersten Tag der Herbstsession, einen Antrag auf eine ausserordentliche Session zum Thema Mieten einreichen.
Samira Marti, Baselbieter Nationalrätin und Co-Fraktionschefin der Sozialdemokraten, sagt, es sei höchste Zeit, dass das Thema im Parlament mehr Raum bekomme. Die Ökonomin argumentiert volkswirtschaftlich: «Das Geld, das die Mieter für illegal hohe Mieten ausgeben müssen, fehlt ihnen im Portemonnaie.» Das schwäche die Kaufkraft im Inland und sei darum Gift für die Wirtschaft.
Und Michael Töngi, Luzerner Nationalrat der Grünen und Vizepräsident des Mieterverbandes, sagt: «Wer jetzt auf Wohnungssuche ist, hat es unglaublich schwierig. Das beschäftigt die Leute weit über unser politisches Lager hinaus.»
Ausserordentliche Session wird häufig genutzt
Eine ausserordentliche Session kann von einem Viertel der Mitglieder eines Rates beantragt werden. SP (39 Sitze) und Grüne (28 Sitze) kommen im Nationalrat zusammen auf 67 von 200 Sitzen. Zuletzt wurde das Instrument relativ oft genutzt. So diskutierten National- und Ständeräte im Juni dieses Jahres in je einer ausserordentlichen Session über Gleichstellung und über Migration. Im April gab es eine separat durchgeführte Session zur Bankenkrise. Die Session zu den Mieten dürfte der ordentlichen Sommersession angehängt werden.
Zur Debatte stellen Grüne und Sozialdemokraten verschiedene Vorstösse, die darauf abzielen, Mieterhöhungen zu verhindern. Zentral wird die Motion der Zürcher Nationalrätin Jacqueline Badran und des Berner Ständerats Hans Stöckli (beide SP) sein. Sie zielt darauf ab, es Kantonen und Gemeinden zu erlauben, Mietpreiskontrollen einzuführen. Periodisch und punktuell sollen Kontrolleure prüfen, ob Mietzinse missbräuchlich seien, weil übersetzte Erträge daraus erzielt werden.
Die Kann-Formulierung soll Bedenken punkto Eingriffen in den Föderalismus aus dem Weg räumen. Gemeinden und Kantone in Gebieten mit besonders hohen Mieten, zum Beispiel Städte oder Touristenorte, könnten das Mittel nutzen, ohne dass weniger stark betroffene Regionen nachziehen müssten.
Zahlen Mieter seit Jahren viel zu viel?
Hintergrund der Forderung nach Mietkontrollen ist die These, wonach Mieterinnen und Mieter seit Jahren zu viel bezahlen. Das Gesetz beschränkt die Höhe von Renditen, die mit dem Vermieten von Wohnungen erzielt werden dürfen. Laut einem Bundesgerichtsentscheid darf sie zwei Prozentpunkte über dem hypothekarischen Referenzzinssatz liegen. Heute liegt dieser bei 1.5 Prozent, also ist eine Rendite von 3.5 Prozent zulässig. In der Realität würden «Renditen in zweistelliger Höhe erzielt», schreibt Badran in ihrem Vorstoss und zitiert Studien, wonach Immobilienfirmen jährlich zwischen 10 und 14 Milliarden Franken zu viel verlangen würden.
Ebenfalls zur Debatte steht ein «Moratorium für missbräuchliche Mietzinserhöhungen», das der Genfer Nationalrat Christian Dandrès und die jurassische Ständerätin Mathilde Crevoisier einbrachten. Den beiden SP-Mitgliedern schwebt vor, die Mieten einzufrieren, bis eine automatische Kontrolle der maximal zulässigen Rendite eingeführt ist. Mieterhöhungen wären weiterhin zulässig, wenn der Vermieter nachweisen kann, dass die von ihm verlangten Mieten nicht missbräuchlich sind.
Grüne wollen bestehendes Gesetz aktivieren
Den Grünen schwebt wiederum vor, Massnahmen aus dem Wohnraumförderungsgesetz zu aktivieren oder stärker zu nutzen. Das 2003 totalrevidierte Gesetz sieht Massnahmen vor, um den preisgünstigen und gemeinnützigen Wohnungsbau zu fördern. Der Bund könnte zinsgünstige oder zinslose Darlehen und Bürgschaften vergeben, wenn Bauträger im Gegenzug nur eine Kostenmiete verlangen.
«Die heutige Situation auf dem Wohnungsmarkt ist besorgniserregend und viele Haushalte müssen einen hohen Anteil ihres Einkommens für die Wohnkosten aufwenden. In dieser Situation ist es unverständlich, wenn nicht einmal die bestehenden Instrumente angewandt werden», schreiben der Zürcher Nationalrat Balthasar Glättli und die Baselbieter Ständerätin Maya Graf in gleichlautenden Motionen.
Ist die ausserordentliche Session mehr als nur für die Galerie?
Ob SP und Grüne für ihre Anliegen Verbündete finden, wird sich während der Session zeigen. Der Bundesrat empfiehlt alle Vorlagen zur Ablehnung. Zudem dürfte es schwierig werden, rechte Politiker von den Anliegen zu überzeugen.
Erst vergangene Woche warnte die Wirtschaftsdenkfabrik Avenir Suisse vor Eingriffen in das bestehende Mietrecht. Zudem sind Vorlagen unterwegs, die das Mietrecht zugunsten der Vermieter anpassen. So soll das Untervermieten erschwert und die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs erleichtert werden.
Ist die ganze Übung also für die Galerie? Samira Marit verneint und sagt: «Nun können die Bürgerlichen zeigen, ob es ihnen ernst ist mit dem Anliegen, die Kaufkraft der Bevölkerung zu schützen.» (aargauerzeitung.ch)
