Am 9. September wird es nochmals laut. Dann feiert der Radiosender Energy im Zürcher Letzigrund-Stadion mit 50'000 Hörerinnen und Hörern sein Musik-Open-Air. Es ist der Abschluss einer Saison mit so vielen grossen Konzerten wie selten: Coldplay und Bruce Springsteen traten genauso in der Schweiz auf wie Depeche Mode und Muse.
Stadionkonzerte sind wirtschaftlich bedeutende Anlässe, auch wegen der gestiegenen Ticketpreise. Wenn Taylor Swift nächstes Jahr zweimal im Letzigrund auftritt, dürfte das etwa 20 Millionen Franken Umsatz generieren und der Vermieterin, dem Sportamt der Stadt Zürich, mehrere Hunderttausend Franken in die Kassen spülen.
Hinzu kommen die Steuern, welche die Künstler vor Ort abliefern müssen, und die indirekte Wertschöpfung. Crew-Mitarbeitende und Konzertbesucherinnen und -besucher reisen oft vorher an, besuchen Shopping-Strassen, essen in Restaurants oder übernachten im Hotel. «Die Innenstadt ist vor solchen Veranstaltungen voll», sagte der Berner Mitte-Gemeinderat Reto Nause kürzlich in einem Podcast des «Bunds». Die Direktorin des Berner Swissôtels meint, die Wertschöpfung werde «total unterschätzt».
Doch Stadionkonzerte sind auch ein Klumpenrisiko. Das zeigte sich letztes Jahr, als die Rolling Stones krankheitsbedingt nicht im Berner Wankdorf auftreten konnten. Die Veranstalter schrieben etwa eine Million Franken Verlust, berichteten damals Medien. «Bei Stadionshows sind die Risiken besonders hoch», sagt Oliver Rosa, Managing Partner des Veranstalters Gadget. «Dazu muss man bereit sein. Entsprechend sind im Erfolgsfall auch die Einnahmen höher.»
Höher ist auch das Konfliktpotenzial. Im Berner Nordquartier fanden dieses Jahr nicht nur drei Stadionkonzerte statt, sondern auch ein Hip-Hop-Festival und Konzerte von Guns n' Roses und Muse auf dem benachbarten Bernexpo-Gelände. «Die Lärmklagen waren sehr zahlreich», sagt Nause. Es werde nicht möglich sein, nochmals so viele Konzerte zu bewilligen.
Davor fürchten sich die Veranstalter. Sie wollen mehr Termine, nicht weniger. Ohne Stadionkonzerte gehe es nicht, sagt Rosa. Das Konzept seiner Agentur sei, nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler langfristig zu begleiten. «Diese beginnen zumeist in kleinen Klubs und führen über mehrere Jahre im besten Fall zu Stadionshows.» Ein Beispiel sei die Band Imagine Dragons, die Gadget seit ihren Anfängen betreue und die letztes Jahr vor 40'000 Fans im Wankdorf spielte.
«Stadionshows sind umsatzstarke Grossveranstaltungen, die wichtig sind», sagt Rosa. «Um auch künftig die grössten internationalen Stars dem Schweizer Publikum präsentieren zu können, sind sie unumgänglich.» Wenn die Schweiz nicht den Anschluss an grosse Tourneen führender Acts verlieren wolle, brauche es mehr Verfügbarkeiten.
Ähnlich hatte sich zuvor Veranstalter-Legende André Béchir geäussert. Er kritisierte das Regime der Stadt Zürich, die pro Jahr vier Konzerte im Letzigrund erlaubt und alle drei Jahre fünf. Dass sie darauf beharre, sei «unverständlich», sagte er dem «Tages-Anzeiger».
Mittelfristig könnte der Wunsch erhört werden. Sollte dereinst ein neues Fussballstadion stehen, will die Stadt ein neues Konzept vorlegen. Es könnte mehr Konzerte im Letzigrund vorsehen. Die städtische FDP fordert bis zu zehn pro Jahr. Doch weil der Stadionbau nicht vorankommt, liegen auch die Arbeiten am Konzept auf Eis, wie Hermann Schumacher bestätigt, der stellvertretende Direktor des Sportamts. Grosse Opposition wäre nicht zu erwarten: Mit dem Auszug der Fussballclubs FCZ und GC aus dem Letzigrund würden die Anwohner unter dem Strich entlastet - und als es letztes Jahr ausnahmsweise sieben Konzerte gab, gingen kaum Klagen ein.
Mehr Termine sind aber Zukunftsmusik, obwohl die Nachfrage nach Terminen laut Schumacher leicht zugenommen hat. Auch YB als Besitzerin des Wankdorf-Stadions stellt nach Corona einen Nachholbedarf fest. Im Wankdorf sind jährlich drei Konzerte erlaubt, es dürfen aber auch in einem Jahr vier sein und im nächsten zwei. Für mehr als zwei bis drei Konzerte gebe es aber «keine Verfügbarkeiten», sagt YB-Sprecher Stefan Stauffiger.
Im Jahr 2025 werde im Wankdorf kein einziges Konzert stattfinden, weil dann die Fussball-EM der Frauen in der Schweiz stattfindet. Gadget prüft bereits alternative Standorte. Dazu brauche es die Bereitschaft der Politik, sagt Oliver Rosa: «Darauf zählen wir.» Einen Sommer 2025 ohne musikalische Highlights dürfe es nicht geben. In Zürich ist die Situation etwas entspannter. Wegen der EM stünden im Letzigrund zwar weniger Termine zur Verfügung, heisst es beim Sportamt. Darüber hinaus gebe es aber keine Einschränkungen, man würde sich auf Konzerte freuen.
Dass sich die Konzerte auf Bern und Zürich beschränken, hat seinen Grund. In der Hierarchie der Veranstalter steht das Letzigrund an erster Stelle, gefolgt vom Wankdorf. Unter ferner liefen rangiert der Basler St. Jakob-Park. Die Einzugsgebiete und Kapazitäten der Stadien in Thun, Luzern oder St.Gallen reichen nicht für ganz grosse Acts, kleinere Stadionkonzerte finden aber besonders in Thun in einer gewissen Regelmässigkeit statt.
Für die Megastars ist das Letzigrund-Stadion die erste Adresse. Es bietet dank seiner Bauweise mehr Kapazität. Je nach Bühne lassen sich über 50'000 Zuschauer unterbringen, ein paar Tausend mehr als in Bern oder Basel. Das kann Mehreinnahmen von mehreren Hunderttausend Franken pro Konzert bedeuten.
Für Taylor Swift etwa sei wegen der hohen Nachfrage nur das Letzigrund infrage gekommen, sagt Oliver Rosa. Das grosse Einzugsgebiet im Grossraum Zürich sei ein weiterer starker Faktor - auch wenn Gadget gerne mit anderen Stadien zusammenarbeite.
Im Wankdorf ist man ebenfalls von sich überzeugt. «Unserer Meinung nach verfügen wir über das attraktivste Stadion in der Schweiz», sagt YB-Sprecher Stauffiger. Das Umsatzpotenzial im Letzigrund sei höher, räumt er ein. «Aber betreffend Infrastruktur und Service müssen wir uns sicher vor niemandem verstecken.»
Dass der Basler St. Jakob-Park, in dem bis zum Neubau 2001 regelmässig Konzerte internationaler Top-Acts stattfanden, wieder auf der Agenda landet, ist hingegen unwahrscheinlich. Zwar fordert GLP-Grossrat Johannes Sieber die Regierung per Vorstoss auf, mehr Grossveranstaltungen anzulocken.
Doch Basel hat zwei Probleme: Einerseits liegt die Terminhoheit - ähnlich wie in Bern mit YB - beim FC Basel. Andererseits ist das trinationale Einzugsgebiet zwar gross. Doch Gäste aus Frankreich und Deutschland können und wollen sich Schweizer Ticketpreise oft nicht leisten, und Ländergrenzen sind stärkere mentale Grenzen, als optimistische Politiker glauben.
Selbst der Röstigraben wirkt als Hemmnis. Das zeigen Besucherzahlen von Stadionkonzerten in der Deutschschweiz aus dem Jahr 2019, die CH Media vorliegen. Die Zahl der Besucher aus der Westschweiz war damals äusserst bescheiden. Wenn der lokale Markt ein Stadion nicht wenigstens zur Hälfte füllen kann, wird es schwierig.
Die Musik wird auch künftig in Bern und Zürich spielen - und Einnahmen und Lärm bringen. Das, so sagt es Mitte-Politiker Reto Nause, sei aber auch der einzige Nachteil. «Konzerte sind etwas Gutes. Sie bringen Wertschöpfung ohne Sicherheitsprobleme - und die Leute sind fröhlich und ausgelassen.» (aargauerzeitung.ch)
Verärgert bin ich eher über die ganzen illegalen Wildparkierer im Quartier. Gefühlt auf jeder noch so kleinen Fläche wurde das Auto abgestellt. Da dürfte die Polizei ruhig eine Runde drehen.