M. E.* fühlt sich veräppelt. Die 18-jährige Detailhandelsangestellte musste mit ihren rund 20 Mitschülern der HKV Schaffhausen einen halben Tag in einem Knorrli-Kostüm durch Schweizer Städte ziehen und Promo-Produkte der Unilever-Tochter Knorr verteilen – während der Schulzeit und unentgeltlich. E. ist wütend. «Wir wurden nicht einmal gefragt, ob wir das machen wollen.»
Eine Woche zuvor hatten die Berufsschüler bereits einen halben Tag bei Unilever in Thayngen verbracht: Präsentationen über die Geschichte des Unternehmens, Führung durch die Produktionsanlagen, Testen von Gewürzmischungen und Knorr-Suppen.
Dann sollten die Schüler – «als krönender Abschluss» – «hautnah miterleben», wie man ein Produkt an den Mann bringt, wie es bei Unilever hiess. In Zweiergruppen klapperten sie, begleitet von jeweils einem Aussendienst-Mitarbeiter von Unilever, Detailhändler ab, verteilten Knorr-Schlüsselanhänger und räumten Unilever-Produkte in die Regale, wie E. erzählt. Einen halben Tag lang, zwei Stunden davon in einem Ganzkörper-Knorrli-Kostüm.
Zum Abschluss gab's dann noch ein Aromat-Dösli für jeden Schüler.
Die Aktion der Schule wirft vor allem zwei Fragen auf:
Klar ist: Schulen sind längst kein werbefreier Raum mehr. Die an Bildungsinstitutionen verteilte Gratis-Agenda «Schulplaner» ist gespickt mit Anzeigen, Unternehmen wie der Milchverband, Fielmann und Swissnuclear investieren Millionen in Unterrichtsmaterial. Solche Fälle stossen auf Kritik. Zu Recht, finden nicht nur Konsumentenschützer, sondern auch die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen.
In einem vergangenen November veröffentlichten Bericht schreibt die EKKJ: «Kinder und Jugendliche sollen ohne kommerzielle Beeinflussung lernen können». Jede Art von Marketing solle deshalb von Schulen ferngehalten werden. Werbung an Schulen ist umstritten, verboten aber nicht.
Auch ob Schüler während des Unterrichts für ein Unternehmen Marketing betreiben dürfen ist juristisch nicht geregelt. Claudia Profos, Co-Leiterin des EKKJ-Sekretariats kritisiert das Knorr-Projekt. «Es gibt nichts, was man daran gut finden könnte», sagt sie.
Einem Projekt wie diesem könne man nur dann etwas Gutes abgewinnen, wenn es pädagogisch begleitet würde, um den Schülern die Marketingstrategien der Unternehmen vor Augen zu führen und kritisch zu beleuchten. «So hätte es ein lehrreiches Experiment werden können, das den Jugendlichen zeigt, wie sie als Werbeträger funktionieren und mit welchen Tricks Marketing betrieben wird», so Profos.
Doch das war weder die Idee der Exkursion, noch hielt es die HKV für nötig, das Ganze kritisch zu beleuchten. «Produkte verkaufen ist der Job dieser Schüler», sagt HKV-Rektor René Schmid. Und praxisnahe Ausbildung sei evident. Aus diesem Grund habe ein HKV-Lehrer eine Bekannte bei Unilever angefragt. Die Idee: Ein praxisnaher Ausflug zum Thema Marketing. So sei die Exkursion entstanden. Danach sei mit den Schülern reflektiert worden, wie PR funktioniert, sagt der zuständige Lehrer.
Auch die bei Unilever für die Exkursion verantwortliche Marketing-Fachfrau Céline Rusch hält die Kritik für unberechtigt.* «Statt Theorie hatten die Schüler mal einen Einblick in die Praxis», sagt Rusch, die den Ausflug zusammen mit dem ihr bekannten HKV-Lehrer organisiert hatte. «Ein gelungenes Projekt mit vielen positiven Rückmeldungen». Dass dabei nicht nur Promo-Artikel verschenkt, sondern laut E. auch Regale eingeräumt wurden, dementiert sie. Das sei nicht der Sinn des Projekts gewesen.
*Name der Redaktion bekannt – Initialen geändert.