Am «Monster-Abstimmungssonntag» am 27. September 2020 entscheidet das Volk über eine Änderung des Gesetzes zur direkten Bundessteuer. Sie will den pauschalen Kinderabzug sowie den Steuerabzug für Drittbetreuungskosten erhöhen. Der ursprüngliche Plan dahinter war, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erhöhen.
Doch wer profitiert davon? Wer gehört zum Mittelstand? Diese Fragen werden im Streit über die Steuervorlage entscheidend sein. watson beantwortet die wichtigsten Fragen zur Abstimmung.
Bei der Abstimmung über den höheren Kinderabzug geht es um die Frage, ob das Volk eine Gesetzesänderung annehmen will oder nicht. Das Parlament hat vor einem Jahr beschlossen, dass sie zwei Regelungen bei der direkten Bundessteuer ändern will. Es geht um folgende zwei Punkte:
Kurz gesagt: Bei der Abstimmung geht es darum, ob Eltern pro Kind einen höheren Betrag von der direkten Bundessteuer abziehen können. Betroffen von der Gesetzesänderung ist ausdrücklich nur die Bundessteuer.
Unter dem Drittbetreuungskosten versteht man die Ausgaben etwa für Kindertagesstätten (Kitas), Tagesschulen oder «Nannys» (häusliche Angestellte), die von Eltern bezahlt werden, damit jemand anders sich um die Kinder kümmert.
In der Regel geht es um die Kita-Kosten. Sie variieren stark von Stadt zu Stadt. Gemäss einer Befragung aus dem Jahr 2012 bezahlen Schweizer Eltern für Kitas im Schnitt 825 Franken pro Kind und Monat. Für ein ganzes Jahr sind das im Schnitt 9900 Franken.
Der Bundesrat hat auch ausgerechnet, wie viel eine Kita-Vollbetreuung (fünf Tage pro Woche) für ein Kind kosten würde. Sie schätzt, dass dies jährlich bis zu 32'000 Franken kosten würde.
Hintergrund der Gesetzesänderung ist die sogenannte Fachkräfteinitiative. Damit gemeint ist nicht eine richtige Volksinitiative, sondern ein Massnahmenpaket des Bundesrates, mit dem er gegen den Fachkräftemangel vorgehen will. Eine Idee betraf auch die Familie: Kann man bei den Steuern etwas ändern, damit «trotz Kind» weiterhin gearbeitet werden kann?
Die Landesregierung bestellte Gutachten, verglich die Zahlen und Daten mit den Kantonen und präsentierte 2018 schliesslich einen Gesetzesentwurf. Sie wollte höhere Drittbetreuungskosten-Abzüge nicht nur bei der Bundessteuer, sondern auch bei der Kantonssteuer. Dort herrscht bislang der Föderalismus, dank dem Eltern je nach Wohnort zwischen 3000 und 20'400 Franken pro Kind abziehen können. Der Bundesrat forderte hier eine «Harmonisierung»: Die Kantone sollten keine tiefere Obergrenze als 10'000 Franken mehr haben dürfen.
Der «Harmonisierungsvorschlag» passte vielen Kantonen und dem Parlament nicht. Er wurde gestrichen. Hinzu kam dafür eine andere Steuererleichterung: Eltern sollen nach dem Willen von National- und Ständerat bei der Bundessteuer auch einen höheren pauschalen Kinderabzug erhalten. Der Betrag wurde von 6500 auf 10'000 Franken erhöht.
Diese letzte Änderung zum höheren pauschalen Kinderabzug kam «im letzten Moment» hinzu, wie Kritikerinnen und Kritiker sagen. Der Zürcher CVP-Nationalrat Philipp Kutter erreichte diese Änderung mit einem Einzelantrag. Das Referendumskomitee kritisiert, dass sich so die Gesetzesänderung «schlagartig» von 10 auf 370 Millionen Franken verteuert habe – ohne, dass sich Kantone oder der Bundesrat sich dazu hätten äussern können.
Der Bund hat «grob geschätzt», dass die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs jährlich 10 Millionen Franken kosten. Die Steuerausfälle wegen des höheren allgemeinen Kinderabzugs werden mit rund 370 Millionen Franken angegeben.
Davon betroffen sind auch die Kantone, weil sie einen Teil der direkten Bundessteuer erhalten. Geschätzt wird, dass alle Kantone zusammen rund 80 Millionen Franken weniger ausbezahlt erhalten werden.
Das ist die umstrittenste Frage und auch der Grund, wieso ein Komitee von linken Organisationen das Referendum ergriffen hat. Generell kann gesagt werden: Je mehr die Eltern bei der Bundessteuer bezahlen, desto eher können sie von einem «Ja» bei der Abstimmung profitieren.
Der Streit dreht sich um die Tatsache, dass Eltern oder Alleinstehende mit tieferen Löhnen kaum oder nur zu niedrigen Tarifen besteuert werden. Gut 40 Prozent der Eltern bezahlen heute gar nichts an die Bundessteuer. Gemeint sind hier 40 Prozent der Eltern mit Familien. Kinderlose Personen profitieren gar nicht von dieser Steueränderung.
Dass besserverdienende Eltern mehr vom höheren Steuerabzug profitieren, bestätigt auch die Eidgenössische Steuerverwaltung. Sie rechnete aus, wie hoch die Einsparungen beim pauschalen Kinderabzug für unterschiedliche Einkommen sind:
Tatsache ist auch, dass eher wohlhabende Eltern eher den geplanten Maximal-Abzug für die Drittbetreuungskosten verrechnen werden können. Heute bezahlen Eltern in der Schweiz durchschnittlich 9900 Franken pro Kind für die Kita-Betreuung. Zahlen aus dem Kanton Bern zufolge seien nur in 1,47 Prozent der Fälle eine Drittbetreuung teurer gewesen als der heutige Maximalbetrag von 10'100 Franken.
Der Bundesrat relativiert diese Zahl jedoch mit dem eigentlichen Ziel der Gesetzesänderung: «Die Ausweitung dieses Abzugs kann zur Entscheidung führen, eine Erwerbstätigkeitaufzunehmen oder auszuweiten.» Sprich: Mit der Vorlage soll erreicht werden, dass Eltern mehr für Kitas und Co. bezahlen, damit sie einfacher einem Beruf nachgehen können.
Geschätzt wird, dass so «kurz- oder mittelfristig knapp 2500 Vollzeitstellen» geschaffen werden können. Die Schätzung basiere jedoch auf «zahlreichen Annahmen und ist daher mit hohen Unsicherheiten behaftet», schreibt der Bundesrat.
Für die Gesetzesänderung sind National- und Ständerat sowie der Bundesrat. Im Abstimmungskampf wird sich ein bürgerliches Komitee unter der Leitung der CVP für den höheren Kinderabzug einsetzen. Die Argumente der Befürworterseite sind:
Die SP hat das Referendum mit 53'088 gültigen Unterschriften dagegen ergriffen. Ihr Komitee argumentiert:
Änderungen: Erwähnung des Kutter-Einzelantrags in der Entstehungsgeschichte und Präzisierung bei Punkt 5, dass die 60 Prozent ausschliesslich Familien betrifft. – Unter Punkt 7 schlich sich zudem beim Punkt zur Familienpolitik ein Fehler ein, dort war die Rede von «hohen» statt von «tiefen» Krankenkassenprämien. Dies wurde korrigiert.
Diejenigen die es am ehesten brächten bekommen nichts.
Die Vorlage gehört deshalb abgelehnt !