«Der Einbruch ist massiv, der Export liegt mehrere hundert Millionen unter Vorjahr»
Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) erwähnt in seiner Medienmitteilung explizit einen Exportrückgang in die USA im dritten Quartal dieses Jahres. Sie sehen es etwas weniger negativ. Weshalb?
Stefan Legge: Wenn man das dritte Quartal mit dem zweiten vergleicht, resultiert in der Tat ein Rückgang. Diesen Befund muss man allerdings in einen grösseren Kontext einordnen.
Bitte.
Schaut man sich die Exporte in die USA an, fällt einem auf, wie stark Pharma und Gold ins Gewicht fallen. Aufgrund der Unsicherheit im Vorfeld von Donald Trumps «Liberation Day» im April haben Schweizer Pharmaunternehmen ungewöhnlich viele Exporte ins erste Quartal vorgezogen. Dass es im zweiten und dritten Quartal zu Rückgängen kommt, ist normal. Dies verzerrt das Ergebnis jedoch enorm.
Sie vergleichen lieber die ersten drei Quartale dieses Jahres mit den ersten drei im vergangenen Jahr.
Genau. Dann zeigt sich: Die Schweiz hat in diesem Zeitraum 2025 4,6 Prozent mehr exportiert als 2024. So schlecht schaut es also nicht aus.
Haben Sie das so erwartet?
Nein. Der US-Zollsatz von 39 Prozent für die Schweiz ist schon heftig. Allerdings beeinflussen die Exporte im Pharmabereich das Gesamtresultat, wie gesagt, deutlich. Da gibt es noch keine Zölle und es ist gut möglich, dass die Schweizer Pharmaunternehmen aus Angst auch jetzt noch Exporte vorziehen, weil sie davon ausgehen, dass Trump auch für Pharmaprodukte einen hohen Zollsatz einführen wird. Auch auf Gold fallen keine Zölle an. Deswegen muss man die guten Exportzahlen dennoch mit Vorsicht betrachten.
Die aktuellen Zahlen zeigen: Die Exporte der Schweizer Maschinenindustrie gehen ab August deutlich zurück. Die Bedenken dieses Exportzweigs wegen Trumps Zöllen haben sich also bewahrheitet.
Absolut. Für zahlreiche Firmen im Maschinensektor ist die Situation sehr schlimm. Einen Zoll von 39 Prozent, der erst noch aus heiterem Himmel kam, kann man nicht einfach weitergeben. Der Einbruch ist massiv, der Export liegt aktuell mehrere hundert Millionen Franken unter Vorjahr. Hinzu kommt, dass der Schweizer Franken sich gegenüber dem US-Dollar aufgewertet hat. Das macht der Maschinenindustrie das Leben zusätzlich schwer.
Die Export-Debatte in der Schweiz konzentriert sich stark auf Güter. Wieso spricht man nicht intensiver über den Export von Dienstleistungen?
Wir sind aktuell an der Auswertung dran. Es zeigt sich: Im zweiten Quartal dieses Jahres sind die Importe von Dienstleistungen aus den USA leicht zurückgegangen, die Exporte stiegen leicht an. Warum man nicht mehr darüber redet, hat einerseits damit zu tun, dass diese Daten nicht so genau erfasst werden. Es gibt keine so detaillierte und präzise Aufschlüsselung wie bei Gütern. Andererseits gibt es auf Dienstleistungen fast keine Zölle, deswegen war dieser Teil des Handels lange uninteressant. Das könnte sich aber bald ändern.
Weshalb?
Wegen Trumps Zöllen. Es ist denkbar, dass Schweizer Unternehmen eine Maschine nicht mehr wie bislang für 1000 Franken verkaufen, sondern neu für 500 Franken. Dafür rechnen sie mehr für die Wartung der Maschine und andere Dienstleistungen ab. Diese Umstellung werden die Firmen im grossen Stil vornehmen, sollte der Zollsatz so hoch bleiben. Aber klar, eine solche Anpassung der Wertschöpfung braucht Zeit.
Insgesamt betrachten Sie in Bezug auf die USA das Glas als halb voll. Wieso diese Zuversicht?
Beim Güterexport sind die USA der wichtigste Einzelhandelspartner der Schweiz. Der Export in die USA (ohne Gold und Pharma) macht aber aktuell nur 1,8 Prozent unseres Aussenhandels aus. Für die Schweizer Wirtschaft als Gesamtes sind die US-Zölle kein riesiger Schock. Der wichtigste Handelspartner ist weiterhin die EU. Es ist für die Schweiz von grösserer Sorge, dass der Handel mit Deutschland, Frankreich und Grossbritannien derzeit stagniert.
Ein spannender Fakt zum Schluss. Schaut man sich die Zahlen für 2025 an, zeigt sich: 99 Prozent der Importe von Gütern aus den USA in die Schweiz sind zollfrei. Wieso reichte dieses Argument in den Zollverhandlungen nicht?
Bei den Unterhändlern hat dieser Fakt schon verfangen, der entscheidende Mann im Weissen Haus hat dies jedoch anders gesehen. Daran dürfte sich auch nichts ändern. Trump hat nebst der negativen Handelsbilanz auch immer mit den hohen Schweizer Agrarzöllen argumentiert. Dabei ist es vollkommen wurscht, ob die USA als gigantische Volkswirtschaft jetzt auch noch ein paar Tonnen Rindfleisch in die Schweiz exportieren können. Zumal: Die Zölle etwa spezifisch für Rindfleisch aus den USA zu reduzieren, ist mit dem internationalen Handelsrecht nicht vereinbar. Es bräuchte ein Freihandelsabkommen, das ist aktuell aber komplett unrealistisch.
