Der Schweizer Wein braucht keine Subventionen!
Der Anblick hätte Weingott Bacchus zu Tränen gerührt. Da thronten 22 Pinot Noirs: Grands Crus aus dem Burgund, sogar der Rolls-Royce der Weinwelt, eine Flasche Romanée-Conti. Aber dazwischen standen Schweizer Flaschen: Gantenbein aus Fläsch, Bechtel aus Eglisau, Kloster Sion» aus Würenlingen, Domaine de la Rochette aus Neuenburg. Und andere.
Das Fazit dieser Degustation vor einem Monat? Ohne Einflüsterungen hätte kaum jemand der Weinfreunde, Winzer und Weinkenner am Tisch herausgefunden, welches nun die Schweizer Pinot Noirs und welches jene berühmten, auch mal über 1000 Franken teuren Weine aus dem Burgund waren. Das hiess nichts anderes und Grossartigeres, als dass die Schweizer Pinot Noirs Weltklasse sind.
Im Ausland weiss man wenig von diesem Weinwunder, da die Flaschen kaum dorthin gelangen: Die Schweizer Weinfreunde, die Händler und die Restaurants kaufen alles, was sie von den sorgfältig arbeitenden Winzern kriegen können. Die guten Winzer können nach wie vor die Preise erhöhen, ihre Produktionen sind klein. Geld macht man bei Produktionskosten von 12 Franken für eine Flasche dennoch. Im Fass ausgebaute Schweizer Weine kosten meistens über 30, oft gar über 50 Franken. Nicht wenig, aber im Vergleich zum Burgund sind diese Schweizer Preise tief.
Die enorme Qualitätssteigerung der Schweizer Weine hat auch damit zu tun, dass sehr viele Weine in die Schweiz importiert werden: Konkurrenz belebt das Geschäft, sorgt für Qualität.
Subventionen trotz Wein-Hoch gefordert
Trotz dieses Wein-Hochs wird nun, da der Weinkonsum drastisch sinkt, nach Subventionen gerufen. Anfang Woche hat der Ständerat beschlossen, dass der Bund sofort zusätzliche 10 Millionen Franken für die Absatzförderung – also Weinwerbung – ausgeben soll. Doch ist es sinnvoll, Durchschnitts-Chasselas aus der Côte oder dem Wallis zu fördern und ihn zum Kulturgut zu erheben?
Die Winzer sehen schwarz, wurden doch 2024 nur noch 77,4 Millionen Liter Schweizer Wein konsumiert, was ein Rückgang gegenüber 2023 von 15,6 Millionen Liter bedeutet – minus 16 Prozent. Der ausländische Wein hingegen verlor bezeichnenderweise viel weniger. Der Marktanteil des Schweizer Weins beläuft sich allerdings immer noch auf 35,6 Prozent. Bei Nachbarn wie den Weinweltmeistern Italien und Frankreich kann man das auch beachtlich nennen.
Wein zum Luxusprodukt geworden
Einer der Gründe für den Rückgang des Konsums ist absurderweise auch der Erfolg der Schweizer: Der sehr gute Wein ist zu einem Luxusprodukt geworden. Um gewisse Flaschen wird ein Tamtam wie um eine Rolex-Uhr gemacht. Wer bei guten Winzern Wein kaufen will, muss auch mal betteln. Stammkunden, die vier Kisten in den Kofferraum laden, erhalten dann drei Flaschen von den besten und teuersten Weinen dazu.
Schön so, aber schade eben, dass es die Swatch der Schweizer Weine schwer hat – oder es sie kaum gibt. Für 10 Franken erhält der Kunde nun mal einen besseren ausländischen Wein. Da hilft es wenig, dass es zwischen 15 und 20 Franken tolle Schweizer Weine gibt. Die Preis-Schere zwischen Durchschnitt und Weltklasse ist genauso gross wie das Klagen gewisser Winzer.
Suchtprävention als Grund für Rückgang?
Es gibt weitere Gründe für den Rückgang des Weinkonsums, vielleicht ist einer sogar die Suchtprävention des Bundesamts für Gesundheit. Wo früher am Abend immer wieder mal eine Flasche auf dem Tisch stand, ists heute nicht mal mehr ein Glas. Gerade auch in Weinregionen.
Wenn man allerdings die Preissteigerungen vieler Bündner Winzer anschaut, muss man sich um diese Kleinbetriebe keine Sorgen machen. Dass es den Bündnern so gut läuft, hängt auch damit zusammen, dass die dortigen Restaurants diese Weine feiern, dass selbst wir Deutschschweizer uns in Bergün und Pontresina ferienpudelwohl fühlen und noch und noch Adank, Studach, Davaz und Co. bestellen.
In der Nordostschweiz hingegen muss ein Restaurantgast froh sein, wenn er lokale Weine auf der Karte findet. Ja, im Thurgau muss ich den Müller-Thurgau bisweilen auf der Weinkarte suchen. Diesen Missstand mit Subventionen ändern? Vielleicht wäre eine Kritik an den Wirten hilfreicher. Sie hoffen, mit einem gesichtslosen Pinot Grigio aus Italien im Offenausschank noch einen Franken mehr pro Gläsli zu verdienen als mit einem Müller-Thurgau von Ottenberg. Probieren Sie mal. (aargauerzeitung.ch)
