Es ist ein paradoxer Vorwurf. Die Erfindung von Bitcoin war eine Reaktion auf die Weltfinanzkrise 2007/2008, bei der dubiose Banken-Machenschaften eine tragende Rolle spielten. Und nun sollen ausgerechnet Banken den Hype um das Feindbild nicht verschlafen dürfen?
Doch so einfach ist es nicht.
In den letzten 15 Jahren ist viel geschehen. Der weltweit grösste Vermögensverwalter Blackrock hat Bitcoin- und Ethereum-ETFs eingeführt. Viele andere namhafte Player ebenfalls. Der Bitcoin-ETF von Blackrock bricht seither einen Rekord nach dem anderen.
Und es gibt weitere Indikatoren für eine sehr breite Akzeptanz von Bitcoin und Co: Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der Hochschule Luzern (im Auftrag von Postfinance) investiert jede achte Schweizer Person in Kryptowährungen (11 Prozent). Das sind immerhin eine Million Menschen. Von den Personen mit einem Einkommen über 150’000 Franken im Jahr hat gar fast jeder Vierte (22 Prozent) bereits in Kryptowährungen investiert. Ebenfalls überdurchschnittlich hoch ist der Anteil bei jüngeren Personen.
Bei einer Million Investoren geht es um viel Geld – und bei den Jungen um eine kommende Generation von Kunden. Logischer Schluss: Schweizer Banken spammen ihre Kunden mit Angeboten nur so zu. Weit gefehlt. Noch immer befinden sich die meisten der hiesigen Finanzinstitute im Bitcoinröschenschlaf. Das zeigen die Antworten der 17 von uns angeschriebenen Banken und Vermögensverwalter.
«Krypto ist keine Asset-Klasse auf unserer Empfehlungsliste», schreibt etwa der Genfer Vermögensverwalter Pictet, der über 600 Milliarden Dollar verwaltet. «Kunden mit Interesse verweisen wir an kompetente externe Partner.» Immerhin: ETFs gibt es – wie mittlerweile überall.
Auch die grösste Schweizer Bank, die UBS, gibt sich in Sachen Bitcoin seit jeher zurückhaltend. Auf unsere Anfrage reagierte die Bank nicht. Bitcoin sei aufgrund seiner Volatilität nicht geeignet als strategische Portfolioanlage, zitierte Cash Mark Haefele, den Chief Investment Officer der UBS, vor wenigen Tagen. Man sei skeptisch, dass Kryptowährungen in nennenswerter Weise in die Realwirtschaft vordringen würden.
Ähnlich sieht man das bei der Raiffeisen-Bank: Das Kundeninteresse sei aufgrund des Hypes gestiegen. Bitcoin und Co. bietet die Genossenschaft ihren Kunden aber weiterhin nur indirekt über ETFs an. Auf die Frage, welche Note Bitcoin und Ethereum als Anlagen auf einer Skala von 0 (extrem unsicher) bis 10 (extrem sicher) erhalten würden, werden die Nummer Eins und Zwei im Kryptomarkt abgewatscht: Bitcoin erhält eine Drei, Ethereum eine Zwei.
Auch Migrosbank-Kunden bleibt der Bitcoinkauf verwehrt (ETFs möglich). Immerhin existiert hier ein Beratungsangebot, bei dem auch Kryptowährungen als Teil eines diversifizierten Portfolios besprochen werden können.
Progressiver geben sich einige Kantonalbanken und die Postfinance. Bei der Zürcher, der Zuger, der Luzerner, der St. Galler und der Thurgauer Kantonalbank können Kunden direkt Bitcoin und Ethereum erstehen. Genauso bei der Postfinance. Die Institute übernehmen dabei die Verwaltungsfunktion der Zugangsschlüssel. Das Versenden oder Empfangen von Coins funktioniert bisher nur bei der Luzerner Kantonalbank, bei Swissquote und laut Recherchen des House of Satoshi beim VZ Vermögenszentrum.
Wieso Bitcoin und Co. aber bei einer Bank lagern? Hat nicht auch watson.ch jahrelang auf den Spruch «Not your keys, not your coins» verwiesen: «Wenn du nicht über die Zugangsschlüssel verfügst, sind es nicht deine Münzen»?
Doch.
Und der Spruch hat weiterhin seine Gültigkeit. Doch die Sache wurde mit steigenden Kursen nicht einfacher.
Michi Schweizer, der 2017 für 5000 Franken fünf Bitcoins gekauft hatte, lagert, sofern er den Höllenritt bis heute mitmachte, fast eine halbe Million Dollar (Stand: 21.11.2024) zuhause. Vielleicht stehen seine privaten Zugangsschlüssel auf einem Zettel in einer Guetzlibüchse, oder er benutzt dafür ein sogenanntes Cold Wallet – zugenommen haben gottlob nicht nur die Kurse, sondern auch die Möglichkeiten der «sicheren» Lagerung privater Schlüssel. Trotzdem ist es nicht jedermanns Sache, unbeschwert in die Ferien zu fahren, während zuhause der Zugang zu einem Vermögen zurückbleibt.
Hinzu kommt das technische Gefummel mit Krypto-Wallets, das gerade auch ältere Menschen davon abhält, sich ernsthafter damit zu beschäftigen.
Für Schweizer Banken gäbe es deshalb genügend Spielraum, sich ebenfalls ein Stück des Bitcoin-Kuchens abzuschneiden. Aktuell, auch das geht aus der Studie der Universität Luzern hervor, erstehen Schweizer Kryptokäufer ihre Coins nämlich noch am liebsten im Ausland. Namentlich bei Revolut und Binance. Swissquote schafft es als einziger nationaler Anbieter immerhin auch noch in die Top 3.
Sie sind aber nichts anderes als ein hochriskantes Spekulationsobjekt und ganz sicher auch kein "Asset" (dafür müssten sie einen realen Eigenwert haben).
Keine einzige Geldfunktion wird erfüllt, zumal Geld sich nicht durch Wertschwankungen, sondern durch seine Stabilität auszeichnet.
Der "Erfolg" der Kryptos als Spekulationsobjekt ist damit gerade dem Umstand geschuldet, dass es keine digit. Ersatzwährung ist, sondern ein grosser Etikettenschwindel.