
Frauen sind in der Wissenschaft noch immer untervertreten.bild: shutterstock.com
Nach dem Master-Titel kommt der grosse Einbruch: Nicht einmal die Hälfte der Schweizer Forschenden sind Frauen, zeigen neue Zahlen. Eine Expertin sagt, was jetzt passieren muss.
07.12.2019, 15:0009.12.2019, 08:58
Die neuen Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS) zur Frauenvertretung in der Wissenschaft zeigen, dass sie dort immer noch grösstenteils untervertreten sind. Zwar hat seit dem Jahr 2000 der Frauenanteil unter den Forschenden stetig zugenommen. Dennoch liegt dieser immer noch deutlich unter 50 Prozent.
Claudia Appenzeller vom Verbund Akademien der Wissenschaft Schweiz ist nicht erstaunt. «Es hat sich zwar verbessert, aber die Bemühungen müssen intensiviert werden. Es dauert viel zu langsam», sagt die Generalsekretärin.
Diese vier Grafiken zeigen, wie es um den Frauenanteil in der Schweizer Wissenschaft wirklich steht:
Der Frauenanteil vom Gymi zur Professur
Im Jahr 2017 haben in der Schweiz mehr Frauen die Gymnasiale Matur, Berufsmatur oder eine Fachmaturität absolviert. Mehr Frauen sind in eine Hochschule eingetreten, mehr Frauen haben einen Bachelor oder Master erhalten. Doch bereits auf Stufe des Doktortitels kehrt die Verteilung. 2290 Männer und nur 1859 Frauen haben diesen Titel erreicht.
Auch auf den darauffolgenden Forschungsstufen zeigen die Zahlen: Je höher der akademische Abschluss, desto weniger Frauen hat es. Claudia Appenzeller von den Akademien der Wissenschaft Schweiz sagt: «Für Frauen ist es immer noch schwierig, eine akademische Karriere zu machen und eine Familie zu gründen.» Die Universitäten hätten zwar grosse Fortschritte gemacht und mittlerweile Kinderkrippen eingerichtet. «Aber das System greift vielfach zu langsam», sagt Appenzeller.
Da bisher mehrheitlich Männer wissenschaftliche Karriere gemacht hätten, würden die traditionellen Karriereanforderungen für viele Frauen nicht stimmen. «Für eine Professur muss man beispielsweise oftmals einen längeren Auslandsaufenthalt absolvieren. Aber für viele Frauen ist das nicht möglich, deshalb konnten sie diesen Karriereschritt nicht machen.» Es brauche zur Frauenförderung deshalb mehr individuelle Lösungen.
Der Frauenanteil in den verschiedenen Sektoren
Ausser in den Geisteswissenschaften und Künsten und in den Agrarwissenschaften und Veterinärwesen hat es weniger Frauen. Im Bereich Ingenieurwesen und Technologie hingegen sind es zu zwei Drittel Männer und nur zu einem Drittel Frauen. Das Interesse für Technik ist bei den Frauen auch sehr gross. «Aber sie finden den Zugang dazu weniger, weil es ihnen nicht vorgelebt wird», sagt Appenzeller. Es brauche bereits im Schulalter weibliche Vorbilder in der Technologie. Dies fördere beispielsweise das Programm «Swiss TecLadies». Dieses wolle veraltete Rollenbilder und Stereotypen im Bezug auf Technikberufe aus dem Weg schaffen und Jugendliche und Mädchen mit Mentoring gezielt fördern.

Frauen sollen bereits im jungen Alter den Weg in Technologie-Bereiche finden.Bild: KEYSTONE
Die Entwicklung seit 2000
In den letzten 17 Jahren hat der Frauenanteil in der Forschung im öffentlichen Sektor zugenommen. Im Jahr 2000 waren es lediglich 20 Prozent, 2017 gab es bereits 35 Prozent Frauen unter den Forschenden. Das Bewusstsein bei Hochschulen und Universitäten sei sehr gewachsen. «Viele haben sich in der Rekrutierung ein Ziel bei der Anzahl Frauen gesetzt und versuchen, dieses wenn möglich einzuhalten», sagt Appenzeller. Sie empfehle, dass in den Rekrutierungskommissionen der Unis mindestens eine Frau dabei sei. «Denn das Ideal, das jede Universität bei den Forschenden anstreben muss, ist ein 50:50-Verhältnis», sagt Appenzeller.
Die Schweizer Wissenschaftlerinnen im internationalen Vergleich
Mit einem Frauenanteil von 35 Prozent in der Forschung befindet sich die Schweiz im internationalen Vergleich im Mittelfeld, an gleicher Stelle wie Belgien und Italien. Island hat mit 46 Prozent den höchsten Frauenanteil in der Forschung. Doch bei der Akademien der Wissenschaft Schweiz ist man mit der Platzierung der Schweiz nicht zufrieden: «Wir sollten mindestens an zweiter Stelle sein – das wäre nicht abwegig. Denn wir sind ein Land mit hohen Abschlussquoten von Frauen und wir haben einen grossen Forschungssektor», sagt Generalsekretärin Appenzeller.
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Video: watson
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