Es handelt sich vordergründig um eine knochentrockene Angelegenheit, um die Höhe der Reserven der Versicherer. Doch hat die Diskussion um deren Abbau unmittelbare Auswirkungen auf das Portemonnaie der Prämienzahler: Häufen die Krankenversicherer allzu hohe Reserven an, behindern sie eine moderate Prämienentwicklung.
Damit soll jetzt Schluss sein. Denn längst ist der Moment allzu hoher Reserven erreicht. Die Versicherer haben in den letzten drei Jahren Reserven in der Höhe von 11.3 Milliarden Franken angehäuft. Das ist doppelt so viel wie das gesetzliche Minimum.
Deshalb wollten mehrere Kantone die Krankenkassen dazu bringen, die übermässigen Reserven radikal abzubauen. Sie haben dazu zehn Standesinitiativen eingereicht, in welchen sie den Abbau der Reserven erzwingen wollen, sobald diese das gesetzliche Minimum um 50 Prozentpunkte überschreiten – was bei den allermeisten Krankenkassen der Fall ist. Das würde konkret bedeuten: Wenn die Kosten der Versicherten tiefer ausfallen als bei der Prämienberechnung erwartet, sollen die bereits eingenommenen Prämiengelder nicht in die Reserven fliessen, sondern tiefere Prämien ermöglichen.
Doch die Kantone sind mit ihrer Forderung aufgelaufen. Die bürgerliche Mehrheit des Ständerats lehnte am Dienstag das Anliegen mit 20:17 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Als Grund führten die Gegner an, dass tiefere Reserven zu einer unsteten Prämienentwicklung, zu einem Jo-Jo-Effekt führen könnten: «Auf einen Reserveabbau könnte ein massiver Prämienanstieg in den kommenden Jahren folgen», warnte Erich Ettlin (OW/Mitte). Zwar findet auch er, die Krankenversicherer sollen Reserven abbauen. Dies soll aber auf freiwilliger Basis geschehen. «Einen fixen Wert festzulegen, macht keinen Sinn», sagte Ettlin.
Vergeblich wiesen die Befürworter darauf hin, dass zu hoch angesetzte Prämien einen ganzen Rattenschwanz nach sich zögen. Beispielsweise müssen dann Bund und Kantone höhere Prämienverbilligungen vergüten. «So zahlen nicht nur die Versicherten, sondern auch die Steuerzahler zu viel», monierte Ständerätin Maya Graf (BL/Grüne). Sie fand aber kein Gehör.
Vorwärts geht es trotzdem. So hat der Bundesrat unlängst den freiwilligen Abbau der Reserven vereinfacht. Anfang April hat er die entsprechende Verordnung angepasst, seit dem 1. Juni ist sie in Kraft. Durch diese Vereinfachung können die Krankenkassen bereits für die kommende Prämienrunde im Herbst Reserven zu Gunsten tieferer Prämien abbauen.
Es gibt noch einen weiteren Grund, wieso eine moderate Prämienrunde, ja gar sinkende Prämien für 2022 möglich sind: Mehrere Indikatoren geben an, dass während der Pandemie die Zahl der medizinischen Leistungen, die über die Krankenkasse abgerechnet werden, rückläufig waren.
Das zeigen beispielsweise die Zahlen der Ärzteschaft: Im April 2020 brach das Abrechnungsvolumen der Arztpraxen im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent ein. Zwar konnten viele über den Sommer einen Teil des Verlusts wieder aufholen. Unter dem Strich ging aber sowohl die Zahl der behandelten Patienten wie auch das Abrechnungsvolumen um mehr als ein Prozent zurück.
Die Zahlen des Bundesamts für Gesundheit, das die Kostenentwicklung der Krankenkassen überwacht, deuten zwar auf ein geringes Kostenwachstum hin: Zwischen 2019 und 2020 stiegen die Ausgaben um 0.4 Prozent. Allerdings zeigt die Entwicklung des ersten Quartals 2021, dass die Ausgaben sinken. Natürlich gleichen Schätzungen zur Kostenentwicklung im Gesundheitswesen und Mutmassungen zur Prämienhöhe fürs kommende Jahr einem Orakel. Der absehbare Abbau der Reserven gepaart mit einem moderaten Kostenwachstum stimmen aber durchaus optimistisch. (bzbasel.ch)