Schweiz
Wirtschaft

Krankenkassen sollen Reserven abbauen: Sinken bald die Prämien?

Der Abbau der Reserven wirkt sich auf das Portemonnaie der Prämienzahler aus.
Der Abbau der Reserven wirkt sich auf das Portemonnaie der Prämienzahler aus.bild: keystone

Krankenkassen sollen Reserven abbauen: Sinken bald die Prämien?

Krankenversicherer haben über 11.3 Milliarden Franken Reserven angehäuft. Diese sollen sie zu Gunsten tieferer Prämien abbauen.
16.06.2021, 05:37
Anna Wanner / ch media
Mehr «Schweiz»

Es handelt sich vordergründig um eine knochentrockene Angelegenheit, um die Höhe der Reserven der Versicherer. Doch hat die Diskussion um deren Abbau unmittelbare Auswirkungen auf das Portemonnaie der Prämienzahler: Häufen die Krankenversicherer allzu hohe Reserven an, behindern sie eine moderate Prämienentwicklung.

Damit soll jetzt Schluss sein. Denn längst ist der Moment allzu hoher Reserven erreicht. Die Versicherer haben in den letzten drei Jahren Reserven in der Höhe von 11.3 Milliarden Franken angehäuft. Das ist doppelt so viel wie das gesetzliche Minimum.

Kantone fordern faire Prämienrechnung

Deshalb wollten mehrere Kantone die Krankenkassen dazu bringen, die übermässigen Reserven radikal abzubauen. Sie haben dazu zehn Standesinitiativen eingereicht, in welchen sie den Abbau der Reserven erzwingen wollen, sobald diese das gesetzliche Minimum um 50 Prozentpunkte überschreiten – was bei den allermeisten Krankenkassen der Fall ist. Das würde konkret bedeuten: Wenn die Kosten der Versicherten tiefer ausfallen als bei der Prämienberechnung erwartet, sollen die bereits eingenommenen Prämiengelder nicht in die Reserven fliessen, sondern tiefere Prämien ermöglichen.

Doch die Kantone sind mit ihrer Forderung aufgelaufen. Die bürgerliche Mehrheit des Ständerats lehnte am Dienstag das Anliegen mit 20:17 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Als Grund führten die Gegner an, dass tiefere Reserven zu einer unsteten Prämienentwicklung, zu einem Jo-Jo-Effekt führen könnten: «Auf einen Reserveabbau könnte ein massiver Prämienanstieg in den kommenden Jahren folgen», warnte Erich Ettlin (OW/Mitte). Zwar findet auch er, die Krankenversicherer sollen Reserven abbauen. Dies soll aber auf freiwilliger Basis geschehen. «Einen fixen Wert festzulegen, macht keinen Sinn», sagte Ettlin.

Vergeblich wiesen die Befürworter darauf hin, dass zu hoch angesetzte Prämien einen ganzen Rattenschwanz nach sich zögen. Beispielsweise müssen dann Bund und Kantone höhere Prämienverbilligungen vergüten. «So zahlen nicht nur die Versicherten, sondern auch die Steuerzahler zu viel», monierte Ständerätin Maya Graf (BL/Grüne). Sie fand aber kein Gehör.

Wieso Prämienzahler trotzdem aufatmen können

Vorwärts geht es trotzdem. So hat der Bundesrat unlängst den freiwilligen Abbau der Reserven vereinfacht. Anfang April hat er die entsprechende Verordnung angepasst, seit dem 1. Juni ist sie in Kraft. Durch diese Vereinfachung können die Krankenkassen bereits für die kommende Prämienrunde im Herbst Reserven zu Gunsten tieferer Prämien abbauen.

Es gibt noch einen weiteren Grund, wieso eine moderate Prämienrunde, ja gar sinkende Prämien für 2022 möglich sind: Mehrere Indikatoren geben an, dass während der Pandemie die Zahl der medizinischen Leistungen, die über die Krankenkasse abgerechnet werden, rückläufig waren.

Weniger Behandlungen in Arztpraxen

Das zeigen beispielsweise die Zahlen der Ärzteschaft: Im April 2020 brach das Abrechnungsvolumen der Arztpraxen im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent ein. Zwar konnten viele über den Sommer einen Teil des Verlusts wieder aufholen. Unter dem Strich ging aber sowohl die Zahl der behandelten Patienten wie auch das Abrechnungsvolumen um mehr als ein Prozent zurück.

Die Zahlen des Bundesamts für Gesundheit, das die Kostenentwicklung der Krankenkassen überwacht, deuten zwar auf ein geringes Kostenwachstum hin: Zwischen 2019 und 2020 stiegen die Ausgaben um 0.4 Prozent. Allerdings zeigt die Entwicklung des ersten Quartals 2021, dass die Ausgaben sinken. Natürlich gleichen Schätzungen zur Kostenentwicklung im Gesundheitswesen und Mutmassungen zur Prämienhöhe fürs kommende Jahr einem Orakel. Der absehbare Abbau der Reserven gepaart mit einem moderaten Kostenwachstum stimmen aber durchaus optimistisch. (bzbasel.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
19 Gesundheitstipps vom schlechtesten Arzt der Welt
1 / 21
19 Gesundheitstipps vom schlechtesten Arzt der Welt
«Wenn du Bauchschmerzen hast, bedeutet das, dass dein Magen etwas Öl braucht, um wieder wie geschmiert zu funktionieren. Iss viel Frittiertes und du wirst dich sofort besser fühlen!»
bild: twitter

Auf Facebook teilenAuf X teilen
Günstigere Krankenkasse für einen gesunden Lebensstil
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
35 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Strato Caster
16.06.2021 06:11registriert November 2020
Mir ist nicht ganz verständlich wie eine Institution wie die Krankenkasse, die notabene den Menschen helfen sollte, soviel Geld anhäufen kann. Trotzdem jedes Jahr, erneut und vorallem immer stärker, in die Brieftasche derer greifft die eh schon knapp bei Kasse sind. Sich dann auch noch beklagen, dass das Gesundheitswesen immer teurer werde und nochmal nachfasst bei den Prämienzahlern! Wenn jetzt die Prämien nich purzeln dann weiss ich auch nicht weiter!
305
Melden
Zum Kommentar
35
Du träumst von deinem eigenen Haus? Träum weiter!

Der Traum vom eigenen Haus rückt für viele Menschen in immer weitere Ferne. Alleine in den letzten fünf Jahren sind die Preise von Einfamilienhäusern im Kanton Zürich laut einer Analyse der Zürcher Kantonalbank (ZKB) um ein Viertel gestiegen.

Zur Story