Das Verkaufspersonal in der Coop-Filiale am Zürcher Albisriederplatz war am Montag nicht zu beneiden. Zwar hatte es sich bemüht, die Kundschaft am Eingang mit einem improvisierten Schild auf den Ausfall der digitalen Bezahlterminals hinzuweisen. «Nur Postkarte oder Bargeld», stand da in rotem Filzstift.
Der Hinweis erreichte aber einen Grossteil der Kundschaft nicht. Etliche Kundinnen und Kunden, die kein Bargeld dabei hatten, standen verärgert an den Self-check-out-Kassen und versuchten verzweifelt, per Karte zu bezahlen – erfolglos. Viele liessen ihre Einkäufe an den Kassen zurück. Dem Personal blieb nur eines: sich ständig für das Chaos zu entschuldigen.
Zu tumultartigen Szenen kam es nicht nur in Zürich. Die Kartenterminals bei Coop streikten nämlich Anfang Woche in der ganzen Schweiz. «Es handelte sich um eine technische Störung, welche die Netzanbindung zu einem Zahlungsdienstanbieter beeinträchtigte», erklärt Coop-Sprecherin Rebecca Veiga. Weitere Details kommuniziert Coop nicht.
Verantwortlich für die Abwicklung der Kartenzahlungen bei Coop ist der französische Konzern Worldline. Im Jahr 2018 kaufte er den Schweizer Anbieter Six Payment Services für 2.3 Milliarden Euro auf und dominiert seither den hiesigen Markt. Das Geschäft ist äusserst lukrativ: Die Muttergesellschaft Worldline erwirtschaftete letztes Jahr einen Umsatz von 3.6 Milliarden Euro und einen Gewinn von Steuern von über 600 Millionen Euro.
An der aktuellen Panne trägt der Marktführer laut eigenen Angaben aber keine Schuld. Zur Störung führte ein IT-Problem auf der Seite von Coop. Für den Schweizer Detailhändler ist das bitter: Denn die selbst verschuldete Panne geht ins Geld, zumal das Unternehmen gegen einen Ausfall der Kartenterminals nicht versichert ist, wie Coop auf Anfrage bestätigt.
Mit Blick auf Coops jährlichen Detailhandelsumsatz von 19.6 Milliarden Franken dürfte der Verlust, den das Unternehmen durch die schweizweite Störung an diesem Tag erlitten hat, bis zu mehreren Millionen Franken betragen haben. Konkrete Zahlen nennt Coop nicht. Aber: «Der Ausfall der Kartenzahlungen hatte Auswirkungen auf den Umsatz.»
Da es in den letzten Monaten immer wieder zu massiven Störungen gekommen ist, die den Handel empfindlich getroffen haben, liegen die Nerven in der Branche blank. So fielen bereits im Mai, Juni und im August breitflächig Kartenterminals aus, teils wegen Problemen bei Worldline, teils wegen Problemen bei Postfinance. Betroffen waren damals auch Coop und Migros. Die Händler seien angesichts der «schlechten Performance» der involvierten Akteure im Zahlungsprozess «sehr unzufrieden», sagt ein Branchenkenner.
Um weitere teure Ausfälle zu vermeiden, sorgt Coop nun vor. «Wir überprüfen unsere Versicherungsdeckung regelmässig, dazu gehört auch der aktuelle Fall», so Sprecherin Rebecca Veiga. Tatsächlich sind Pannen bei der Kartenzahlung versicherbar. Die Zürich Versicherung bietet beispielsweise eine Lösung an, die zusätzlich zu Betriebsunterbrüchen wegen Feuer oder Elementarschäden Verluste durch IT-Pannen oder Hackerangriffe deckt.
Bei Coop läuft nun die Aufarbeitung des jüngsten Kartenchaos an. Zusammen mit Worldline wird versucht, «aus solchen Situationen zu lernen und Optimierungen in Bezug auf die Stabilität umzusetzen». «Die gesamte Branche, also Händler, Banken, Zahlungsdienstleister und Netzwerkbetreiber arbeiten stetig an der Optimierung der Prozesse und Infrastruktur», sagt eine Worldline-Sprecherin. «In 99.9 Prozent der Fälle funktionieren Zahlungen problemlos, umso ärgerlicher ist es, wenn dies nicht der Fall ist.» Man stehe als zentraler Anbieter mit den Grossverteilern in engem Austausch.
Ob die jüngste Panne den kurzfristigen Bedarf an Bargeld an den Bankomaten in die Höhe getrieben hat, ist ungewiss. Tagesaktuelle Zahlen geben die Banken wie auch die Schweizerische Nationalbank nicht bekannt. Klar ist: Das Bargeld befindet sich auf dem Rückzug. Gemäss SNB-Daten ist die Zahl der monatlichen Debitkarten-Transaktionen seit 2018 von 73 Millionen auf heute 122 Millionen gestiegen. Auch im Ausland zahlen Schweizerinnen und Schweizer immer öfter mit dem Plastikkärtchen.
Dennoch hat die Störung aufgezeigt, dass das bequeme Zahlen per Karte auch Risiken birgt. Risiken, die durch die drohende Strommangellage noch akzentuiert werden. Im Notvorratsratgeber des Bundes heisst es deshalb: «Da bei Stromunterbruch auch Bankomaten betroffen sind und elektronische Zahlungsmittel wie Debit- und Kreditkarten oder die Bezahlung via Smartphone ausfallen können, empfiehlt der Bund eine minimale Bargeldreserve in kleinen Scheinen.» (aargauerzeitung.ch)
Wie kann es sein, dass es soviele Leute gibt, die ein Schild nicht lesen können?