Lohnabzüge für Studis und Lehrlinge – Jungbürgerliche kritisieren Bersets Rentenreform
Das Schweizer Rentensystem steckt in einer Sackgasse: Wir werden älter und das angesparte Geld, das Herr oder Frau Schweizer auf den Konten der Pensionskassen horten, reicht nicht mehr aus. So einfach das Problem klingt, so schwer ist es zu lösen.
Das weiss auch SP-Bundesrat Alain Berset, der im September 2017 eine Niederlage für seine Rentenreform vom Volk kassierte. Der Sozialminister will nun mit einem neuen Vorschlag die berufliche Vorsorge umbauen, bedient hat er sich bei einem Kompromiss von Gewerkschaften und Arbeitgebern.
Noch bevor die politische Debatte im Parlament überhaupt angefangen hat, zeigt sich nun: Die Pläne kommen nicht überall gut an. Die bürgerlichen Jungpolitiker sind vorgeprescht und zerreissen Bersets Pläne.
Bersets linker Anstrich bei der Rentenreform
Grund für die Kritik ist der linke Anstrich von Bersets Reformvorschlag. Der SP-Mann nahm sich vor, die berufliche Vorsorge so zu ändern, dass Personen mit tiefem Einkommen nicht sehr darunter leiden.
Anders als bei der AHV bezahlt heute jeder und jede in die eigene Pensionskasse ein. Wie viel man ab der Pensionierung pro Jahr ausbezahlt bekommt, wird mit dem Umwandlungssatz berechnet. Wird er gesenkt, gibt es weniger Rente. Genau das will Berset nun tun: Er schlägt eine Änderung von 6,8 auf 6,0 Prozent vor. Diese Rentenreduktion will er mit folgenden Massnahmen abfedern:
- Rentenzuschlag: Wer nach der Reform pensioniert wird, soll pauschal bis zu 200 Franken pro Monat mehr ausbezahlt erhalten.
- Mehr Lohn wird versichert: Mit der Reform soll ein grösserer Teil des Monatslohns eines Arbeiters versichert werden. Berset will den sogenannten Koordinationsabzug auf 12'443 Franken halbieren.
- Ältere Arbeiter werden «günstiger», jüngere bisschen «teurer»: Wer älter wird, muss heute immer mehr vom Lohn an die berufliche Vorsorge abgeben. Dieser Mechanismus soll abgeschwächt werden.
Bürgerliche Pläne treffen das Portemonnaie der Jungen
Die bürgerlichen Jungparteien (dabei sind die Jungen von BDP, CVP, EVP, FDP, GLP und SVP) können wenig mit diesem Kompromiss anfangen. Ihre zentrale Kritik richtet sich vor allem gegen den Rentenzuschlag, den Berset vorschlägt.
In einem gemeinsamen Brief intervenieren sie beim zuständigen Bundesamt. Darin finden sich auch Vorschläge, die sich direkt auf das Portemonnaie der jungen Arbeiterinnen und Arbeiter auswirken:
- Pensionskassen-Abzug schon für 17-Jährige: Heute ist es so, dass man ab dem Jahr in die Pensionskasse einzahlt, in dem man 25-jährig wird. Die bürgerlichen Jungparteien wollen dieses Mindestalter senken.
- Pensionskassen-Abzug auch für Teilzeitarbeiter: Heute zahlen nur jene Angestellte in die Pensionskasse ein, die mindestens 21'330 Franken jährlich verdienen. Die Jungparteien wollen, dass dieser «Mindestlohn» für ein 100 Prozentpensum gilt und er bei Teilzeitarbeit angepasst wird.
Merken würden das etwa Jugendliche, die frisch aus der Lehre kommen. Oder Studierende, die nach den Plänen der Jungparteien auch bei Teilzeitarbeit in die Pensionskasse einzahlen sollten. Beide Gruppen blieben bislang von Lohnabzügen verschont.
Der Chef der Jungen BDP, Remo Zuberbühler, begründet: «Bei einem so wichtigen Projekt wie der Rentenreform müssen wir zusammenarbeiten.» Nicht nur zwischen den Parteien, sondern auch unter den Generationen.
Bürgerliche finden Bersets Rentenreform altmodisch
Eine weitere Kritik: Die bürgerlichen Jungparteien vermissen eine Flexibilisierung des Rentensystems. Sie schlagen vor:
- Rentenalter an Lebenserwartung koppeln: Das fixe Rentenalter (heute: Männer 65, Frauen 64) soll einem «Referenzalter» weichen. Dieses soll sich automatisch an der Lebenserwartung anpassen und «berufsspezifische» Abweichungen erlauben. Wann jemand pensioniert wird, soll fünf Jahre vorher bekannt gegeben werden.
- Umwandlungssatz «senken und entpolitisieren»: Mehr Flexibilität wird auch beim Umwandlungssatz gewünscht. Dieser soll nicht mehr im Gesetz definiert, sondern vom Bundesrat jährlich an die Lebenserwartung und an der «realistisch zu erwartenden Rendite» angepasst werden. Damit die Regierung das auch tut, sollen «mathematische Instrumente» geschaffen werden – wie diese aussehen sollen, konkretisieren die Jungparteien aber nicht.
Die negativen Konsequenzen von einem tieferen Umwandlungssatz wollen auch die jungen Bürgerlichen kompensieren. Anders als Berset schlagen sie aber nicht einen Rentenzuschlag, sondern eine «einmalige Erhöhung» der Pensionskassenguthaben vor, die von der «gesamten Bevölkerung solidarisch» getragen werden sollte.
Ältere Arbeiter sollen für Firmen günstiger werden
Einen anderen Weg wünschen sich die bürgerlichen Jungparteien auch bei der sogenannten «Altersgutschrift». Gemeint ist der Mechanismus, der zwar positiv klingt, heute aber zur Verteuerung von älteren Arbeitnehmern führt. Verursacht wird das durch Abzüge, die sich heute mit steigendem Alter mehr als verdoppeln.
Die bürgerlichen Jungpolitiker wollen diese altersabhängigen Abzüge angleichen – zumindest auf der Seite der Unternehmen, die ältere Personen anstellen. Davon profitieren sollen nicht nur ältere, sondern auch junge Generationen, heisst es in der Stellungnahme der Jungbürgerlichen.
Was der Bundesrat davon hält, wird sich noch zeigen. Parteien und Verbände haben noch bis im März Zeit, die Pläne von Berset zu kommentieren.
