Politiker unterschiedlicher Parteien fordern eine Deklarationspflicht für eingeflogene Lebensmittel. Welche Auswirkungen hätte eine solche auf den Konsum?
Renate Schubert: Mit der Kennzeichnung eingeflogener Lebensmittel kann den Konsumentinnen und Konsumenten verdeutlicht werden, dass bei diesen Produkten die Gefahr verhältnismässig hoher CO2-Emissionen besteht. Das regt dazu an, nach Alternativen zu suchen. Insofern ist das ein sinnvoller Schritt. Man muss sich aber bewusst sein: Eine Deklarationspflicht für Flugwaren ist nur eines von verschiedenen Puzzleteilen, die wir brauchen, um das Netto-null-Ziel zu erreichen. Wir brauchen eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze – einer davon kann eine solche symbolische Deklaration von eingeflogenen Lebensmitteln sein.
Ein anderer Ansatz wären sogenannte personalisierte CO2-Budgets. Zu solchen haben Sie intensiv geforscht. Wie funktionieren diese genau?
Wir wissen schon lange, wie viel CO2 auf dieser Welt insgesamt noch emittiert werden darf, wenn wir das 1.5-Grad-Ziel oder das 2-Grad-Ziel nicht überschreiten wollen. Das kann runtergerechnet werden auf die einzelnen Länder. Anhand dieser Länderbudgets wiederum kann man die CO2-Budgets einzelner Haushalte oder Personen für einzelne Jahre berechnen. Solche personalisierten CO2-Budgets könnten beispielsweise in Form von Punkten bei einer Art «Klimabank» hinterlegt werden. Und künftig würden wir dann Produkte und Dienstleistungen nicht nur mit Geld bezahlen, sondern bei jedem Einkauf würden auch Punkte vom CO2-Budget abgezogen. Dabei gilt der Grundsatz: Je klimaschädlicher ein Produkt, desto mehr Punkte werden abgezogen. Das hat zur Folge, dass uns bei jeder Konsumentscheidung nicht nur die monetären Konsequenzen, sondern auch die Folgen fürs Klima bewusst werden.
Das Ziel davon wäre, dass wir uns alle umweltbewusster verhalten?
Genau. Zudem ermöglicht ein solches CO2-Konto, dass man sich seinen Präferenzen entsprechend verhalten kann. So gibt es vielleicht Personen, die kaum fliegen, aber sehr häufig Auto fahren. Solange das mit dem Budget verträglich ist, wäre das kein Problem.
Und was, wenn man das CO2-Budget nicht aufbraucht?
Die Idee ist, dass man jene Punkte, die man selber nicht braucht, an andere verkaufen kann. Dadurch steigt der Anreiz, möglichst wenig zu verbrauchen. Im Gegenzug müsste, wer sein Budget überschreiten will, zusätzliche CO2-Punkte einkaufen.
Die Idee der personalisierten CO2-Budgets wurde schon 2017 aufgebracht. Seither ist nichts passiert. Scheitert die Idee an der Umsetzung?
Tatsächlich ist seit der Veröffentlichung unseres Konzeptpapiers sehr wenig passiert. Als wir die Idee damals als Klimabeirat des Umweltdepartements aufbrachten und Pilotprojekte vorschlugen, war die Reaktion aus der Regierung durchaus positiv. Doch die geplanten Pilotprojekte in einzelnen Regionen der Schweiz wurden nie konkretisiert und umgesetzt. Hinzu kommt ein zentrales Problem: Um ein persönliches CO2-Budget wirksam umsetzen zu können, müsste man von allen Gütern und Dienstleistungen die genauen CO2-Emissionen kennen. Das ist bisher nicht der Fall und die Ermittlung der Werte ist schwierig und aufwendig. Zwar lassen sich die Emissionen bei Flugreisen oder Autokilometern recht genau berechnen, aber vor allem bei Lebensmitteln ist das Ganze sehr schwierig. Ein Schweizer Apfel, der ein halbes Jahr im Kühlhaus gelagert wurde, verursacht unter Umständen mehr Emissionen als ein Apfel, der aus Neuseeland eingeflogen wird. Dennoch bin ich der Meinung, dass es sich lohnen würde, hier mehr zu investieren und auch die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz auszuloten.
Sie scheinen überzeugt von dieser Idee.
Ja, das bin ich. Und zwar weil ich sehe, dass es – wenn auch erst im kleinen Rahmen – funktionieren kann. Ein Beispiel: Es gibt in Urdorf eine Siedlung, in der die Bewohnenden ein Energiebudget haben. Ein bestimmter Energieverbrauch ist in ihrer Miete inkludiert; wenn sie mehr Energie verbrauchen, dann müssen sie dafür bezahlen – und zwar relativ viel. Das ist ein sehr interessanter Ansatz, der Pioniercharakter hat.
Sie sagen es selbst: Die Einführung von CO2-Budgets, die alle Lebensbereiche umfassen, wäre komplex. Weshalb beginnt man nicht mit einem Bereich, beispielsweise dem Flugverkehr?
Den Fokus auf einen Bereich zu legen, ist nicht die Idee eines CO2-Budgets. Der Reiz dieser Budgets liegt darin, dass man sie nach den eigenen Präferenzen in verschiedenen Bereichen einsetzen kann. Ausserdem müsste man sonst festlegen, wie gross das Flugbudget pro Person sein sollte. Dies dürfte schwierig und sehr umstritten sein.
Das Umweltdepartement hat das Mandat für den wissenschaftlichen Klimabeirat per Ende 2021 aufgelöst. Ein Ärgernis?
Es ist weniger ein Ärgernis als ein Nachteil für die Schweiz. Eine koordinierte Diskussion von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern verschiedener Disziplinen und ein direkter Austausch mit den beteiligten Ämtern im Bundesrat ist essenziell für die Entwicklung tragfähiger Lösungen im Umgang mit dem globalen Klimawandel. Ohne solche Dialoge dürfte die Schweiz auch im internationalen Diskurs zurückfallen. Ich hoffe also sehr, dass die Schweiz im Zuge der Ersatzwahlen im Bundesrat und der darauffolgenden Führungswechsel in den Departementen wieder einen wissenschaftlichen Klimabeirat einsetzen wird. (aargauerzeitung.ch)
Dabei wäre das so gar nicht nötig. Den gleichen Effekt erreicht man, wenn es eine fixe C02-Steuer auf allen Produkte gibt, bei der ein Kilo Emissionen immer gleich viel kostet, egal ob es beim Verzehr von einem Filet im Teig entsteht oder einer Bahnfahrt nach Berlin.
Ein einziger Albtraum diese Idee...
Ebenso ist Fleisch und auch aussersaisonales Obst und Gemüse viel zu billig.
Unterhaltungselektronik ist ebenfalls zu billig und müsste, wie auch Bekleidung, verteuert werden und die Produktion umweltverträglicher gestaltet werden.
Tatsächlich könnten sich die Gutbetuchten mehr Umweltsünden leisten als die Geringverdienenden - dem ist bereits jetzt schon so.