CS-Mitarbeiter packt aus: «Es wird eine blutige Schlacht um die Stellen geben»
Die Namen unserer Gesprächspartner sind frei erfunden.
- Marco arbeitet bei der Credit Suisse.
- Er ist enttäuscht von den Ereignissen der letzten Tage, die Schuld tragen für ihn die Medien.
- Bis jetzt hofft er, seinen Job zu behalten. Bewerbungen hat er noch keine geschrieben.
- Marco ist zwischen 20 und 30 Jahre alt.
Wisst ihr, wie meine Arbeitskollegen und ich davon erfahren haben, dass die CS von der UBS übernommen werden wird? Genau, wie ihr alle auch über die Medien. Und zwar im Après-Ski bei Bier und Schnaps.
Da waren das noch Mutmassungen. Der definitive Bescheid kam dann am Sonntagabend, wir wurden von unseren Vorgesetzten informiert. Heute ging dann der Sitzungsmarathon weiter. Man konnte uns bis jetzt aber noch nichts Konkretes mitteilen. Der grobe Ablauf wurde angekündigt. Aber ich habe das Gefühl, dass auch die Führung überfordert ist.
«Es gab eine Hetzjagd auf die CS»
Für mich ist eines klar: Dass es überhaupt so weit gekommen ist, ist nicht primär wegen der Unfähigkeit der CS-Führung. Sondern unsere Gesellschaft und die Medien tragen die Schuld. Vergangene Woche hat der Chef der saudischen Nationalbank gesagt, dass er nicht glaube, dass die Credit Suisse neues Kapital benötige, weil die Zahlen gut seien. Danach sind die Zahlen in den Keller. Nicht primär, weil er das gesagt hat, sondern weil die Medien seine Worte verdreht haben.
Sie haben diesen Crash zu verantworten, denn in den vergangenen Wochen und Monaten gab es eine regelrechte Hetzjagd auf die CS. Dieses permanente Bashing in praktisch allen Medien hat das Bild der CS bei der Bevölkerung – und dementsprechend auch bei unserer Kundschaft – geprägt. Am schlimmsten waren meiner Meinung nach 20 Minuten und Inside Paradeplatz. Uns wurde die Luft abgeschnürt und unser Image ging den Bach runter.
Meiner Meinung nach wäre das gar nicht so weit gekommen, hätten die Medien neutraler berichtet. Viele Worte wurden verdreht, Unwahrheiten verbreitet. Dadurch, dass die Medien nur auf die Klicks fokussiert waren, ist viel Schaden entstanden. Und ich spreche nicht nur von der CS – auch der Finanzplatz Schweiz insgesamt hat gelitten.
«Wir haben existenzielle Ängste»
Bei uns Mitarbeitenden macht sich hauptsächlich ein Gefühl breit: die Angst. Wir haben alle grosse Angst, unseren Job zu verlieren.
Was machen wir, wenn dann zehntausend Mitarbeiter auf der Strasse stehen und sich alle für dieselben Jobs bewerben? Das sind existenzielle Ängste.
Einige von uns kennen die UBS, unseren zukünftigen Arbeitgeber, falls uns dann nicht vorher schon gekündigt wird, gut. Dutzende meiner Mitarbeiter sind ehemalige UBS-Mitarbeiter und freuen sich überhaupt nicht über die Fusion.
«Das ist das Traurigste, was passieren konnte», habe ich nun schon ein paar Mal gehört. Den meisten, mit denen ich gesprochen habe, gefällt es überhaupt nicht, schon bald UBS-Mitarbeiter zu sein.
Ich habe grosse Angst vor einem Stellenverlust. Der UBS seien die neuen Mitarbeiter egal und die würden nur Geld machen wollen, sagen meine Kollegen. Und: Sie haben schon genügend Mitarbeitende. Das heisst, viele von uns werden gehen müssen. Alle wird man nicht mehr mitziehen können.
Ich sage dazu: Es wird intern eine blutige Schlacht um die zu besetzenden Stellen geben. Diese wird sich über alle Funktionen ziehen. Vom Assistenten bis zur Beraterin.
«daily business geht weiter»
Das daily business geht aber weiter: Wir geben unser Bestes und versuchen, den Kunden zu sagen, dass ihre Gelder bei uns sicher sind. Mir ist wichtig zu erwähnen, dass ich wirklich finde, dass die CS Schweiz gewissenhaft gearbeitet hat. Wir beruhigen die Kunden so und erklären ihnen, dass sie sich wegen der Übernahme keine Sorgen machen müssen.
Das sagen wir auch allen Kunden, die Geld transferieren wollen oder Konten saldieren möchten. Wenn sie dann aber auch nach unseren Erklärungen noch immer wechseln wollen, machen wir es halt. Früher versuchten wir noch mit viel Überzeugungskraft, die Kunden davon abzubringen, wenn sie ihr Geld transferieren wollen. Aber ich bin jetzt mal ganz ehrlich: Mittlerweile ist es uns egal.
Wir sagen ihnen dann auch, dass es eigentlich nicht mehr darauf ankommt. Wenn sie ihr Konto saldieren möchten, können wir es in Auftrag geben. Jetzt haben wir keinen Verlust mehr, wenn sie gehen.
«Ich bin nicht auf Stellensuche»
Ich verlasse das Boot nicht so schnell. Ich bin noch nicht auf aktiver Stellensuche. Mein CV wäre aber parat. Zuerst will ich wissen, wie das wirklich aussieht und was hinter den Kulissen läuft. Ich will bei CS bleiben, solange das möglich ist. Denn der Job bei der CS ist etwas vom Geilsten, was mir je passiert ist. Wir waren eigentlich immer motiviert, wieder die beste Bank zu werden.
Ich werde nicht aufgeben und mit allen anderen zusammen kämpfen. Ich hoffe noch immer, dass alles gut kommt, und es nimmt mich Wunder, wie das Ganze am Schluss aussieht.
Ich bin verängstigt, aber nicht panisch. Falls mir gekündigt werden sollte, werde ich einen neuen Job suchen. Wenn mir die UBS einen Job anbietet, werde ich annehmen.
Aufgezeichnet von: Kilian Marti, Juliette Baur
