Es ist der 9. Mai 2007 als die Credit Suisse an der Börse einen Kurs von knapp 82 Franken erreicht. Ihr Allzeitrekord. 15 Jahre und 10 Monate später wird die Credit Suisse nun vom Konkurrenten UBS übernommen, zum Preis von 76 Rappen pro Aktien. Zwischen damals und heute liegen zig Skandale und zig unerfüllte Versprechen auf eine bessere Zukunft. Ein Rückblick.
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Von den höchsten Börsenhöhen muss die Credit Suisse schon bald herabsteigen. Im Jahr 2008 schreibt sie einen Verlust von über 8 Milliarden Franken und muss sich neues Fremdkapital besorgen. Die Grossbank tut, was sie all die Jahre danach auch tun sollte: Besserung geloben.
«Zwar enttäuschend» sei der Milliardenverlust, heisst es damals im Geschäftsbericht 2008, gezeichnet von Walter Kielholz als Präsident und vom US-Amerikaner Brady Dougan als CEO. Die Verluste hat man sich in der Finanzkrise eingehandelt, die damals von den USA aus ihren unheilvollen Lauf nahm.
Doch das damalige Spitzenduo macht geltend, die Bank habe «sehr konservativ agiert» und sich «so aufgestellt, dass wir weniger anfällig sind, sollte das schwierige Marktumfeld andauern». Knapp zwei Jahre später ist der Aktienkurs halbiert.
«Wir haben eine erstklassige Ausgangslage, um nachhaltige Renditen und konsistente Buchwertsteigerungen zu erwirtschaften.» So sehen das Anfang 2011 die beiden Spitzenleute der Credit Suisse, Hans-Ulrich Doerig als Verwaltungsratspräsident und Brady Dougan weiterhin als CEO.
Später im Jahr gelangt Urs Rohner ins Verwaltungsratspräsidium – und der streut gerne Sätze ein, die nach neuer Bescheidenheit klingen. «Unseren Zielen gerecht zu werden gelingt uns leider nicht bei jeder Entscheidung», steht Anfang 2012 im Geschäftsbericht – und das Eingeständnis: «Wir meinen vieles richtig gemacht zu haben, doch sicherlich nicht alles.» Doch sonst klingt Rohner wie zuvor schon Doerig und Kielholz: eine «gute Ausgangslage» habe man, um «gestärkt aus dieser kritischen Periode hervorgehen zu können».
Als Dougan abtritt, wird ein «Übergangsjahr» ausgerufen, begründet mit der Einsetzung des neuen CEO. Auf Dougan ist Tidjane Thiam gefolgt. Der will zuerst alles prüfen, eine neue Strategie vorgeben und dann loslegen. Neuer CEO, neue Hoffnung. Marktführer wolle man werden, auch in Rezessionen noch Profite schreiben, lassen Thiam und Rohner gemeinsam Anfang 2016 festhalten. Man sei «für Wachstum positioniert».
Die Wortwahl war neu, die Botschaft nicht. Vier Jahre zuvor stand im Geschäftsbericht noch «für die Zukunft gut aufgestellt».
Euphorie, dann Tristesse – das ist das Jahr 2018. Zunächst scheint die Credit Suisse endlich wieder abzuheben. Die Aktie hat endlich Auftrieb – und die neue Doppelspitze aus Rohner und Thiam fühlt sich bestätigt. «Unsere Strategie hat sich bewährt», heisst es im Geschäftsbericht. Ab 2019 werde man eintreten in eine «neue, normalisierte Phase».
2019 bringt einen Beschattungsskandal, weil die Bank ihren ehemaligen Starbanker Iqbal Khan von Detektiven überwachen lässt. Thiam muss gehen, Rohner darf bleiben.
Erst Euphorie, dann Tristesse – das ist auch knapp zwei Jahre später wieder zu bestaunen, in nahezu grotesker Weise. Thomas Gottstein will als neuer CEO eine Aufbruchstimmung verbreiten. 2021 solle eine neue Ära für seine Bank bringen, in der sie in die Offensive gehe. Tatsächlich startet Gottstein glänzend in diese neue Ära, im Januar und Februar mit den besten Geschäftszahlen seit zehn Jahren.
Es folgt Skandal auf Skandal. Greensill, ein Lieferketten-Finanzierungsvehikel, geht pleite, wie auch Archegos, ein amerikanischer Hedgefonds. António Horta-Osório ist kaum im Amt als Nachfolger von Urs Rohner, als er Quarantäneregeln bricht und als Verwaltungsratspräsident zurücktreten muss.
Als die Bank im Jahr 2022 wiederum hohe Verluste schreibt, ist es wieder einmal Zeit für einen Neuanfang. Ein neuer CEO soll es richten, Ulrich Körner. Bei der UBS reichte es nicht bis ganz nach oben für ihn, doch Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann kennt und vertraut Körner: «Er wird liefern.» Körner selbst spricht von einer «fundamentalen Transformation». Es gebe eine «grosse Chance, die Bank für eine erfolgreiche Zukunft zu positionieren und ihr volles Potenzial auszuschöpfen.»
Alles wurde immer bald besser bei der Credit Suisse, über 10 Jahre lang – bis es endgültig vorbei war.
Grossbanken benötigen zum Überleben im Notfall eine Staatsgarantie.
Dies ist leider trauriger Usus - übrigens auch im Ausland bei allen anderen Grossbanken (alle haben eine implizite Staatsgarantie).
Nun müssen wir uns die Frage stellen: Wollen wir weiterhin eine international tätige Grossbank?
Wenn die Antwort "Ja" ist, muss sich der Staat diesen Aufwand fianziell entschädigen lassen.
Aber genau dies ist gestern nicht geschehen. Keine Abmachung für einen Risikoausgleich wurde festgeschrieben. Und dies ist der eigentliche Skandal!
Vergesst es nicht bei den Wahlen!