An grossen Worten fehlte es nicht. Als «Erdbeben» oder «Steuerrevolution» wurde die Einigung der G7-Finanzminister auf eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent auf Unternehmensgewinne bezeichnet. Der Beschluss vom Samstag sei «eine schlechte Nachricht für Steueroasen in aller Welt», meinte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz.
Die Schweiz ist damit wohl mitgemeint, schliesslich hatte US-Präsident Joe Biden sie in seiner ersten Rede vor dem Kongress explizit als solche bezeichnet. Die Reaktionen in der Schweizer Politik schwanken dennoch zwischen Fatalismus und Gelassenheit. Von einem Veto bei der OECD, die den Beschluss letztlich umsetzen muss, ist keine Rede.
Dabei wird die Mindeststeuer die Schweiz hart treffen. Nicht weniger als 18 Kantone liegen bei der Gewinnbesteuerung unter 15 Prozent. Den tiefsten Satz findet man im «ewigen» Steuerparadies Zug, dort liegt er knapp unter den bislang als «Schmerzgrenze» betrachteten 12 Prozent. Dennoch gibt sich Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) gelassen.
«Das hat sich seit Jahren angebahnt, ich habe damit gerechnet», sagte er im Interview mit den Tamedia-Zeitungen. Er betonte, dass die Schweiz sich von Steueroasen wie dem US-Bundesstaat Delaware oder den Bermudas abhebe und die internationalen Standards einhalte. Tatsächlich verzichtet die Schweiz auf besonders umstrittene Praktiken.
Dazu gehört etwa das «Double Irish With a Dutch Sandwich», das von Tech-Giganten wie Amazon, Apple, Facebook und Google angewendet wird. Sie verschieben ihre Profite zwischen irischen und niederländischen Tochtergesellschaften hin und her, bis sie so gut wie keine Steuern mehr bezahlen müssen.
Die Schweiz hingegen hat einige umstrittene Steuerprivilegien abgeschafft. Nun folgt der nächste Hammer, und nicht alle reagieren so zurückhaltend wie die Politik. Ein «Level Playing Field» limitiere die Möglichkeiten der Schweiz, meinte Stefan Kuhn, Leiter Steuern beim Beratungsunternehmen KPMG, bei der Vorstellung des Swiss Tax Report 2021.
«Die Schweiz braucht Kompensatorisches, um die hohen Löhne zu rechtfertigen. Wir werden mit den Steuern nicht mehr so spielen können wie in der Vergangenheit», sagte Kuhn. Auch Economiesuisse fordert eine Kompensierung der Steuererhöhung. Konkrete Gedanken dazu hat sich der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler bereits gemacht.
«Die Möglichkeiten reichen von Subventionen für Forschung und Entwicklung über Patentboxen und Steuerentlastungen für Mitarbeiter bis hin zu einer Reduktion der Umweltabgaben und Lohnnebenkosten», sagte er im Tamedia-Interview. Es handle sich nicht um neue Schlupflöcher, die Kompensationen seien «international akzeptiert», betonte Tännler.
Das mag sein, aber was passiert, wenn die von den G7 erhofften Mehreinnahmen ausbleiben? Die Schweiz könnte darüber eigentlich ein Liedlein singen, sie hat bei ihrer letztlich erfolglosen «Abwehrschlacht» zur Rettung des Bankgeheimnisses unliebsame Erfahrungen gemacht. Oder erinnert sich noch jemand an die Zinsbesteuerung?
Mit diesem Instrument konnte die Schweiz ab 2004 den Druck der EU vorerst abblocken, zusammen mit Luxemburg und Österreich, die ebenfalls ihr Bankgeheimnis verteidigten. Der Ertrag für die EU-Länder blieb überschaubar, weil die Banken Anlagevehikel für ihre steuerflüchtige Kundschaft entwickelten, mit denen sie die Zinssteuer vermeiden konnte.
Schliesslich bot die Schweiz noch eine Abgeltungssteuer an und versprach Ländern wie Deutschland deutlich höhere Zahlungen als mit der Zinsbesteuerung. Am Ende nützte alles nichts, die Schweiz musste das Bankgeheimnis preisgeben und den Automatischen Informationsaustausch akzeptieren. Der Finanzplatz hat sich davon bis heute nicht erholt.
Dem Firmenstandort Schweiz könnte ähnliches blühen, denn es ist schwer vorstellbar, dass die 15 Prozent das letzte Wort sein werden. US-Finanzministerin Janet Yellen hatte einen Satz von 21 Prozent angestrebt. Und da wäre noch der zweite Teil der Reform: Grosse Konzerne sollen einen Teil ihrer Steuern dort bezahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften.
In diesem Punkt ist einiges offen, weil grosse Wirtschaftsmächte wie Deutschland oder die USA gleichzeitig Profiteure und Leidtragende (siehe die deutsche Autoindustrie) sein würden. Überhaupt gibt es noch viele Fragezeichen. Die Schweiz aber sollte sich darauf einstellen, dass ihr Geschäftsmodell als Tiefsteuerstandort ein Auslaufmodell ist.
Die Schweizer Arbeitswelt ist nichts anderes als ein Mahlwerk das mit staatlicher Absegnung die Menschen durchlässt und physisch und psychisch komplett zermalmt unten wieder raus lässt.
Als Krönung darf man sich von den weniger Betroffenen als selber schuld, faul und Simulant bezeichnen lassen.
Es sollte endlich am unteren Ende mindestens so viel extra investiert werden wie oben. Der Grossteil des Mehrwerts entsteht unten und nicht oben.
Steuern lassen sich vergleichsweise einfach und rasch senken, die anderen Faktoren sind schwieriger zu verbessern. Insofern bietet uns ein Level Playing Field sogar eine Chance.