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Die die selbst einfachste Normen bewusst "übersehen" sind bekannt, aber auch durch die Politik geschützt.
Es geht nicht um modernste Wissenschaft, sondern um Basics, die schon genügen würden um viele Leben zu retten.
Tausende Gebäude sind infolge des schlimmen Erdbebens an der türkisch-syrischen Grenze eingestürzt, immer noch werden viele Menschen unter den Trümmern vermutet. Möglicherweise seien einige der eingestürzten Bauten nicht für so starke Erschütterungen ausgelegt gewesen, weil sie vor der Einführung der modernen seismischen Normen gebaut worden seien, sagte Mohammad Kashani, Professor für Bau- und Erdbebeningenieurwesen an der britischen Universität Southampton, gegenüber dem britischen Wissenschaftsmedienzentrum SMC. Darauf deuteten Fotoaufnahmen hin.
Allerdings: Das stärkste Beben, das am Montagvormittag verzeichnet wurde, erreichte eine Magnitude von 7.7. «Man kann Gebäude zwar prinzipiell so bauen, dass sie selbst Magnituden von 7 und höher standhalten», sagt die Erdbebeningenieurin Pia Hannewald, Präsidentin der Schweizer Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik SGEB. Ob dies jedoch gemacht werde, hänge von der lokalen Erdbebengefährdung und der Bedeutung des Gebäudes ab.
In Europa ist der «Eurocode 8» die empfohlene Norm für eine erdbebensichere Bauweise. Dabei gilt, die Gebäude so zu bauen, dass sie einem Erdbeben derjenigen Stärke standhalten, wie es statistisch gesehen alle 475 Jahre auftritt. «Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es somit nicht, da mit der entsprechenden geringen Wahrscheinlichkeit auch ein Beben auftreten kann, mit dem man nur alle 2000 Jahre rechnet», sagt die Erdbebeningenieurin.
Bei einer Bauweise, wie sie in der Schweiz üblich ist, sind Schäden an Gebäuden bei Erdbeben ab etwa einer Magnitude von 5 möglich, zerstörerische Schäden etwa ab Magnitude 6. «Bei wichtigen Gebäuden wie Akutspitälern oder Atomkraftwerken sieht es allerdings anders aus. Dort gelten noch viel höhere Sicherheitsstandards», sagt Hannewald.
Die türkische Regierung hatte 2004 infolge des verheerenden Bebens in Izmir ein neues Gesetzt erlassen, wonach alle Gebäude modernen, erdbebensicheren Standards entsprechen müssen. «Nach dem jüngsten Ereignis wird es wichtig sein zu überprüfen, ob dies bei allen seither errichteten Gebäuden eingehalten wurde, ob die Anforderungen ausreichend sind und ob es Möglichkeiten gibt, die Sicherheit älterer Gebäude zu verbessern», hielt Joanna Faure Walker vom University College London gegenüber dem Wissenschaftsmedienzentrum SMC fest.
Bestimmte Bauweisen sind besser gegen Erdbeben gerüstet als andere. «Um erdbebensicher zu bauen, eignen sich Baumaterialien gut, die sich beim Erdbeben verformen und nicht gleich auseinanderbrechen», erklärt Pia Hannewald.
Hierzu eignen sich etwa Holz, Stahlbeton oder gut konzipierte Mauerwerksgebäude. Die andere Möglichkeit seien Strukturen mit hoher Widerstandskraft. Dies sei etwa mit vielen durchgehenden Wänden und Stahlseilen mit Kreuzverbindungen zu erreichen. «In besonders erdbebengefährdeten Regionen wird gelegentlich auch eine seismische Isolationsschicht zwischen Untergrund und Fundament gelegt, die eine gewisse horizontale Verschiebung des Erdbodens auffangen kann», sagt die Erdbebeningenieurin.
Ungünstig hingegen sind Gebäude mit unregelmässigen Strukturen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Erdgeschoss kaum Wände hat, weil sich darin etwa eine grosse Eingangshalle befindet. Ebenfalls kritisch sind alte Gebäude, deren Bausubstanz marode geworden ist.
Hannewald sagt, dass es in vielen Ländern noch Gebäude gebe, die nicht nach den neuesten erdbebensicheren Standards gebaut seien, das gelte auch für die Schweiz. Denn das Erneuern und Ertüchtigen des Häuserbestandes gehe nicht von heute auf morgen. Wie die Erdbebeningenieurin allerdings betont, sei es ein Irrglaube, dass erdbebensicheres Bauen gleichzeitig auch sehr teuer sei: «Man rechnet mit Mehrkosten von 1 bis 2 Prozent auf das Tragwerk eines Gebäudes.»