Wie ein Zürcher Kino seine Säle wieder voll bringt
«Dass es von Anfang an so ein Erfolg wird, haben wir nicht erwartet!». Joana Bänziger sitzt in einem Kinosessel im Saal 2 des Arthouse Kinos im Zürcher Niederdorf. Es ist kurz vor 18:00 Uhr und der Saal schon gut gefüllt. Nebst durch die Polsterung gedämpften Gesprächsfetzen ist auch das emsige Klackern von Nadeln zu hören – wir sind im Strickkino.
Volle Kinosäle sind in der Schweiz in den letzten Jahren seltener geworden: Seit Jahren zeigt sich ein Abwärtstrend bei den Besucherzahlen. Wurden 2010 pro Person jährlich noch 1.9 Kinobilletts verkauft, waren es 2024 nur noch 1.2 durchschnittliche Kinoeintritte pro Person pro Jahr.
Erfolgskonzept Erlebniskino
Eine Strategie, um der Kinomüdigkeit entgegenzuwirken, ist das Konzept «Erlebniskino», wie es im Arthouse Kino mit dem Strickkino angeboten wird.
Dabei wird das Filmerlebnis mit einer anderen Tätigkeit verbunden. Wie es viele Leute zuhause beim Netflix-Gucken mit dem Doublescreening machen, wobei während dem Filmschauen noch auf dem Handy gescrollt wird, um dem Hirn eine Extraladung Dopamin abzuringen, wird hier eine händische Tätigkeit mit dem Medienkonsum verbunden. Und im Vergleich zur heimischen Couch ist das Ganze ein gemeinschaftliches Erlebnis mit Leuten, die dasselbe Hobby teilen.
Damit das auch klappt, bleibt ein Teil des Saallichts eingeschaltet. So kann kontrolliert werden, dass nicht versehentlich linke statt rechte Maschen gestrickt werden, oder sich das Wollknäuel noch nicht zu einem gordischen Knoten verfilzt hat.
Strickfreundliche Filmauswahl
Bei der Filmauswahl wird darauf geachtet, dass man auch dann noch mitkommt, wenn man kurz die Maschen durchzählen muss. «Oft wählen wir auch Filme auf Deutsch aus, damit man nicht auf die Untertitel angewiesen ist», erklärt Joana Bänziger.
Die Wahl an diesem Abend scheint beim Publikum gut anzukommen: Als sich Kate Winslet in «The Dressmaker» an den bornierten Dorfbewohnern rächt, die sie als Kind verleumdet und verstossen hatten, geht ein zufriedenes Raunen durch den Kinosaal. Die Strickstücke, die zwischen den Nadeln der Kinobesucher wachsen sind so bunt, dass sie auch dem sympathischen Film-Polizisten Sergeant Ferret, der gern Frauenkleider trägt, gefallen könnten.