Jetzt kann sich der Schaffhauser ETH-Student Maurus Pfalzgraf (21) in den Klimagipfel stürzen. «Heute ist mein erster Tag mit dem offiziellen Badge», sagt er am Telefon zu watson. Im Hintergrund läuft gerade eine Debatte. Im Saal sitzen Menschen aus der ganzen Welt.
«Der Weltklimagipfel ist auch ein gigantischer Networking-Anlass. Es ist eine grosse Dynamik spürbar», so Pfalzgraf, der für die Jungen Grünen im Schaffhauser Kantonsrat sitzt. Am Montag ist nun auch der frühere US-Präsident Barack Obama am Gipfel aufgetaucht. «Ich habe ihn leider knapp verpasst», so Pfalzgraf.
Bei 40'000 Teilnehmenden sei die Übersicht über die unzähligen Anlässe schwierig zu bewahren. Es gebe kein zentrales Register für alle Events, dafür lange Warteschlangen bei den Eingängen. «Viele Türen bleiben für mich zu, denn trotz Beobachterstatus kann ich an den direkten Verhandlungen nicht teilnehmen», so der Umweltschützer. Nun versuche er, möglichst viele Teilnehmende der Schweizer Delegation kennenzulernen – und so Einfluss zu nehmen. «Wenn mir ein Bundesrat über den Weg laufen sollte, wäre das umso besser», so Pfalzgraf. Die Chancen stehen nicht schlecht. Umweltministerin Simonetta Sommaruga etwa weilt vom Mittwoch bis Samstag in Glasgow.
Es geht für die Gipfelveranstalter um viel Prestige. In Woche eins der zweiwöchigen Klimakonferenz hatten die Briten einen Aufbruch nach dem anderen inszeniert. Dann Tag für Tag neue Abmachungen zur praktischen Umsetzung, vom Schutz der Wälder über die Umschichtung von Finanzmitteln bis hin zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. «Das ist bloss eine PR-Show», wetterte Klima-Ikone Greta Thunberg.
Pfalzgraf ist sich zwar mit Greta einig, sieht aber dennoch positive Anzeichen. «Die bisherigen Ergebnisse sind nicht gut genug. Aber besser als gar nichts», so der frühere Top-Kanute. Ohne die COP-Klimagipfel wäre die Welt noch viel rückständiger punkto Klimaschutz. Es brauche einfach extrem viel Zeit und Nerven, um Fortschritte zu erzielen. «Die Konferenz ist wahnsinnig gross, alles ist kompliziert. Einfache Lösungen gibt es kaum», sagt der 21-Jährige weiter.
Umso lebendiger sind dagegen die Diskussionen mit den Mitstreiterinnen. «Jeden Tag lerne ich unzählige neue Leute kennen. Und erfahre so Sachen über Umweltschutz-Projekte aus der ganzen Welt.» Dazu gehören etwa neue Drohnen-Technologie, die «Messwürfel» vollautonom mitten im Regenwald absetzen. Und so eine genaue Erfassung der noch vorhandenen Biodiversität ermöglichen.
Für sich selbst hat Pfalzgraf realistische Ziele gesteckt: Er will aus Glasgow möglichst viele Ideen für Klimaschutz mitnehmen – und diese dann unter dem Motto «global denken, lokal handeln» im Kantonsrat in Schaffhausen einreichen. Noch seien diese aber nicht spruchreif. «Ich will mich zu Hause in der Politik noch stärker fürs Klima engagieren», sagt er. Nun bleiben ihm noch fünf Tage in Glasgow. Der Showdown der Mächtigen steht erst noch bevor.
In Glasgow hat Maurus Pfalzgraf zwei verschiedene Hüte auf: Die erste Woche verbrachte er als Klimaaktivist auf der «Strasse», erst in der zweiten Woche nimmt er am offiziellen Gipfel teil.
Die Highlights seien die zwei Aktionstage am Freitag und Samstag gewesen, als bis zu 150'000 Demonstrantinnen und Demonstranten durch die Gassen Glasgows zogen. «‹Fora Bolsonaro›: Ich habe Demosprüche in allen möglichen Sprachen gelernt», schildert Pfalzgraf. Des Weiteren habe er an einem Filmprojekt des «Climate-Action-Netzwerks» mitgemacht und sei natürlich dann und wann mit anderen Aktivisten etwas trinken gegangen. «Gross Party wurde aber nicht gemacht. Dazu hatten wir kaum Zeit», so Pfalzgraf.