Der Bund hat gleich drei neue Verträge zur Beschaffung weiterer Corona-Impfdosen abgeschlossen. Neben der Aufstockung der Bestellung bei Moderna kommen zwei neue Unternehmen hinzu. Dabei handelt es sich um die Biotechfirmen Curevac aus Deutschland und Novavax aus den USA. Weil es bei allen bestellten Vakzinen zwei Dosen braucht, können mit den 34.3 Millionen Impfdosen über 17 Millionen Menschen geimpft werden.
Darunter befinden sich zwei neue Unternehmen. So hat die Schweiz mit der deutschen Biotechfirma Curevac einen Vertrag über 5 Millionen Dosen abgeschlossen. Wie bereits bei Astrazeneca läuft dies über die Europäische Union, konkret bezieht der Bund die Dosen von Schweden. Der zweite Vertrag wurde mit der US-Biotechfirma Novavax vereinbart. Hier geht es um 6 Millionen Dosen. Schliesslich hat der Bund den Vertrag mit Moderna von 7.5 auf 13.5 Millionen Dosen aufgestockt.
Insgesamt hat sich der Bund nun 34.3 Millionen Impfdosen gesichert. Bei allen fünf Vakzinen sind zwei Spritzen nötig, damit könnten also über 17 Millionen Menschen geimpft werden. Ursprünglich hat der Bundesrat rund 300 Millionen Franken für die Beschaffung bewilligt. Dank Verpflichtungskrediten hat die Schweiz nun die Möglichkeit, Impfstoffe im Wert von bis zu 800 Millionen Franken einzukaufen, wie Nora Kronig vom Bundesamt für Gesundheit am Mittwoch an einer Medienkonferenz in Bern sagte.
Allzu klar waren die Antworten an der Medienkonferenz nicht. Offenbar haben die derzeitigen Lieferschwierigkeiten bei den Verantwortlichen beim Bund Spuren hinterlassen. Kronig sagte, die Schweiz müsse für allfällige Mutationen gewappnet sein. In diesem Zusammenhang ist auch die Option zu sehen, die der Bund mit Moderna vereinbart hat. Der Vertrag ermöglicht es der Schweiz, einen Teil der Lieferungen dem Bedarf anzupassen und erst in der ersten Hälfte des nächsten Jahres zu beziehen. Moderna forscht bereits an einer Auffrischung, welche einen Schutz vor zukünftigen Virusmutationen abdecken könnte.
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Mit dem Deal mit Novavax hat sich der Bund erstmals einen proteinbasierten Impfstoff gesichert. Diese verwenden Teile des Coronavirus, häufig sogenannte Proteinfragmente, um eine Immunantwort auszulösen. In der Regel verringert dies das Risiko von Nebenwirkungen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die Immunantwort schwächer sein kann. Novavax jedoch verfügt über ein sehr potentes Coronavakzin. Das Präparat habe in der dritten und entscheidenden Phase der Studie eine Wirksamkeit von 89.3 Prozent gezeigt. Diese Daten veröffentlichte das Unternehmen vergangene Woche. Sie basieren auf einer Studie in Grossbritannien mit rund 15'000 Teilnehmern. Für eine weitere Studie in den USA liegen noch keine Zwischenergebnisse vor.
Die deutsche Firma setzt wie Moderna und Pfizer/Biontech auf die sogenannte mRNA-Technologie. Allerdings hat Curevac die letzte und entscheidende Phase-III-Studie erst Mitte Dezember gestartet. Darin sollen rund 36'500 Teilnehmer in Europa und Südamerika aufgenommen werden. Getestet wird mit zwei Dosen. Erste Ergebnisse werden im ersten Quartal erwartet. In früheren Studien zeigte der Impfstoff eine gute Verträglichkeit und eine ausgewogene Immunantwort. Für die Herstellung hat die Firma Verträge mit den deutschen Firmen Bayer und Rentschler Biopharma sowie mit dem britischen Pharmakonzern Glaxosmithkline abgeschlossen.
Nein, das ist laut der Arzneimittelbehörde Swissmedic noch nicht geschehen. Allerdings war das teils auch bei jenen Herstellern nicht der Fall, mit denen der Bund letztes Jahr handelseinig wurde. Neben der Zulassung benötigen die beiden Firmen eine sogenannte Betriebsbewilligung von der Swissmedic. Hierfür müssen sie etwa belegen, dass sie hierzulande in der Lage sind, einen Rückruf eines Präparats zu organisieren.
Bei beiden handelt es sich um kleine Biotechfirmen, die beide an der Börse gehandelt werden. Bei Curevac ist dies erst seit letzten September der Fall. Novavax beschäftigt laut Geschäftsbericht 165 Mitarbeiter und hat seinen Sitz in der Nähe der US-Hauptstadt Washington im Bundesstaat Maryland. Curevac hat seinen Sitz in Tübingen südlich von Stuttgart und verfügt über 500 Angestellte. Mitte Juni hat sich die deutsche Regierung mit 300 Millionen Euro an der Firma beteiligt, ihr Anteil beträgt knapp 17 Prozent. Grösster Aktionär ist jedoch Dietmar Hopp, Mitbegründer der Softwarefirma SAP. Erst am Dienstag hat sich Curevac über eine Kapitalerhöhung weitere 450 Millionen Dollar beschafft.
Die Impfstoffe basierend auf der mRNA-Technologie verzeichnen bisher den besten Wirkschutz. Moderna und Pfizer/Biontech publizierten Werte von rund 95 Prozent. So wie es aussieht, scheint das Einvernehmen zwischen dem Bund und Moderna gut zu sein. Das hat auch damit zu tun, dass ein grosser Teil der Wirksubstanz von der Basler Firma Lonza in Visp VS hergestellt wird. Moderna-Chef Stéphane Bancel bedankte sich für das Vertrauen und die Unterstützung. «Die Schweiz hat in der Geschichte von Moderna eine Schlüsselrolle gespielt.» Der Europa-Sitz von Moderna befindet sich seit dem Sommer in Basel.
Die neuen Verträge mit Novavax und Curevac seien gute Nachrichten, sagt GLP-Nationalrat Martin Bäumle. Es komme zwar alles etwas spät. Doch immerhin sei mit den neuen Verträgen eine genügende Anzahl Dosen zu erwarten, um allen Menschen in der Schweiz, die eine Impfung möchten, eine solche bis im Sommer anzubieten. Auch CVP-Nationalrätin Ruth Humbel freut sich. «Es bleibt zu hoffen, dass die Impfstoffe sofort nach der Zulassung geliefert werden können.» Zudem sei zu wünschen, dass die Lieferfristen verbindlich vereinbart worden seien und es zu keinen unerwarteten Lieferengpässen komme.
Das ist durchaus möglich. Ein heisser Kandidat ist der US-Konzern Johnson & Johnson, der hierzulande 4400 Mitarbeiter beschäftigt. Beide Seiten haben Verhandlungen bestätigt. Nora Kronig vom Bundesamt für Gesundheit mochte sich nun aber nicht mehr weiter dazu äussern. Der grosse Vorteil des Vakzins der Amerikaner: Es ist nur eine Dosis nötig.
Die bisher eingereichten Daten würden für eine Zulassung noch nicht ausreichen, teilt die Arzneimittelbehörde Swissmedic mit: «Um zusätzliche Angaben zur Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität zu erhalten, sind Daten aus neuen Studien notwendig.» Das beratende externe Beratergremium von Swissmedic habe am Dienstag an einer ausserordentlichen Sitzung die Beurteilung der Behörde gestützt. Die derzeit vorliegenden Daten erlaubten noch keinen positiven Nutzen-Risiko-Entscheid. Die EU-Kommission dagegen hat das Vakzin von Astrazeneca am Freitag zugelassen.
Die Eidgenössische Kommission für Impffragen will derzeit keine Empfehlung abgeben. Es gebe verschiedene offene Fragen, sagt Christoph Berger, Präsident des Gremiums. «Wir müssen diese zuerst adressieren und beantworten, bevor wir eine Empfehlung abgeben.» Mit den derzeit verfügbaren Daten aus den klinischen Studien könne die Kommission den Impfstoff besonders gefährdeten Personen nicht empfehlen. Dazu gehören über 64-jährige Menschen und Risikopatienten.
Die Kommission sei nicht grundsätzlich gegen den Astrazeneca-Impfstoff. «Wir werden nun die offenen Fragen anschauen und nach einer allfälligen Zulassung durch die Swissmedic die Impfstrategie entsprechend anpassen», sagt Berger. Eine der Möglichkeiten: Der Impfstoff wird für unter 65-Jährige empfohlen, nicht aber für Ältere. Es sei denkbar, dass Astrazeneca weitere Daten zu den besonders gefährdeten Personen publiziere. «Das werden wir dann natürlich anschauen», sagt Berger.
Die Kosten gegenüber einem Lockdown sind nichts dagegen.
Die Pandemie muss weltweit bekämpft werden, nicht nur in hochentwickelten Ländern.