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Wie unser Dialekt und Mundart die Schweizer Sprache verändert

«Frühstück» statt «Zmorge» – so wird der Wandel im Schweizerdeutschen erforscht

Sprachforscher der Universität Zürich sammeln mit einer Smartphone-App schweizerdeutsche Stimmen. Sie verfolgen damit einen neuen Ansatz.
28.08.2025, 16:1228.08.2025, 16:12
Pascal Ritter / ch media

Das Pferd verdrängt das Ross, die Kartoffel den Härdöpfel und der Brudi den Kollegen. Stirbt die Mundart aus, wenn immer mehr Wörter aus dem Deutschen oder Englischen in die schweizerdeutschen Dialekte übernommen werden? «Das glaube ich nicht», sagt Anja Hasse, Linguistik-Professorin am Deutschen Seminar der Universität Zürich.

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Wer sagt Zmorge, wer sagt Frühstück? Die Mundart wandelt sich.Bild: www.imago-images.de

Hasse ist Teil eines Teams, die seit dem Jahr 2018 Dialektforschung mithilfe einer Smartphone-App betreibt. Rund 10'000 Personen luden die App «gschmöis» herunter und wurden von ihr in regelmässigen Abständen gefragt, wie sie Begriffe oder ganze Sätze in ihrem Dialekt sagen. Zu den Antworten wurde zudem die Herkunft der sprechenden Person erfasst, sodass auf Landkarten ersichtlich wurde, wo vor allem Anke und wo Butter oder Schmalz aufs Brot geschmiert wird.

Wortschatz ändert sich, Satzbau bleibt stabil

«Wir haben im Zuge unserer Forschung zwar festgestellt, dass am Morgen manche ein ‹Früehstück› statt einen ‹Zmorge› einnehmen, die Veränderungen im Wortschatz täuschen aber. Schweizer Dialekte sind erstaunlich stabil», sagt Hasse und macht ein Beispiel.

Zum Wort «Zwiebel» gibt es verschiedene Dialekt-Varianten.
Zum Wort «Zwiebel» gibt es verschiedene Dialekt-Varianten.

«Dialekte unterscheiden sich beispielsweise darin, wie das standarddeutsche Wort ‹Rücken› ausgesprochen wird. In Teilen der Zentralschweiz und im Oberwallis sagt man ‹Rigg(e)›, in gewissen Regionen der Kantone Bern, Solothurn, Aargau und Luzern sagt man ‹Rügg(e)› und in der Ostschweiz sagt man ‹Rugge›. Wenn wir nach dem standarddeutschen Wort ‹Brücke› fragen, zeigt sich ein sehr ähnliches Muster bei der Verteilung der Übersetzungen ‹Brigg›, ‹Brügg› und ‹Brugg›.»

Solche Dialektgrenzen könnten sich zwar verschieben, die Dialektmerkmale würden aber nicht so schnell komplett verschwinden wie einzelne Dialektwörter, sagt Dialektforscherin Hasse.

Auch der Satzbau verschiedener Dialektvarianten sei stabiler als der Wortschatz. So verdrängt zwar der Butter den Anken teilweise, andere Mundart-Eigenheiten sind stabiler. In gewissen Regionen brauche man «Münz für es Billett lööse», in anderen aber «zum es Billett lööse». «Für viele, die die eine Varianten sagen, ist die andere nicht möglich oder klingt schlichtweg falsch», sagt Hasse.

Neues App soll Dialekte noch genauer abbilden

Hasse und ihr Team haben nun eine neue App herausgebracht. Mit der Anwendung «nöis gschmöis» sollen die Dialekte noch genauer erforscht werden. In der App werden gut 100 Fragen zum Dialekt gestellt, dabei geht es zum Beispiel um Wortschatz und Aussprache, aber ebenso um Grammatik.

Mittels der Smartphone-App «neus gschmöis» können alle ihre Mundart-Variante der Forschung zur Verfügung stellen.
Mittels der Smartphone-App «neus gschmöis» können alle ihre Mundart-Variante der Forschung zur Verfügung stellen.Bild: nöis gschmöis / mockuuups

In den bisher von den Forschenden der Uni Zürich erhobenen Daten dominieren Antworten aus kleineren und grösseren Städten. Mit dem neuen Anlauf will das Team um Hasse darum mehr Antworten von Personen, die in Dörfern oder in der Agglomeration leben. Dazu sind öffentliche Veranstaltungen an verschiedenen Orten geplant.

Das Forschungsteam begeht neue Wege

Früher suchten Dialektforscher Teilnehmende, deren Familien seit Generationen in der selben Region oder gar im gleichen Ort lebten. Der Gedanke dahinter war, Dialekte möglichst frei von Einflüssen zu dokumentieren.

Damals waren noch möglichst sesshafte Dialektsprecher gefragt: Sprachforscher Rudolf Hotzenköcherle (links) als Explorator für den Sprachatlas der deutschen Schweiz im Gespräch mit einer Gewährsperson ...
Damals waren noch möglichst sesshafte Dialektsprecher gefragt: Sprachforscher Rudolf Hotzenköcherle (links) als Explorator für den Sprachatlas der deutschen Schweiz im Gespräch mit einer Gewährsperson in Bissegg, Kanton Thurgau (1938).Bild: Archiv des Schweizerischen Idiotikons

Die Sprachwissenschafterinnen und Sprachwissenschafter der Universität Zürich wollen nun aber explizit auch Personen befragen, die aus mehrsprachigen Familien stammen, das Schweizerdeutsche erst spät lernten oder Personen, deren Eltern zwei verschiedene Dialekte sprechen.

«Uns fasziniert, dass trotz grosser Mobilität gewisse Dialektunterschiede bestehen bleiben», begründet Hasse diesen Ansatz.

Fördergelder des Nationalfonds

Die Erkenntnisse aus den Befragungen per App werden in Blog-Beiträgen veröffentlicht.

Entstanden ist die App im Rahmen des Projekts RALD (Raising Awareness for Linguistic Diversity) der Universität Zürich. Nach dem Erfolg der ersten Dialektapp «gschmöis» 2018 kann die Uni Zürich nun mit der Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds dieses grössere Projekt durchführen. Dabei gehe es nicht nur ums Datensammeln, sondern auch darum, der Öffentlichkeit einen Einblick in die Inhalte und Methoden der Dialektforschung zu geben, heisst es im Projektbeschrieb.

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252 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nummy33
28.08.2025 16:23registriert April 2022
ich kenne niemanden der auf Schwiizerdütsch Frühstück sagt
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Chnebugrind
28.08.2025 16:36registriert August 2025
Etwas vom schlimmsten ist für mich fernsehwerbung, die auf schriftdeutsch geschrieben aber auf schweizerdeutsch gesprochen wird. Das klingt einfach falsch. Bitte liebe deutsche werber, lasst uns schweizer das machen.
1543
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Haarspalter
28.08.2025 18:43registriert Oktober 2020
Am schlimmsten finde ich:

„Ich ha sie aaglütet“ (Akkusativ)
wie im Hochdeutschen „Ich habe sie angerufen“

anstelle

„Ich ha ihre aaglütet“ (Dativ) wie im Schweizerdeutschen.

Und am allerschlimmsten:

Meine jüngste Tochter sagt es so 😩
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252
Rate, aus welchem Land die Premierminister sind – oder übernimm den Job in Frankreich
Liebe Quizzticle-Klasse
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