Das ist das neue Coronavirus Sars-CoV-2. In seinem Innern trägt es die RNA, also das Erbgut und an seiner Oberfläche stehen eine Art Stachel ab, Spike-Proteine genannt. Das Virus braucht sie, um in die menschlichen Zellen zu gelangen. Weil unser Körper diese Stacheln nicht kennt, beginnt er bei einer Infektion mit dem Coronavirus, Antikörper dagegen zu produzieren. Dank diesen ist man nach einer Erkrankung vorübergehend immun.
Damit nun nicht alle zuerst krank werden müssen, um Antikörper gegen dieses neue Virus zu bilden, können wir uns impfen lassen. Das vermindert das Risiko einer schweren Infektion im Fall einer Ansteckung und dass man das Virus an andere Personen, im gefährlichsten Fall gar an Personen der Risikogruppe, weitergibt. Eine Impfung ist sozusagen ein Training für das Immunsystem, um sich gegen Sars-CoV-2 zu wehren.
Der Impfstoff von Pfizer/Biontech oder Moderna enthält 30 beziehungsweise 100 Mikrogramm Spike-mRNA eingebettet in Lipid-Nanopartikeln. Diese messenger-RNA besteht aus genau dem Teil der Coronavirus-RNA, der die Information für den Aufbau eines Spike-Proteins in sich trägt. Deswegen wird sie auch Boten-RNA genannt. Sie kann in einem Labor hergestellt und vervielfältigt werden. Die Lipide dienen zum Schutz der mRNA und damit diese in die Zellen aufgenommen wird.
Der Impfstoff wird in den Muskel des Oberarms gespritzt. Dort dringen nun die Nanopartikel in die Zellen ein und lassen die mRNA frei. In den Zellen wird der Bauplan der Boten-RNA gelesen und das Spike-Protein nach Anleitung produziert. Dieser Prozess findet während vier bis acht Tage in zigtausenden Zellen rund um die Injektionsstelle statt. Nach der Spike-Produktion wird die mRNA von der Zelle abgebaut.
Die neu produzierten Stacheln werden an die Zelloberfläche transportiert. Das Stechen der Spritze und die Stressreaktion der Zellen durch die mRNA Erkennung rund um die Einstichstelle locken Immunzellen in den Muskel. Dort untersuchen sie das Spike-Protein genaustens und identifizieren es als etwas «Fremdes». Entzündungsfaktoren werden ausgeschüttet, und diese führen – wie der Name schon verrät – zu Entzündungsreaktionen. Das kann mild verlaufen, etwas müde machen, zu Schmerzen an der Injektionsstelle am Arm führen oder sich stärker entwickeln, bis hin zu Fieber.
Antigenpräsentierende Zellen (kurz APZ) sind eine Art von Immunzellen, die zur Injektionsstelle hingezogen werden. APZ können eingedrungene Erreger oder veränderte Körperzellen erkennen und eine spezifische Immunantwort einleiten. Sie nehmen die Spike-Proteine auf und wandern damit zu den Lymphknoten unter der Achsel. Dort schwirren viele T-Helferzellen herum, auf der Suche nach verdächtigen Objekten. Sie lokalisieren Bruchstücke des Stachels an der Oberfläche der APZ und werden aktiviert. T-Helferzellen sind so etwas wie die Steuerzellen des Immunsystems und mobilisieren andere Zellen, um das Virus zu bekämpfen.
Die B-Zellen des Immunsystems werden aktiviert. Ein komplexer Prozess wird in Gang gesetzt, in dessen Verlauf sie schliesslich Antikörper produzieren. Anfangs entstehen Antikörper, die noch nicht ganz perfekt zum Stachel des Virus passen. Mit der Zeit werden sie besser und damit auch der Schutz gegen Sars-CoV-2. Dringt nun ein Coronavirus in den Körper, docken die Antikörper an den Stachel an und verhindern so dessen Eindringen in die Körperzellen.
In der Regel dauert es nach der ersten Impfung zwei Wochen bis zur ersten Ausbildung von Antikörpern. Nach drei Wochen ist ein 70- bis 90-prozentiger Schutz erreicht. Damit dieser erhöht und stabilisiert wird, benötigt es nach vier bis sechs Wochen eine zweite Impfung.
Die nach der Impfung gebildeten Antikörper verschwinden nach einigen Monaten wieder aus dem Blut. Das heisst aber nicht, dass man dann ungeschützt ist. Das Gute ist, dass einige T-Helferzellen und B-Zellen ein super Gedächtnis haben. Sie erinnern sich an das Sars-CoV-2-Spike-Protein, sollte dieses bei einer Infektion in den Körper gelangen. Geschieht dies, können die T-Helferzellen und B-Zellen eine schnelle Reaktion auslösen. Die daraus hervorgehenden Antikörper binden das Virus und eliminieren es.
Mit mRNA-Impfstoffen kann diese Reaktion bei etwa 95 Prozent der Menschen Symptome verhindern und bei 97 Prozent schwere Covid-19-Krankheitsverläufe und den Tod.
Für die fachliche Beratung bei diesem Artikel bedanken wir uns bei Christian Münz, Professor für virale Immunologie an der Universität Zürich und Mitglied der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce des Bundesrates.