Sie gehören zu den komplexesten und wichtigsten Ökosystemen der Erde – die Wälder.
Tausenden von Pflanzen und Tieren bieten sie einen Lebensraum, erzeugen Sauerstoff, versorgen uns mit sauberem Trinkwasser und regulieren das lokale Klima. Zusammen mit den Böden erfüllen die Wälder eine weitere Klimafunktion: Sie können grosse Mengen an CO₂ sequestrieren, also Kohlendioxid (CO₂) aus der Atmosphäre entziehen. Dies macht die Wälder zu einer der wichtigsten Waffen im Kampf gegen den Klimawandel.
Doch der Kampf hinterlässt zunehmend seine Narben.
Der Klimawandel findet in einem solch raschen Tempo statt, dass sich die Bäume genetisch nicht an die Veränderungen anpassen können. Die Folge: Die Baumstämme schrumpfen.
Zwar nur im Bereich von Mikrometern – doch selbst diese klitzekleine Veränderung hat grosse Auswirkungen.
Dazu müssen wir uns kurz einen Vorgang – eines der bedeutendste biogeochemischen Prozess der Erde – anschauen: der Fotosynthese.
Salopp gesagt produziert ein Baum seine Nahrung durch drei Zutaten: Wasser, CO₂ und Sonnenlicht. Daraus entsteht Zucker, der dazu benötigt wird, Holz, Blätter und allenfalls Früchte zu tragen.
Dieser Prozess kann mit einer Fabrik verglichen werden, bei der gleichzeitig mehrere Prozesse und Transportvorgänge stattfinden. Wichtig sind vor allem die Wurzeln. Sie sind dafür zuständig, Wasser aus dem Boden aufzunehmen und über den Stamm zu den einzelnen Zweigen und Blättern zu transportieren und sie «zu füttern».
Durch die Sonneneinstrahlung verdunstet das Wasser wieder, die Wurzeln müssen daher immer für Nachschub sorgen. Dies geschieht am besten nachts. Denn da ist die Luftfeuchtigkeit höher, die Blätter verdunsten weniger.
Tagsüber trocknet der Baum durch die Verdunstung etwas aus, sein Volumen nimmt demnach ab. Nachts können die Wasservorräte aber wieder aufgefüllt werden.
Können.
Denn wenn der Baum mehr Wasser verliert, als er nachgeliefert bekommt, hindert ihn das nicht nur daran, zu wachsen, sein Volumen nimmt sogar ab. Oder vereinfacht gesagt: Der Baum schrumpft.
Diese täglichen Vorgänge der Bäume nennt man Stammradiusschwankungen. Diese misst man in der Schweiz seit mehreren Jahren. Nahezu in Echtzeit wird das Wachstum verschiedener Bäume sowie ihre Wasserdefizite analysiert.
In diversen Wäldern der Schweiz werden die Baumumfänge mittels eines sogenannten Punktdendrometers gemessen. Dieses Gerät ist an verschiedenen Bäumen sowie an Standorten der Schweiz befestigt und misst die kleinste Veränderung. So können Schwankungen im Mikrometer-Bereich gemessen werden.
Dieses Monitoring mit dem Namen TreeNet wird von der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) betrieben.
Anhand der Messdaten kann analysiert werden, wie stark die Bäume an einem Wasserdefizit leiden. Je stärker die Schrumpfung und je länger die Phase dauert, desto stärker ist der Baum trocken-gestresst, erklärt uns Prof. Dr. Arthur Gessler, Leiter des Programms Langfristige Waldökosystemforschung.
Die Frage, wo die Bäume derzeit am wenigsten unter Trockenheit leiden, ist zunächst einfacher beantwortet: In Graubünden zeigen die derzeitigen Messdaten die niedrigsten Wasserdefizite auf.
Die Punkte respektive die Messungen variieren von Tag zu Tag – je nach Wetterlage. Verglichen mit den Daten des Vorjahres zeigt sich deutlich, dass die Trockenheit im August 2022 an einzelnen Tagen ausgeprägter war als im selben Zeitraum im Jahr 2021.
Unterschiede gibt es nicht nur je nach Region, sondern auch bei den Baumarten. «Ein relativ geringes Baumwasserdefizit zeigen hauptsächlich Eichen und Douglasien, wohingegen die meisten Eschen, Buchen und Hainbuchen ein hohes Wasserdefizit aufweisen», verrät Arthur Gessler.
Die Daten zeigen auch, dass sich der Regenfall der letzten Tage positiv auf die Baumwasserdefizite in Graubünden ausgewirkt haben.
Dann kann's ja noch gut kommen, oder?
Arthur Gessler sieht dies nicht so entspannt: «Um die Bodentrockenheit aufzuheben, bräuchte man längere ausgiebige Niederschläge». Besonders für einige Baumarten sehen die Prognosen düster aus: «Wir müssen davon ausgehen, dass langfristiger Trockenstress die Bäume und die Wälder schädigt, und wenig trockenheitsresistente Arten wie die Fichte an vielen Standorten in Zukunft nicht mehr vorkommen werden», so der Leiter des Programms Langfristige Waldökosystemforschung.
Ein herber Schlag im Kampf gegen den Klimawandel.
Also ich habe nicht das Gefühl, dass irgendwo auf der Welt gegen den Klimawandel gekämpft wird.